Rezension Rezension (5/5*) zu Die Zelle: Thriller von Jonas Winner.

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.355
10.657
49
49
Wahnsinn in C-Dur

Die Zelle von Jonas Winner ist im Knauer Verlag erschienen

Sam Grossman, Samy genannt, ist elf Jahre alt, als er mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder Linus nach Berlin zieht. Die Jugendstilvilla, in der sich die Familie niedergelassen hat, verfügt über ein großes Grundstück. Der perfekte Zeitvertreib für einen Jungen.
Als Sammy eines Tages seinen Vater beobachtet, wie er in einer abgelegenen Hütte des Grundstücks verschwindet, verfolgt dieser ihn. Sammy macht dabei eine grausige Entdeckung. Die Hütte ist ein alter Zugang zu den Luftschutzbunkern, ein weitläufiges Geflecht von Tunneln zieht sich unter der Erde entlang. Sammy entdeckt dort in einer Zelle ein eingesperrtes asiatisch aussehendes Mädchen. Es ist total verängstigt. Für Sammy gibt es nur eine logische Erklärung, sein Vater muss sie dort eingesperrt haben.
Aber welcher treusorgende Familienvater würde so etwas tun? Als Sammy nach einigen Tagen zurückkehrt zu der Zelle, ist das von ihm auf Joki getaufte Mädchen, verschwunden.....

Die Zelle ist ein ganz besonderer Thriller. Er kommt mit wenig blutigen Szenen aus. Das Grauen liegt hier eher woanders. Sammy ist schockiert über die vermeintliche Tat seines Vaters. Dennoch merkt man, dass er in seiner kindlichen Naivität denkt, dass sein Vater doch zu so etwas nicht fähig ist. Zermürbt von Selbstvorwürfen, dass er seinem Vater so etwas schreckliches überhaupt zutraut.
Sammy steigert sich so sehr in die Geschichte herein, dass dem Leser die Wahl bleibt zwischen Wahn und Realität zu entscheiden. Das Ende ist überraschend, aber alles fügt sich zu einem stimmigen, wenn auch erschreckendem Ende. Wir alle wissen wozu die menschliche Psyche fähig ist, was aus kranken Menschen werden kann. Aber Jonas Winner schafft es, dies alles so gekonnt in Szene zu setzten, dass der Alptraum im eigenem Wohnzimmer statt findet.

Die Charaktere, allen voran Sam, haben mich voll überzeugt. Die Geschichte, die vom nun 20 Jahre älteren Sam Grossman, erzählt wird, lebt durch dessen Eindrücke, die er sehr gut wiedergibt.
Der Vater und die Mutter, sowie Bruder und Au-Pair Mädchen Hannah, nehmen durch Sams Augen für den Leser Gestalt an. Man kann sich also nie sicher sein, was ist Realität oder kindliche Eingebung. Und gerade dieser Zweifel, ließ mich die Geschichte oft hinterfragen, wieder aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Der Thriller bescherte mir einige nervenaufreibende Stunden die ich nicht missen möchte. Das einzige, was ich Jonas Winner hier an dieser Stelle ankreiden muss, ist folgendes: ich werde nie wieder unbedarft an einen Fleischwolf denken können.

von: Henning Mankell
von: Julia Phillips
von: Gwendolyn Brooks
 

Beliebteste Beiträge in diesem Forum