Ich war die letzten Tage beruflich unterwegs und konnte mich daher hier nicht so einbringen, wie ich es gern getan hätte. Das Buch habe ich mittlerweile ausgelesen. Ich möchte euch jedoch nicht meine Leseeindrücke vorenthalten.
In der Novelle "Die Waldsteinsonate" kreiiert Hartmut Lange ein gespenstisches Szenario: Der Komponist Franz Liszt spielt am Klavier für das Ehepaar Goebbels am Abend an dem sie ihre Kinder umbringen wollen (1. Mai 1945) die "Waldsteinsonate" von Beethoven. (Man beachte, Liszt ist 1886 gestorben.) Magda Goebbels wird von Schuldgefühlen gequält. Sie schwankt zwischen Muttergefühlen und Hörigkeit vor der Ideologie. Liszt scheint stellvertretend für ihr Gewissen zu sein. Er versucht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Solange sie der Musik lauscht, wird der Plan, die Kinder zu töten, nicht umgesetzt.
Ein gruseliges und beklemmendes Szenario, bei dem es mich immer noch schüttelt
In der Novelle "Im November" geht es um die letzten 2 Tage im Leben von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel. Beide beschließen, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Henriette Vogel ist schwer krebskrank, Kleist kommt mit der Welt nicht zurecht. Die beiden scheinen sich eigens für den Selbstmord zusammengetan zu haben. Es herrscht fast schon eine heitere Stimmung. Die Entscheidung ist getroffen, nun wird sie umgesetzt. Fast schon generalstabsmäßig bereiten sie ihren Tod vor.
Ich spare mir, auf die letzten beiden Novellen, die noch folgen einzugehen. Stimmung und Grundtenor sind identisch mit den bereits erwähnten.
Dieses Buch ist nichts für schwermütige Menschen. Das ist schon harter Tobak, wie mit dem Tod umgegangen wird.
Hervorheben möchte ich den Sprachstil von Hartmut Lange. Nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, schoss mir der Begriff "Erhabenheit des Alters" durch den Kopf. Man merkt dem Mann seine Lebenserfahrung an. Laut Nachwort hatte Lange auch sein Kreuz zu tragen. Seine Wortwahl wirkt sehr bedächtig und überlegt. Man begegnet Begriffen, die heutzutage nicht mehr zeitgemäß wären, aber wundervoll zu der Zeit, in der die Novellen spielen, passen.
Langes "Waldsteinsonate" gehört zur Gegenwartsliteratur. Wenn man das nicht wüsste, würde man dieses Werk allein aufgrund seiner Sprache als Klassiker bezeichnen.