Rezension Rezension (5/5*) zu Die Nacht mit Nancy von Wilson Collison.

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Nacht mit Nancy von Wilson Collison
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Eine unvergleichliche Nacht

Inhalt

Im Landhaus der Hanleys schrecken die Bewohner und ihre Gäste nachts auf - ein Schrei ertönt kurz nach Mitternacht. Als Mrs. Hanley im Gästezimmer, das von der im Negligé bekleideten jungen, hübschen Dame Nancy belegt ist, erscheint, findet sie dort drei Männer im Pyjama vor. Nancy behauptet von einer Hand, die ihr Gesicht berührt habe, geweckt worden zu sein.

Anfang der 30er Jahre, an der Ostküste der USA, ist dies ein Skandal - eine sexueller Delikt.

Unter den Gästen sind Mr. und Mrs. Foster sowie das Ehepaar Martin und der junge Anwalt Jimmie Landon, der mitten in der Nacht, unmittelbar nach der Tat, von Mrs. Hanley beauftragt wird, ein Kreuzverhör durchzuführen.

Der Roman spielt nur in dieser einen Nacht im Wohnzimmer des Landhauses - es ist eine Nacht mit Nancy.




"Mrs. Hanley stand in der Mitte des Zimmers und starrte wütend zu Nancy herüber, die auf einem kleinen Sofa lag und ihren hübschen Kopf auf ein paar Kissen gebettet hatte. Sie trug ein blassgrünes, pelzbesetztes Negligé, unter dem keck ein Nachthemd in noch hellerem Grün hervorschaute." (S.5)




Die Situation erinnert ein wenig an den "Orient-Express", alle sind eingeschlossen und dem Ermittler ausgeliefert. Als Leser/in erlebt man minutiös mit, wie der Fall gelöst wird.




Die Hausherrin, die selbst in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und über ihren Ehemann denkt, es wäre besser gewesen, "wenn Christopher vor zwei Jahren gestorben wäre, als er einen Herzinfarkt hatte" (S.67), hat nur einen Wunsch, "Nancy eine Lektion zu erteilen und den Mann bloßzustellen, der ihre Gastfreundschaft ausgenutzt und versucht hatte, eine Liaison in einem ihrer Schlafzimmer anzufangen." (S.68)

Nancy hingegen bleibt vollkommen entspannt, sie flirtet ungeniert mit dem smarten Anwalt, der ebenfalls ein offenkundiges Interesse an der hübschen, verführerischen Schönheit hegt.




"Wenn er (Jimmie) nicht so grundsätzlich an Nancy interessiert gewesen wäre, hätte er sich mit Sicherheit niemals auf diese absurde Untersuchung eingelassen, die auch etwas Lächerliches an sich hatte. Aber er glaubte, dass Mrs. Hanley absichtlich geplant hatte, Nancy einen Skandal anzuhängen." (S.152)




Im Verlaufe des Verhörs stellt sich heraus, dass fast keiner der Anwesenden zu Beginn die Wahrheit gesagt hat, fast alle verbergen ein Geheimnis. Auch der Butler des Hauses, Phipps, ist nicht der, der er zu sein scheint und avanciert zu einer wichtigen Figur beim Lösen des Falls, der am Ende mit einer unerwarteten Pointe verblüfft.




Bewertung

Ein umwerfender Roman, spannend, überraschend, witzig und erzähltechnisch interessant.

Immer wieder ergeben sich überraschende Wendungen und neue Informationen, die die Spannung trotz des zeitdehnenden Erzählens bis zum Ende des Romans aufrechthalten.




Schritt für Schritt schauen wir hinter die Fassade der scheinbar prüden Gesellschaft, die sich über die offensiv auftretende, emanzipierte Nancy, die unverblümt ihre Sexualität zur Schau stellt, empört.

Und am Ende sind diejenigen, die von den anderen verurteilt werden, die Einzigen, die eine "reine" Weste haben und die Sittenstrengen vorführen.




Ein herrliches Lesevergnügen!








 

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