Rezension Rezension (4/5*) zu Murmeljagd: Roman von Ulrich Becher.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.713
2.674
49
Buchinformationen und Rezensionen zu Murmeljagd: Roman von Ulrich Becher
Kaufen >
Schweizer Exil

Im Frühjahr 1938 flieht der österreichische Journalist Albert Trebla mit seiner Frau in die Schweiz. Doch auch in dem vermeintlich neutralen Land fühlt er sich nicht sicher. Zwar lernen die Eheleute schnell neue Menschen kennen und treffen alte Bekannte. Doch schon bald nach der Ankunft bekommt Trebla das Gefühl, er werde von zwei Blonden beschattet. Und bald darauf verstirbt ein Jurist, mit dem Trebla sich anzufreunden begann. Die Meldungen aus der alten Heimat stimmen auch nicht eben fröhlich, der Krieg schickt seine Boten voraus, die Gefahr scheint immer näher zu kommen.

Wem kann man noch trauen in dieser verrückten Zeit? Hilfe kommt manchmal ebenso unerwartet wie eine Bedrohung von einer Seite, die man sicher glaubte. Auf der Flucht ist auch das Geld verdienen keine leichte Aufgabe, will der Journalist Trebla etwas veröffentlichen, braucht er eine Erlaubnis, für eine Erlaubnis braucht er einen gültigen Ausweis. Doch er hat nur Papiere eines Landes, das es seit kurzem so nicht mehr gibt. Dauernde Geldsorgen, das Gefühl der Bedrohung, die Sorge um die Gesundheit seiner Frau. Wie eine Schlinge, die sich langsam zuzieht, scheint sich das Schicksal um Treblas Hals zu legen. Schlechte Nachrichten aus der Heimat tun ein Übriges dazu, Treblas Nervenkostüm aufzureiben.

Am Vorabend des zweiten Weltkrieges angesiedelt ist dieser Roman ein bedrückendes Dokument, dass Flüchtlinge damals ebenso wie heute nicht freudig empfangen wurden. Mit Mühe finden die Eheleute Trebla Unterschlupf, eher noch bei Ihresgleichen. Widersinnig wirkt so manches fröhliches Beisammensein vor dem Hintergrund der politischen Lage. Doch vielleicht bedarf es einfach der Ablenkung, ein stundenweises Kopf in den Sand. Denn die Gefahr lauert. Die Flucht will organisiert sein, sie macht Wege notwendig, das Herauswagen aus dem Bau, der auch nicht sicher ist. Das Gefühl der Bedrohung, des Unwillkommenseins, der Angst vor schlechten Nachrichten ist immer gegenwärtig. Wie ein Tanz auf der Rasierklinge wirkt Treblas Weg durch die unsichere Zeit. Wenn auch dieser Roman in manchen Belangen undurchsichtig bleibt, so fesselt er in besonderem Maße durch die Beklemmung, die er bei dem Gedanken an ein Flüchtlingsschicksal auslöst. Wobei hier der Flüchtling Trebla durch seine Beziehungen und seine gewisse Bekanntheit noch begünstigt wirkt. Wie mag es da erst jenen ergangen sein oder ergehen, auf die tatsächlich niemand wartet?


von: Denzil Meyrick
von: Deon Meyer
von: Arnaldur Indriðason