Irgendwo in einer großen Stadt, in Westeuropa. Ein kleines Mädchen kommt auf den Markt, hat Hunger. Sie versteht kein Wort der Sprache, die man hier spricht. Doch wenn jemand „Polizei“ sagt, beginnt sie zu schreien. Woher sie kommt? Warum sie hier ist? Wie sie heißt? Sie weiß es nicht. Yiza, sagt sie, also heißt sie von nun an Yiza. Als Yiza zwei Jungen trifft, die genauso alleine sind wie sie, tut sie sich mit ihnen zusammen. Sie kommen ins Heim und fliehen; sie brechen ein in ein leeres Haus, aber sie werden entdeckt. Michael Köhlmeier erzählt von einem Leben am Rande und von der kindlichen Kraft des Überlebens – ein Roman, dessen Faszination man sich nicht entziehen kann.Kaufen
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Das Mädchen mit dem Fingerhut ist eines der auf sich allein gestellten Kinder, die irgendwie zu überleben versuchen. Yiza, sie nennt sich so, weil sie ihren Namen nicht kennt, hat immer mal wieder einen „Beschützer“ so wie Onkel Bogdan, der sie zum Betteln schickt, oder einige Frauen, für die sie in Müllcontainer klettert und die guten Sachen herausfischt. Sie verliert Bogdan, lebt allein auf der Straße, wird aufgegriffen, kommt in ein Heim und wäre fast geborgen, wenn sie da nicht auf Schamhan trifft, der ihre Sprache spricht und sie flieht zusammen mit ihm und Arian aus dem Heim. Sie leben von Betteln und Stehlen, kennen Hunger und Kälte, schlafen im Wald oder in Scheunen. Vermutlich kommen sie aus dem Südosten, Balkan wäre eine Möglichkeit und das Schicksal hat sie in eine westliche Großstadt gespült.
Köhlmeier berichtet ganz emotionslos und distanziert von diesen Schicksalen, die es häufiger gibt, als man sich denkt. Dadurch wird diese kleine Geschichte viel eindringlicher, denn jeder Leser selbst wird die Bilder im Kopf haben. Die Kälte ist nicht nur der Jahreszeit geschuldet, Kinder wie Yiza bleiben oft unsichtbar, unser Blick gleitet über sie hinweg. Das Leben auf der Straße wird sie prägen und die kühle Distanz der Menschen. Es wird Yiza auch nicht gelingen Vertrauen aufzubauen, deshalb zieht sie die Flucht mit Schamhan und Arian der Sicherheit und Wärme des Kinderheims vor.
Köhlmeiers Buch ist nur schmal vom Umfang, aber gewichtig im Inhalt. Das Schicksal der Kinder, von denen Yiza nur eines ist - man denke nur an die augenblickliche Flüchtlingsdebatte, die die Not der Balkanländer fast völlig ausblendet – bekommt hiermit eine eindringliche Stimme.
Ein Wort nur zum Umschlag, große, melancholische Augen blicken ins Leere. Ich finde, das setzt den Inhalt sehr schön um.
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