Rezension Rezension (4/5*) zu Zu richten die Lebenden von Erica Spindler.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Verwirrspiele...

New Orleans ist der Schauplatz der Geschichte, und es ist schon einige Jahre her, dass der Hurrikan Katrina dort gewütet hat. Die Folgen jedoch sind bis heute spürbar in der Stadt, und so manchen hat es dabei hart getroffen. Auch Mira Gallier, obwohl selbständig und erfolgreich in ihrem Beruf als Glaskünstlerin, leidet gegenwärtig noch unter den Geschehnissen, hat es sie doch nicht nur ihre damalige Werkstatt samt der dort gelagerten Kunstwerke gekostet, sondern auch das Leben ihres Mannes.

Die Auftragslage für Miras Werkstatt allerdings ist grandios durch die Folgen des Hurrikans. So viele Kirchenfenster sind dabei zu Bruch gegangen, dass Mira kaum hinterherkommt mit deren Restaurierung. Die Hilfe ihrer Assistentin Deni sowie von deren Freund Chris kann sie daher gut gebrauchen. Doch da erscheint plötzlich die Polizei bei ihr: gerade wieder von ihr eingesetzte Kirchenfenster wurden grob mit einem Bibelzitat beschmiert: "Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten". Und der Pfarrer der Kirche liegt ermordet vor dem Altar.

Bei diesem einen Mord bleibt es jedoch nicht, und schnell wird klar, dass alle Opfer auf irgendeine Weise einen Bezug zu Mira hatten. Eine eindeutige Spurenlage für Detective Spencer Malone und seine neue Partnerin Karin Bayle. Mira rückt in den Mittelpunkt der Ermittlungen... Dabei tut sich Detective Spencer Malone recht schwer mit seiner neuen Partnerin, obwohl er wirklich versucht, gut mit ihr zusammenzuarbeiten. Doch irgendwie will sich kein rechtes Vertrauen zwischen den beiden einstellen.


"Bayle hatte die Sozialkompetenz eines Pittbulls, befand Malone, und schaltete sich ein..."


Viel Zeit hat Malone allerdings nicht, über die merkwürdigen Spannungen zwischen sich und Bayle nachzudenken, denn die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen. Eindeutig treibt hier ein Serienmörder sein Unwesen, und ein wie auch immer gelagertes religiöses Motiv scheint den Morden zugrunde zu liegen.

Erica Spindler schafft hier ein grandioses Verwirrspiel mit ständig wechselnden Verdächtigen. Nach einem eher bedächtigen Einstieg nimmt der Thriller bei flüssigem und eingängigem Schreibstil an Fahrt auf und hält nicht nur die Polizei hübsch in Atem. Ein Mix voller Emotionen, Verwirrungen, Zweifel und zunehmender Spannung treibt den Leser zunehmend rasch durch die Seiten. Wie Mira kommt der Leser dazu, niemandem mehr zu vertrauen, denn nichts und niemand scheint zu sein, was man glaubte, das es sei. Unerwartete Ereignisse schleudern den Verdacht immer wieder in eine andere Richtung, und tatsächlich war ich mir bis kurz vor dem Ende nicht sicher, wer der Täter nun war.

Kleine logische Fehler in der Polizeiarbeit sowie die Tatsache, dass mir keine der Personen wirklich sympathisch war, sind kleine Mankos, die die Höchstwertung hier verhindern. Die wechselnden Perspektiven meist zwischen Mira einerseits und der Polizei andererseits haben mir dagegen gut gefallen, und auch die vereinzelt eingestreuten Kapitel aus der Sicht des (noch unbekannten) Täters haben ihre Wirkung nicht verfehlt.

Insgesamt ein Thriller, der mich gut unterhalten hat und den ich im letzten Drittel kaum noch aus der Hand legen mochte...


© Parden