Rezension Rezension (4/5*) zu Bühlerhöhe von Brigitte Glaser.

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
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Wiedergutmachung

Im Sommer 1952 wird Rosa Silbermann, die mit ihrer Schwester dem Naziregime entfliehen konnte und sich im Kibbuz ein neues Leben aufbauen wollte, zurück nach Deutschland geschickt. Als Gast getarnt soll sie im Hotel Bühlerhöhe dabei helfen, einen Anschlag auf den Bundeskanzler zu verhindern. Adenauer, der dort Urlaub machen will und sich einer Frischzellenkur unterziehen. Es heißt, der Israelisch Irgun wolle das geplante Wiedergutmachungsgesetz durch diesen Anschlag verhindern. Und so soll Rosa als jüdische Agentin den deutschen Kanzler vor einem jüdischen Attentäter schützen helfen. Wie eine Gegenspielerin Rosas wirkt die Hausdame Sophie Reisacher, die aber ganz eigene Ziele verfolgt und dabei vor keiner Bespitzelung halt macht.

Zwei Frauen wie sie kaum unterschiedlicher sein könnten. Sophie Reisacher, beruflich mitten im Leben stehend hat sie sich nach dem Krieg eine Position geschaffen. Als Hausdame führt sie das Regiment über die Bühlerhöhe. Ihr Ziel ist es, ihre Existenz zu sichern. Eine gute Heirat darf es gerne sein. Rosa Silbermann, die durch die Nazis außer ihrer geliebten Schwester alles verloren hat, möchte von Deutschland nichts mehr wissen. Als Kind allerdings hat sie die Ferien hier verbracht und ihre Ortskenntnis soll dem weiteren Agenten dienlich sein, auf den sie wartet. Viel lieber wäre Rosa allerdings in Israel geblieben, um beim Aufbau dieses jungen Staates ihre Frau zu stehen.

Vor der Kulisse des Schwarzwaldes ist es Brigitte Glaser gelungen, ein beeindruckendes Bild der frühen 1950er Jahre in Deutschland zu zeichnen. Der Krieg ist vorbei und die schwersten Nachkriegsjahre sind überstanden. Die Kriegsgeschehnisse und die unsäglichen Greueltaten, die man den jüdischen Mitbürgern angetan hat, werden am liebsten verdrängt. Das Wiedergutmachungsgesetz findet keine ungeteilte Zustimmung. Und nun soll der Kanzler ausgerechnet von jüdischen Agenten beschützt werden. Wunderbar vielschichtig wird den handelnden Personen Leben eingehaucht. Da sind die einzelnen Schicksale, da ist die Stimmung im Lande, die Kleinbürgerlichkeit und auch die erste kleine Rebellion, die kleinen Genüsse der noch neuen Meinungsfreiheit. Die Vergangenheit ist noch längst nicht überwunden und dennoch will und muss man in die Zukunft schauen.

Das alles verpackt in einen geschichtlichen Spannungsroman, genau die richtige Mischung aus Agententhriller und Darstellung des Zeitgeschehens. Ausgesprochen lesenswert.
4,5 Sterne