Rezension Rezension (5/5*) zu Small World von Martin Suter.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.869
7.759
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Small World von Martin Suter
Kaufen >
Vielleicht ist dies das wahre Leben...


Konrad Lang lebt nunmehr seit sechzig Jahren von den Zuwendungen und Aufträgen der Schweizer Industriellen-Familie Koch, in Kindheit und Jugend eng verbunden mit dem Sohn der Familie, Thomas, gleich alt wie er. Aber auch als Erwachsener, wenn Thomas nach ihm verlangte, war Konrad stets zur Stelle.
In mittlerweile fortgeschrittenem Alter hütet Konrad eine Villa der Familie im Ausland während deren Abwesenheit - doch durch einen unglücklichen Umstand brennt das Anwesen komplett nieder. Konrad ist sich keiner Schuld bewusst, auch nicht als er der Brandstiftung angeklagt wird. Schließlich verzichtet Familie Koch auf eine Anklage und holt Konrad Lang in die Schweiz zurück.

Dort mehren sich allmählich die Probleme mit Konrads Kurzzeitgedächtnis, doch kann er diese zunächst kaschieren. Als er sie nicht länger verbergen kann, ergeben medizinische Untersuchungen eine klare Diagnose: Alzheimer. Elvira Koch, der betagten Mutter von Thomas, Haupt der Industriellen-Familie und unumschränkte Alleinherrscherin, kommt der zunehmende geistige Abbau Konrads sehr gelegen - bis sich herausstellt, dass durch den Verlust des Kurzzeitgedächtnisses seine Erinnerungen an frühere Zeiten immer stärker werden.
Elvira fürchtet, dass durch die zunehmenden Kindheitserinnerungen Korads Dinge aus der Vergangenheit wieder zutage kommen, die sie lieber für immer verschwiegen wissen will. Aus gutem Grund...

In seinem ersten Roman Small World präsentiert Martin Suter eine gelunge Mischung aus verwickeltem Familiendrama, medizinisch einfühlsamer Fallstudie über die Alzheimer-Erkrankung und nicht zuletzt einem Krimi. Kann so ein Buch fesseln?
Für mich ist die Antwort ganz klar: es kann! Zunächst schwebt lange die Frage im Raum: worauf will Suter eigentlich hinaus? Stück für Stück offenbart er Konrads Leben - anfangs spielt es in der Gegenwart, und erst als die Alzheimer-Erkrankung immer schlimmer wird, verschiebt es sich in die Vergangenheit. Die Spannung entsteht nicht so sehr durch die Krimi-Handlung, die ist eher nebensächlich. Es ist die Art, wie Suter schreibt - nüchtern, präzise, sehr gut recherchiert und trotzdem schön und leise, mit Bedacht und einer Prise Melancholie. Es ist die Art, wie sich Suter Gesellschaftsproblemen (medizinkritisch) nähert, immer auf der Suche nach unserer wahren Identität: "Vielleicht ist das das wahre Leben...", lässt er so auch einen Arzt angesichts des schwer erkrankten Konrad Lang sinnieren.

Wie der Autor das Anschwellen des Vergessens beschreibt und später dann das Aufkeimen alter, längst verschüttet geglaubter Erinnerungen, das ist anrührend tragisch und unwiderstehlich humorvoll gleichzeitig, dabei unglaublich authentsich. Wenn sich das Ende nähert, ahnt man, was geschehen ist, welches das gut gehütete Familiengeheimnis ist, was aber überhaupt nicht stört, weil Suter seine Geschichte mit einem Augenzwinkern serviert. Teilweise lakonisch, teilweise amüsant, vor allem sezierend, wozu Menschen fähig sind.
Einzig das, was am Ende mit Konrad Lang geschieht, führte bei mir zu einem leichten Kopfschütteln. Wunschdenken kann man hier nur attestieren, zumindest derzeit - andererseits setzt Suter damit aber auch ein Hoffnungszeichen.

Obwohl es sich bei dem Hörbuch um eine gekürzte Fassung handelt, hat es mir ausgesprochen gut gefallen. Hervorragend wurde es gelesen von Dietmar Mues, gut betont und dem Schreibstil angemessen, m.E. die Idealbesetzung für diesen Roman.
Ein wirklich empfehlenswertes Hörbuch, sprachlich gelungen und mit einem überzeugenden Plot, einfühlsam und spannend und dabei die Untiefen menschlichen Lebens auslotend. Für mich ein wirkliches Hörvergnügen...


© Parden

von: Carlos Ruiz Zafón
von: Ken Follett
von: Marlen Haushofer
 

Beliebteste Beiträge in diesem Forum