Rezension Rezension (4/5*) zu Die Sommer mit Lulu: Roman von Peter Nichols.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Sommer mit Lulu: Roman von Peter Nichols
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Mallorquinisches Drama

Wie eine Naturgewalt verliebten sich Lulu und Gerald 1948 und in ihren Flitterwochen bei einem Segeltörn im Mittelmeer, endete die Ehe abrupt. Das Schicksal verschlug beide später nach Mallorca, eine von Fremden damals kaum besuchte Insel und nie wieder, bis zu ihrem gemeinsamen Tod 2005, wechselten die Beiden nochmal ein Wort. So nah sie auch beieinander lebten, so unversöhnlich und fern waren sich Lulu und Gerald.
Der Roman lebt vom ungewöhnlichen Stilmittel der rückwärts angelegten Chronologie. So lernen wir Lulu und Gerald als 80jährige kennen und gehen in Etappen ihr Leben zurück. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Spannung und Faszination, da sich viele Begebenheiten und Handlungen erst aus Rückblenden logisch erschließen. Verbunden sind aber ihre Kinder, jeweils vom zweiten Ehepartner, Luc und Aegina, die sich ihr ganzes Leben kennen und viele Sommer gemeinsam auf Mallorca verbrachten, die sich sogar lieben, ohne dass sie zueinander kommen oder es sich eingestehen können. Es ist die unversöhnliche Lulu, die leidenschaftlich ihr Leben dem Hass auf Gerald widmet. Man könnte vielleicht sogar sagen, dass ihr Hass sie nährt und vital erhält, während Gerald mit Trauer und Sehnsucht seiner ersten Liebe gedenkt. Er hat den Bruch nie verstehen können und hatte nie die Möglichkeit sich zu erklären.
In konventioneller Erzählweise geschrieben, wäre es keine große Geschichte, die gescheiterte Liebe zweier Menschen und die Folgen bis in die dritte Generation. Es wäre eher langatmig, auch wenn es erstaunlich ist, die Wandlung der Insel Mallorca vom rückständigen Refugium einiger exzentrischen Engländer bis zur Touristenhochbuch der 2000er Jahre mitzuerleben. So aber interessierte mich vor allem das Ende des Romans, weil ich natürlich wissen wollte, welches katastrophales Unglück im Mittelmeer den Liebenden widerfuhr, dass es einen solch lodernden Hass auslösen konnte, der Lulu 50 Jahre später nicht mal vor sexuellen Übergriffen auf den Enkel Geralds zurückschrecken lässt. Wobei in meinen Augen eher Luc und Aegina die tragenden Figuren des Buches sind. Sie sind es auch, denen meine Sympathie gehört und deren Geschichte ich am interessantesten fand.
Der Roman ist eine anspruchsvolle, doch unterhaltende Sommergeschichte, die mit ein Leichtigkeit und Stilsicherheit 60 Jahre Revue passieren lässt. Vom verhaltenen Beginn des Tourismus, bis hin zur unvermeidlichen Hippiereise nach Marokko und dem elenden Bauboom an den malerischen Küsten des Mittelmeeres, es ordnet sich alles logisch in diesen Roman ein, der auch mit seinen toll und lebendig beschriebenen Personen fesselt.