Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben. Kaufen
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Es gibt sie, diese gesellschaftlichen Paralleluniversen, nur einen Steinwurf von der normalen Welt entfernt und doch so schwer zu begreifen wie die Zivilisation eines fremden Sterns. Philipp Winkler hat mit seinem Romandebüt „Hool“ so ein Paralleluniversum beschrieben.
Die Geschichte einer Gruppe von Hooligans aus der Nähe von Hannover erzählt einer von ihnen, Heiko Kolbe. Er ist Anfang 20, hat keinen Schulabschluss, keine Ausbildung, und vor allem keine Perspektive. Geld verdient er bei seinem Onkel Axel, der ein Fitnessstudio betreibt, in dem sich zwielichitige Gestalten aus dem Drogenhändlermilieu die Klinke in die Hand geben. Axel ist es auch, der die sogenannten Matches organisiert.
Matches sind im Grunde nichts anderes als verabredete und extrem brutale Massenschlägereien zwischen Gruppen aus verschiedenen Städten. Es gibt beispielsweise die Natzen, die Ultras und eben die Hools, die sich gegenseitig krankenhausreif prügeln. Zu diesen Schlägereien fahren sie gemeinsam und so selbstverständlich wie andere Gleichaltrige mit ihrer Fußballmannschaft zum wöchentlichen Freundschaftsspiel. Immer geht es um die Ehre. Um die Ehre von Hannover, um die Ehre der Fußballmannschaft Hannover 96. Absurderweise gibt es für diese Gewaltorgien einen strikten Ehrenkodex, so als würde es sich um eine olympische Disziplin handeln, bei der unter allen Umständen auf Fair Play zu achten ist. So dürfen keine Messer zum Einsatz kommen, auf Verwundete, die am Boden liegen, darf nicht mehr eingetreten werden.
Warum aber wählt jemand überhaupt diese destruktive Welt für sich? Und warum arrangiert sich jemand so lange mit dem Tanz am Abgrund? Winkler gibt eine ziemlich eindeutige Antwort darauf. Es ist das Verständnis und die Loyalität der Gruppe, das Gefühl irgendwo dazuzugehören und gebraucht zu werden, die als Belohnung für die lebensbedrohlichen Schlägereien winken. Wahrscheinlich funktionieren nach diesem Muster auch Neonazi- und ähnliche Gruppierungen.
Hool ist kein schönes Buch im Sinn einer erbaulichen Geschichte. Eher ist es eine Sozialstudie in Romanform, aber eine, die nachhallt und deren Bilder lange im Kopf nachwirken.
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