Rezension Rezension (4/5*) zu Zerschunden: True-Crime-Thriller von Michael Tsokos.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Zerschunden: True-Crime-Thriller von Michael Tsokos
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Zerschunden

Michael Tsokos ist ein ausgewiesener Fachmann auf seinem Gebiet. Als Forensiker und Leiter eines Instituts für gerichtliche Medizin ist er geradezu prädestiniert seine Erfahrungen zu Papier zu bringen. Er tut das zusammen mit dem Schriftsteller Andreas Gößling in einem Thriller der sehr klug Fakten und Fiction mischt.
Es wechseln sich zwei Perspektiven ab: die eines offensichtlich psychisch gestörten Killers, ein Soziopath, der Lust und Befriedung aus seinen Morden zieht und die von Fred Abel, Gerichtsmediziner, Forensiker beim LKA und charistmatischem Ermittler. In den ersten 150 Seiten liest sich der Part des Fred Abel fast wie ein Sachbuch, die Ermittlungsarbeit, die Tätigkeitsfelder werden exakt und unaufgeregt beschrieben. Das hat eine ganz eigene Faszination und man spürt die enorme Sachkenntnis von Michael Tskokos. Die Täterperspektive, die bereits im Prolog 5 Jahre früher einsetzt, ist kalt und grausam, die Lust des perversen Täters am Quälen und Töten ist zu spüren. Dieser Part hat eine ganz eigene Faszination und ist für mich schwer erträglich.
Dann aber wird Fred Abel persönlich in einen Fall verwickelt und verlässt sein Institut und beginnt selbst zu ermitteln und nun nimmt die Geschichte Fahrt auf.
Eine alte Dame wird ermordet aufgefunden, die Leiche ist mit dem Schlagwort „Respectez Asia“ gekennzeichnet, Abels gelingt es aus Resten von Hautpartikeln den sogenannten Haplotyp isolieren. Eine grobe Zuordnung, aber der Computer spuckt tatsächlich eine Übereinstimmung aus. Lars Moewig, Abels Freund aus der gemeinsamen Bundeswehrzeit, der aber psychisch schwer gezeichnet aus dem Afghanistaneinsatz zurückkam und kaum mehr Fuss im Zivilleben fassen konnte. Der Verdacht erhärtet sich, als eine zweite Tote aufgefunden wird, getötet in London, nahe bei Heathrow und wieder war Lars Moewig zur Tatzeit vor Ort und hat kein Alibi. Moewig ist aggressiv, gestört und macht es Abels nicht leicht, Zugang zu ihm zu finden, der Kamerad von einst scheint kaum noch vorhanden. Trotzdem verbürgt sich Abels für seinen früheren Freund und wirft sämtliche Regeln und Vorschriften über Bord und jettet durch Europa um den wahren Täter zu finden. Der einzige Halt in Moewigs Leben ist seine Tochter Lilly, die allerdings mit fortgeschrittener Leukämie in der Charité liegt und ihren Vater noch einmal sehen möchte. Abels hat nicht viel Zeit Moewigs Unschuld zu beweisen.
Ab jetzt wird für mich die Figur des Fred Abels überzeichnet, er bekommt fast Superheldenzüge. Er kennt überall zufällig die richtigen Leute, bekommt überall sofort Zugang zu Akten und Behörden, die Nennung seines Namens reicht. Er findet Spuren und Hinweise, die erfahrenen Beamten verborgen blieben und zieht sofort die richtigen Schlüsse. Das er daneben noch gut aussieht, ein fast vorbildliches Eheleben führt, über Empathie, Witz und Esprit verfügt und ein breites Wissensspektrum hat ist fast selbstverständlich.
Aber das ist mein einziger Kritikpunkt. Tempo und Spannung stimmen, die Handlung wird forciert vorangetrieben, die Wechsel der Perspektive bauen noch mehr Psychothrill auf und der Leser, der mit Abel an Lars Moewigs Unschuld glaubt ( wenn ein Verdächtiger so stark in den Mittelpunkt gestellt wird, ist der im Roman meist unschuldig) wird lange auf die Folter gespannt.
Sehr geschickt das Ende des Romans, der bereits die Fortsetzung anreißt.

 

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