Rezension Rezension (4/5*) zu Die Prinzessin von Arborio: Roman von Bettina Balàka.

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Die Prinzessin von Arborio von Bettina Balàka
Kaufen >
Sympathie für eine Serienmörderin

"Für die einen war das Töten undenkbar, für die anderen war es machbar."

Ein erster Satz, der den Eindruck erwecken könnte, dass es sich bei dem Roman "Die Prinzessin von Arborio" von Bettina Balàka um einen Krimi oder Thriller handelt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Bettina Balàka schafft es in unvergleichlicher Art, Krimi-Elemente gekonnt mit denen einer Liebesgeschichte zu vermischen. Und am Ende kommt ein sehr unterhaltsamer und humorvoller Roman über eine männermordende "Prinzessin von Arborio" heraus.

Worum geht es in diesem Roman?
Elisabetta Zorzi ist attraktiv, beruflich erfolgreich und begehrt - und sie ist eine schwarze Witwe, wie sie im Buche steht. Kann ein Mann ihre Erwartungen nicht erfüllen, ist er seines Lebens nicht mehr sicher.
Die charmante Mörderin trauert gerade um Chuck, ihren jüngst verstorbenen Lebensgefährten, als sie von dem Kriminalpsychologen Arnold Körber überführt wird. Körber ist fasziniert von Zorzis Verbrechen - noch mehr aber von ihr selbst.... (Klappentext)

Zorzi ist eine Frau, die bei Männern scheinbar Beschützerinstinkte weckt. Dabei benötigt sie alles andere als Schutz. In erster Linie geht es ihr darum, einen Vater für ihre zukünftigen Kinder zu bekommen. Denn Zorzi träumt von einer glücklichen Familie. Nur leider hat Zorzi ein Männerproblem. Sie bindet sich an Männer, die sich früher oder später als weit entfernt von Zorzis Idealbild eines Mannes herausstellen. Ihr erster Mann - Bernhard - ließ solange an Zorzi schönheitschirurgisch herumschnibbeln, bis diese seinem Idealbild von einer Frau ungefähr entsprach. Der dominante Bernhard bestimmte ihr Leben, nahm Zorzi jegliche Eigenständigkeit und ließ sie bei jeder Gelegenheit spüren, dass sie ihm weit unterlegen ist.
Jürgen, dessen Interesse an Zorzi hauptsächlich an ihren finanziellen Möglichkeiten lag und der auch bei anderen Frauen nichts anbrennen ließ.
Und schließlich Chuck, zwangsneurotisch und Anabolika-abhängig - also auch nicht unbedingt der Mann, mit dem frau Kinder haben möchte.

"Männer waren für sie in ein Haus hineinverkapselte, betonartig angeklebte Wesen, das Äquivalent eines Wespennests. Man konnte nicht einfach sagen: Geh fort. Man musste es mit maximaler Vorsicht, Gründlichkeit und Schonungslosigkeit entfernen." (S. 21)

Alle Männer Zorzis haben eines gemeinsam. Als "Mann im Haus" wollen sie ihre vermeintliche Dominanz gegenüber Zorzi ausleben und sind der Überzeugung, mit Zorzi ein hübsches, gehorsames Frauchen am heimischen Herd stehen zu haben. Tja, falsch gedacht! Denn jedesmal, wenn Zorzi erkennt, dass es mit der glücklichen Familie nichts wird, entledigt sie sich des Problems auf ihre ganz spezielle Art und widmet sich dem nächsten Anwärter auf die Vaterrolle in ihrer glücklichen Familie.
Sie hat dabei keinerlei Skrupel oder Gewissensbisse. Zorzi scheint auch kein Schuldbewusstsein zu haben. Denn sie beseitigt ihre Männer mit einer Selbstverständlichkeit, mit der man sich sonst abgetragener Kleidung entledigt. Ihr Familienwunsch treibt sie an, die Männer sind nur Mittel zum Zweck. Insofern verwundert es sie fast, als man ihr auf die Schliche kommt.

Arnold Körber, Kriminalpsychologe und Buchautor, begleitet den Fall Zorzi von der Enthüllung der Morde bis hin zur Gerichtsverhandlung. Nach Zorzis Verurteilung besucht er sie regelmäßig im Gefängnis. Zorzi ist für ihn zunächst ein Studienobjekt: Eventuell lassen sich ihre Entwicklung zur Serienmörderin in einem nächsten kriminalpsychologischen Buch verwenden. Zwischen den beiden entwickelt sich ein vertrautes Verhältnis, das langsam intensiver wird. Körber gibt sich der Illusion hin, "seine" Zorzi mittlerweile genau zu kennen. Schließlich hat sie ihm einen tiefen Einblick in ihre Seele gewährt. Doch er unterschätzt ihre Wirkung auf Männer, der auch er erliegt. Und so sieht sich Körber in der Beschützerrolle für seine wunderbare, liebenswerte und zarte Zorzi, für die er alles tun würde. Nur blöd, dass sie ihm am Ende einen Strich durch die Rechnung macht.

"Als der Termin kam, war es einer der surrealsten Momente in Körbers Leben. Zwei Menschen wurden unter staatlicher Aufsicht zusammengebracht, um einen privaten, möglicherweise intimen Moment zu erleben. Sie wurden dabei bewacht, damit der eine dem anderen nichts zuleide tat. Sex wurde ermöglicht, Mord verhindert. Das Ganze erinnerte an jene Meeresschnecken, die sich erst dann paarten, wenn alle Versuche, einander zu töten, gescheitert waren." (S. 222)

Bettina Balàka bringt den Leser dazu, Sympathien für eine Serienmörderin zu entwickeln: die arme Zorzi will sich schießlich nur ihren Traum erfüllen, geliebt werden und hat dabei Pech mit ihren Männern. Die Prinzessin von Arborio wickelt also nicht nur ihre Männer um den Finger, sondern auch den Leser. Frau entwickelt ein hohes Maß an Schadenfreude, wenn der nächste Mann dem Irrglauben erliegt, Zorzi dominieren zu können und die Rechnung dafür kassiert. Na ja, zugegeben, die Männer in Balàkas Roman sind auch nicht unbedingt, die Hellsten ihrer Art;-)

"Und Zorzi? War nicht auch sie durch die Liebe in den Abgrund geführt worden? Sie hatte dieses Gefühl hochhalten wollen, heilig und unangetastet, aber jedes Mal hatten es die Objekte der Liebe beschädigt, banal gemacht und beschmutzt. Die Objekte der Liebe waren immer schnell bei ihr eingezogen, weil sie es ganz und richtig machen wollte ... Und dann waren die Objekte der Liebe da gewesen, machten es weder ganz noch richtig, entzauberten und ernüchterten die Atmosphäre, hielten sich nicht an den Pakt, der mit dem Wort 'Liebe' doch implizit geschlossen worden war." (S. 180)

Bettina Balàka beschreibt die Geschichte um Zorzi mit einer Leichtigkeit und einem sehr subtilen Humor, der diesen Roman zu einem Hochgenuss machen. Wer benennt seine Titelheldin schon nach einer Reissorte? Bettina Balàka macht es. Und das ist nur eines der vielen humoristischen Einlagen, die die Lektüre dieses Romanes so unterhaltsam machen.
Man könnte natürlich meinen, dass Leichtigkeit kombiniert mit Humor eine seichte Mischung ergeben. Weit gefehlt. Denn trotz Plauderton, entwickelt der Roman eine Tiefgründigkeit, die den Leser in ihren Bann zieht.

Daher mein Fazit: Großartige und intelligente Unterhaltung! Lesenswert!


© Renie


von: Bernie Rieder
von: Cynthia D'Aprix Sweeney
von: Nele Neuhaus
 
  • Like
Reaktionen: Momo und Tiram