Irgendwo in einer großen Stadt, in Westeuropa. Ein kleines Mädchen kommt auf den Markt, hat Hunger. Sie versteht kein Wort der Sprache, die man hier spricht. Doch wenn jemand „Polizei“ sagt, beginnt sie zu schreien. Woher sie kommt? Warum sie hier ist? Wie sie heißt? Sie weiß es nicht. Yiza, sagt sie, also heißt sie von nun an Yiza. Als Yiza zwei Jungen trifft, die genauso alleine sind wie sie, tut sie sich mit ihnen zusammen. Sie kommen ins Heim und fliehen; sie brechen ein in ein leeres Haus, aber sie werden entdeckt. Michael Köhlmeier erzählt von einem Leben am Rande und von der kindlichen Kraft des Überlebens – ein Roman, dessen Faszination man sich nicht entziehen kann.Kaufen
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Heimatlos und ohne Herkunft - so irrt ein kleines Mädchen durch die winterlichen Straßen einer nicht näher bezeichneten Stadt in Westeuropa. Nicht einmal einen Namen scheint sie zu haben, Yiza nennt sie sich selbst, hat niemanden zu dem sie gehört, eine Sprache zwar, doch keinen, der sie versteht. Sie versucht zu überleben, streift herum und stopft sich gierig in den Mund, was sie an Nahrung geschenkt bekommt, versucht sich an warmen Plätzen zu verstecken und wird schließlich von der Polizei aufgegriffen.
Doch was eine Chance sein könnte, da in dem kleinen Kinderheimeim mit der freundlichen Schwester, schläg Yiza in den Wind. Als ein großer Junge sie fragt, ob sie mit ihm und einem Freund kommen will, bejaht sie sofort - denn dieser Junge ist der einzige, der ihre Sprache spricht. Und so reißen die drei aus, mitten im Winter, ohne einen wirklichen Plan. Kälte, Hunger, Verzweiflung nagen an ihnen, doch sie sind zusammen. Die Menschen, denen sie begegnen, sind vereinzelt zu einer freundlichen Geste bereit, ansonsten übersehen sie die drei Kinder. Wohin mag der Weg führen?
In nüchterner, knapper Sprache und kurzen Sätzen, die die Sprachlosigkeit der verlorenen Kinder deutlich machen, hält Michael Köhlmeier unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, wie er aktueller nicht sein könnte. Vieles bleibt im Unklaren - wo die Kinder herkommen, weshalb sie ohne ihre Familie leben, in welchen Land sie sich befinden - und steht deshalb für die zahllosen Flüchtlingskinder, die derzeit in Westeuropa einströmen. Täglich wird in den Nachrichten auf diese Problematik hingewiesen, Politiker und alle, die es immer schon gewusst haben, diskutieren sich die Köpfe heiß - doch was hinter der Flucht des einzelnen steht, und gerade auch das Schicksal der Kinder: das geht in der Masse unter.
Trotz der Nüchternheit der Erzählung durchwebt eine leise Melancholie die Sätze, und das offene Ende lässt mich ein wenig ratlos zurück. Aber ist nicht auch das passend zur derzeitigen gesellschaftlichen Situation? Und sind letztlich nicht immer die Kinder die Leidtragenden?
© Parden
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