Lesemontag 16.05.16

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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München
Unser nächster #lesemontag steht vor der Tür. Bei mir wird es diesmal "Am Beispiel meines Bruders" von Uwe Timm sein.
Buchinformationen und Rezensionen zu Am Beispiel meines Bruders von Uwe Timm
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Das liegt schon sehr lange bei mir im Regal. Es ist mal ein schönes kurzes Buch zwischendurch, bevor unsere Klassikerleserunde beginnt.

Und was lest ihr?
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Eine ganz normale Familie kurz nach dem Krieg. Normal in dem Sinn, weil es diese Familien in dieser Konstellation tausendfach gegeben hat. Eine seltsame Normalität. Der älteste Sohn gefallen, verheizt an der Ostfront. Tot mit 19. Freiwillig hat er sich zur Waffen-SS gemeldet. Aber was hat er genau gemacht? War er an Massakern beteiligt? Es gibt nur Andeutungen in den Briefen des Bruders. Letztlich ist es das beredte Schweigen, das so beklommen macht.

Die Familie verweigert sich der Auseinandersetzung. Das Thema ist tabu. Befehlsnotstand ist die pauschale Ausrede für alles. Wir haben zwar 1000 Frauen und kleine Kinder massakriert, wollten aber eigentlich nicht, können nichts dafür, haben nur auf Befehl gehandelt. Das ist die allgemeine Übereinkunft im Nachkriegsdeutschland, die auch nötig ist, damit die Handlanger des Schreckens unbehelligt Richter, Politiker, oder einfach wieder angesehene Bürger werden konnten. KZs? Böse Geschichte, diese KZ. Wollten wir auch nicht. Gab's die überhaupt? Und wenn, dann wusste man nichts.

Nein, sagt Uwe Timm bei der Aufarbeitung seiner eigenen Familiengeschichte. Man hätte etwas wissen können, wenn man denn gewollt hätte. Dass die jüdischen Nachbarn plötzlich verschwanden, das hat man gewusst. Und vor allem: es waren nicht nur "die da oben". Es ist diese kollektive Drückebergerei vor der Verantwortung, die Uwe Timm in "Am Beispiel meines Bruders" anhand einer einzelnen Familie beschreibt, seiner eigenen.

Und ja, der Bruder, "ein anständiger Kerl", ging freiwillig zur Waffen-SS. Aber damit entsprach er vielleicht nur den unausgesprochenen Erwartungen des Vaters und der Gesellschaft "seine Pflicht zu tun."
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Der Roman erzählt einerseits die Geschichte zweier junger Frauen, die sich in Norwegen zur Zeit der deutschen Besatzung in zwei Soldaten verlieben - also in den Feind. Eine Verbindung, die nicht toleriert wurde. Trotzdem folgen die beiden den Soldaten in eine größere Stadt und lassen sich auf eine Beziehung ein. Im Mittelpunkt steht die junge Lisbet, die den sympathischen Soldaten Erich aus der Eifel liebt. Als sie bemerkt, dass sie schwanger ist, wird er an die Ostfront versetzt.
Parallel zu dieser Geschichte wird die der jungen Vollwaisin Marie entfaltet, die 2005 in Wiesbaden in einem Altenheim ihr FSJ absolviert. Den Ort hat sie gewählt, da ihre Mutter ein Foto des Hauses aufbewahrt hat. Dort trifft Marie auf Betty, eine resolute alte Dame aus Norwegen (!); und freundet sich mit ihr an. Es stellt sich heraus, dass das Haus im 3. Reich ein Lebensbornheim gewesen ist. Dort scheinen Maries Wurzeln zu liegen.
Ein interessanter Roman, der aufgrund der beiden sich abwechselnden Erzählstränge spannend ist. Lediglich die Sprache ist mir persönlich teilweise zu trivial. Aber die Geschichte trägt, bin gespannt, wie es weitergeht.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Remember Mia von Alexandra Burt
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Damit habe ich gerade im Rahmen einer Leserunde begonnen und bin sehr gespannt. Ein Thriller mit etwas durchwachsenen Bewertungen, mal sehen, zu welchem Schluss ich komme...

Bislang ist alles noch reichlich wirr: Estelle, eine junge Frau, erwacht nach einem schweren Unfall im Krankenhaus und kann sich an fast nichts erinnern. Warum war sie an dem Unfallort (sie war nie zuvor dort), wer hat auf sie geschossen (oder war sie es gar selbst?), was ist überhaupt geschehen? Und plötzlich fällt ihr ein, dass ihre 7 Monate alte Tochter Mia spurlos verschwunden war. Über Nacht, aus der verschlossenen Wohnung. Und nicht nur das: auch alle Sachen, die dem Baby gehörten, bis hin zur schmutzigen Windel aus dem Mülleimer, sind weg. Entführt? Oder leidet Estelle an Aussetzern und hat etwas getan, dass sie nicht wahrhaben will? Die Polizei scheint das jedenfalls zu glauben, und auch Estelle ist sich nicht sicher. Die Beschreibung der Zeit mit ihrer Tochter weist zumindest auf eine hochgradige postpartale Depression hin. Und nun hat sie auf Drängen ihres Mannes (Anwalt) unterschrieben, dass sie sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik begeben wird, die sie aber nicht auf eigenen Wunsch wieder verlassen kann. Auch wenn der Mann ein vermeintliches Alibi für die Nacht des Verschwindens seiner Tochter hat, bleibt bei mir der Eindruck, er könne etwas damit zu tun haben. Mal sehen, was wirklich dahinter steckt - und ob das Kind noch lebt.
 

Buchplauderer

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25. Januar 2015
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Ich habe meinen Bambaren ausgelesen:

Gewohnt poetisch erzählt Sergio Bambaren, wie es ihm gelungen ist, die Hektik und das Kommerzdenken unserer heutigen Zeit hinter sich zu lassen und sein eigenes Paradies zu schaffen!

Aber ich lasse ihn selber sprechen:

"Finde den Rahmen, und male deinen Traum mit den Farben der Natur und mit viel Liebe! Bewahre dir tief im Herzen immer deinen Traum, denn was du nicht berühren kannst, kannst du auch nicht zerstören!"
 
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Reaktionen: Renie und Querleserin

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Buchinformationen und Rezensionen zu Am Beispiel meines Bruders von Uwe Timm
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[zitat]Hiermit schließe ich mein Tagebuch, da ich für unsinnig halte, über so grausame Dinge, wie sie manchmal geschehen, Buch zu führen.[/zitat]
Das sind die letzten Worte des Bruders von der Front im Osten, wo er für die Waffen-SS kämpft. Einmal sagt er beiläufig und sinngemäß: "Sie (die Dorfbewohner) waren nett zu uns. Aber sie wussten noch nicht, dass wir von der SS waren."
Es sind diese Anmerkungen, die bedrücken und die den Verdacht nahelegen, dass da doch diese Gräueltaten geschehen sind.

Aber es ist nicht nur die Geschichte des Bruders, die dieses Buch von Uwe Timm so beeindruckend macht. Es sind die vielen Begebenheiten, die beiläufig erzählten Monstrositäten, die der Autor zusammen trägt. Und lang muss er nicht suchen. Da ist der Kürschner aus dem Ausbildungsbetrieb, der ebenfalls im Osten an der Front war und ganz offen erzählt, dass er zwei gefangene russische Soldaten, die er zum Sammelplatz führen sollte, zur Flucht ermunterte, nur um sie dann hinterrücks zu erschiessen. Rechtfertigung: sie wären im Gefangenenlager ohnehin verhungert.
 

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