Rezension Rezension (4/5*) zu Beim Leben meiner Schwester: Roman von Jodi Picoult.

Janine2610

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9. Mai 2016
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janine2610.blogspot.co.at
Buchinformationen und Rezensionen zu Beim Leben meiner Schwester: Roman von Jodi Picoult
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Bei Krebs gibt es keine ›sicheren Angelegenheiten‹.

Einige von euch werden den Film »Beim Leben meiner Schwester« (mit Cameron Diaz verfilmt) vermutlich schon kennen. Dies ist die Buchvorlage dazu, und auch ich habe die Verfilmung bereits gesehen. Weil ich aber gesagt bekommen habe, dass die Handlung im Buch ganz anders sein soll, wollte ich mir selbst ein Bild vom Geschriebenen machen.
Was ich nun dazu sagen kann: Die Haupthandlung des Buches stimmt mit der im Film völlig überein, die Nebenhandlungen im Buch wurden im Film allerdings einfach weggelassen - man hat sich darin wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert. Aber das Ende, und das ist eigentlich das wichtigste an der ganzen Geschichte, denn darauf läuft eben alles hinaus ... Das Ende ist im Buch komplett anders als im Film, und das hat mich echt überrascht und mit offenem Mund zurückgelassen ...

~ Wenn du eine Schwester hast und die stirbt, sagst du dann nicht mehr, dass du eine hast? Oder bist und bleibst du eine Schwester, auch wenn der andere Teil der Gleichung verschwunden ist? ~

(S. 165)

Die Thematik des Buches ist ziemlich bedrückend, aber auch brisant: Ein wenig erfährt man davon ja schon aus dem Klappentext, aber ich versuche es noch einmal kurz in meinen eigenen Worten zusammenzufassen: es geht um Anna, ein 13-jähriges Mädchen, das sich entweder für sich und somit für den Tod ihrer Schwester Kate, oder aber gegen sich selbst und damit automatisch für das Weiterleben ihrer Schwester entscheiden muss.

Ich kann in dem Fall den Wunsch der Eltern, dass Anna weiterhin für Kate lebensrettende Flüssigkeiten spenden soll, sehr gut verstehen, schließlich geht es für Kate um Leben und Tod, aber auch Annas Seite verstehe ich mehr als gut. Für die jüngere Schwester ist ein Leben, in dem sie ständig für ihre Schwester zur Verfügung stehen und als Ersatzteillager herhalten muss, auch kein leichtes Los. Ich wüsste nicht wirklich, wie ich mich an Annas Stelle entscheiden würde, das ist schon echt hart und ich bin sehr froh darüber, dass ich nicht in so einer Situation stecke.

~ Dieses Mädchen verliert entweder seine Schwester, denke ich, oder es verliert sich selbst. ~
(S. 134)

Ich "musste" das alles also nur lesen und durfte die Gedanken und Handlungen der Protagonisten gebannt mitverfolgen, und musste nicht selbst in so einer prekären Lage Entscheidungen treffen.
Die Kernfrage in diesem Buch lautet hier: Was ist moralisch richtig und was falsch? Es steht unter anderem eine Gerichtsanhörung im Mittelpunkt, in der darüber entschieden werden soll, ob die 13-jährige Anna ab nun selbst über ihren Körper in medizinischen Belangen entscheiden darf.

Ich konnte Annas Entscheidung, dieses Gerichtsverfahren anzustrengen, gut verstehen, denn die Autorin lässt auch immer wieder Gespräche und Szenen in dem Buch auftauchen, in denen Anna sich in Gegenwart ihrer Eltern wie Luft gefühlt hat, ... aber ich habe trotzdem nie daran gezweifelt, dass Anna von ihren Eltern genauso sehr geliebt wird, wie die todkranke Kate. Ich denke, das hat die Autorin schon bewusst so anklingen lassen, damit man nicht auf den wahren Grund kommt, weswegen Anna all das geplant hat ...

~ Denn anders als der Rest der freien Welt bin ich kein Zufallsprodukt. Und wenn eure Eltern euch aus einem bestimmten Grund bekommen haben, dann ist zu hoffen, dass es den Grund noch gibt. Denn sobald er sich erledigt hat, seid ihr es auch. ~
(S. 12)

Wie gesagt: Es ist keine leichte Thematik, es geht um eine seltene Form der Leukämie, es geht ums Sterben, ums Überleben, um Rettung und um Selbstbestimmtheit. - Es geht vor allem darum, was all das in einer Familie anrichten kann.

Es wird kapitelweise abwechselnd aus der Sicht eines anderen Fitzgerald-Familienmitglieds und zusätzlich aus der Sicht von Annas Anwalt Campbell und der Verfahrenspflegerin Julia erzählt. Zwischendrin gab es auch manchmal Zeitsprünge in die Vergangenheit. - Ich fand diesen dauernden Charaktere-Sichtwechsel und die Zeitsprünge erst noch schwierig bzw. störend beim Lesen, habe mich aber glücklicherweise schnell daran gewöhnt und dann keine Probleme mehr gehabt.

~ In meiner Familie ist es eine traurige Gewohnheit, dass wir nicht das sagen, was wir sagen sollten, und das, was wir sagen, nicht so meinen. ~
(S. 108)

Abschließend möchte ich noch sagen, dass mich das Buch, gerade zum Ende hin, ziemlich mitgenommen hat, denn da passiert etwas, womit ich so gar nicht mehr gerechnet habe und die Anhörung, die Anna die ganze Zeit unbedingt wollte, im Grunde überflüssig gemacht hat. Aber mehr möchte ich an dieser Stelle nicht mehr verraten ... Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die zum Nachdenken über das eigene Dasein anregt und die wegen seiner Dramatik und den Gewissenskonflikten darin auf jeden Fall noch lange in meinem Kopf bleiben wird!