Rezension Rezension (5/5*) zu Etta und Otto und Russell und James: Roman von Emma Hooper.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Eine Reise ans Meer und in die Vergangenheit

Otto und Russell sind Freunde, fast wie Brüder in Kanada nach der großen Depression aufgewachsen. Die Verbundenheit hält ein Leben lang, auch als Etta ins Leben der Beiden tritt. Beide lieben sie, aber Etta heiratet Otto, als er aus dem 2. Weltkrieg zurückkehrt. Russell, seit seiner Kindheit durch ein lahmes Bein behindert, blieb als einer der wenigen Männer zu Hause und bestellt seine Farm. Er kümmert sich um Etta, ist ihr ein treuer Freund, vielleicht auch mehr.
Nun sind alle im Winter ihres Lebens angelangt und Etta beschließt nach Osten ans Meer zu gehen,eine lebenslange Sehnsucht zu stillen und gleichzeitig eine lange Wanderung gegen das Vergessen, das sie immer häufiger umfängt. Frühmorgens macht sie sich auf den Weg und Otto bleibt zurück. Er lässt sie ziehen, versteht ihren Wunsch und ist doch in jeder Minute in Gedanken bei ihr. Russell will sich nicht damit abfinden und will sie finden, sie zurückholen oder zumindest begleiten. Doch als er auf sie trifft versteht er, dass er seine eigene Reise antreten muss und Etta nicht zurückhalten kann.
Mit jedem Schritt geht Etta weiter in die Vergangenheit zurück, in Rückblenden zieht das Leben der drei Menschen vorbei. Unterwegs schließt sich ein Kojote der wandernden Etta an. Er wird ihr Gefährte, ihr Gesprächspartner auf dem langen Weg. Sie nennt ihn James, nach dem toten, ungeborenen Kind ihrer Schwester. Aber auch Russell und Otto verändern sich, gestehen sich allmählich ihre Sehnsüchte und geheimen Wünsche ein. Egal ob sie warten oder selbst unterwegs sind. Wird Etta ans Meer kommen und ihre Sehnsucht nach Weite stillen und wird sie ihre Wanderung wieder zurück führen? Das will ich nicht verraten. Das soll jeder Leser selbst erfahren.
Die Geschichte dieser Menschen hat mich berührt. Poetisch, anrührend, melancholisch, aber auch von einer abgeklärten Heiterkeit hat mich der Roman nicht mehr losgelassen. Noch lange nach dem Ende des Romans war ich Etta, Otto und Russell verbunden. Im Klappentext lese ich, dass die Autorin Musikerin ist, das erklärt mir den Rhythmus und die Poesie der Sprache. Ich habe dieses Buch nicht nur gern gelesen, ich bin richtig in den Roman eingetaucht und wollte es einfach nicht aus der Hand legen. Ein echte Entdeckung, der ich viele Leser wünsche.