Rezension Rezension (5/5*) zu Der Seidenspinner: Roman (Die Cormoran-Strike-Reihe, Band 2) von Robert Galbra.

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
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Bombyx mori...

Bombyx mori ist der lateinische Name des Seidenspinners oder auch Maulbeerspinners, eines ursprünglich in China beheimateten Schmetterlings, dessen Raupen schon seit langem für die Erzeugung von Seidengarn genutzt werden. Aber nein, das hier wird jetzt keine wissenschaftliche Abhandlung. Bombyx mori ist eben auch der Titel des neuesten Romans des nicht sonderlich erfolgsverwöhnten Autors Owen Quine - und eben jener Autor scheint verschwunden zu sein. Seine Frau Leonora, unscheinbar und verhuscht, wendet sich an den Privatermittler Cormoran Strike und bittet ihn, ihren Mann zu finden. Der weiß erst nicht so recht, was er davon halten soll, denn schließlich ist Quine für seine Eskapaden bekannt - immer schon ist er phasenweise für einige Tage oder Wochen verschwunden, um sich vom Alltag und Familienleben zurückzuziehen, dann aber stets freiwillig wieder aufgetaucht. Weshalb also mit der Suche beginnen? Doch Leonora tut ihm irgendwie leid, und so beginnt Cormoran zu ermitteln.

Dass hier etwas anders ist als bei den üblichen Auszeiten Quines, merkt Cormoran spätestens, als er dessen Leiche übelst zugerichtet in einem alten Haus aufspürt. Für die Polizei ist rasch klar, dass nur die Ehefrau des Autors als Täterin in Frage kommt, doch Strike hat daran große Zweifel. Obwohl der Roman Quines nicht verlegt wurde, spricht die ganze Autoren- und Verlagsszene Londons von diesem Buch: skandalträchtig scheint ein noch zu geringes Wort für Bombyx mori. Als Strike sich ein Exemplar besorgen kann, erkennt er, dass jeder, der in London etwas mit Verlagen oder dem Schreiben von Büchern zu tun hat, in diesem Roman bloßgestellt wird, aber auch Menschen aus dem privaten Umfeld des Autors. Es gibt also viele, die ein Motiv hatten, Quine zum Schweigen zu bringen - und die Inszenierung seines Todes weist große Parallelen zur Handlung in seinem Buch auf. Wer ist also der wahre Täter?

Fast 700 Seiten lässt Robert Galbraith alias Joanne K. Rowling sich Zeit, um diesen Krimi zu erzählen. Und sie war wieder in bester Erzähllaune. Geduldig, fast liebevoll beschreibt sie ihre Figuren, angefangen bei dem 36jährigen Cormoran Strike, der nach einer Beinamputation aus der Armee ausscheiden musste und sich seither als Privatermittler verdingt. Seit seinem ersten großen Fall ('Der Ruf des Kuckucks') ist er in London und den Medien recht bekannt und kann sich über einen Mangel an lukrativen Aufträgen nicht beklagen. Doch hängt sein Herz nicht an der Beweisführung gegen untreue Ehemänner, sondern die Unschuldigen sind es, denen er wirklich zu helfen wünscht. Und so lässt sich Strike überhaupt nur auf diesen Fall ein, der ihm finanziell kaum etwas einbringen wird. Aber auch Robin Ellacott, Strikes Assistentin, gewinnt hier zunehmend an Substanz - immer mehr wird deutlich, weshalb sie überhaupt die unterbezahlte Stellung in der Detektei angenommen und später auch beibehalten hat, obwohl sie besser bezahlte Stellen hätte haben können. Sowohl ihrem Verlobten als auch Cormoran Strike selbst gegenüber macht sie schließlich deutlich, was sie eigentlich möchte. Und ihre Hilfe kann der Detektiv auch in diesem komplizierten Fall wirklich gut gebrauchen.

Der eigentliche Fall ist durch die Vielzahl der Personen und Motive unglaublich komplex und undurchsichtig. Eitle Autoren, gierige Agenten und bornierte Verleger gehören ebenso zu den Verdächtigen wie das private Umfeld des ermordeten Owen Quine, und Strike quält sich mehr als einmal im Schneematsch mit seiner Beinprothese zu den zu befragenden Personen. Ein flüssiger Schreibstil und interessante Dialoge sorgen trotz der Länge des Romans für eine kurzweililge Unterhaltung, und trotz der oftmals verstörenden Ausschnitte aus dem Buch des Toten habe ich jede einzelne Zeile genossen. Einen intelligenten Krimi mit viel Lokalkolorit hat Galbraith / Rowling da geschrieben. Bis kurz vor Schluss ahnte ich nicht, wer nun der Mörder des übel zugerichteten Skandalautors war - und selbst ein fulminanter Showdown fehlt hier nicht.

Alles in allem ein überzeugender, spannender und interessanter Krimi, der mit Seitenhieben auf die Buchbranche nicht spart und in jedem Fall neugierig werden lässt auf die kommenden Fälle für Cormoran Strike und Robin Ellacott...



© Parden