Rezension (2/5*) zu Revival von Stephen King.

Sebastian

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18. April 2014
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Ostharingen, Niedersachsen, Germany
King kann es besser


Mittlerweile kann man ja fast schon sagen “Alle Jahre wieder”. Im schön regelmäßigen Turnus erscheint ein neuer Roman von Stephen King. Bislang immer ein Grund zur Freude, auch wenn der Großmeister des Horrors mit seinen letzten Veröffentlichungen abseits der Pfade wandelt, die er in der Neuzeit sicherlich zu einem gewissen Teil mitgeprägt hat. Mit “Revival” ist im März nun also seine diesjährige Veröffentlichung wie gehabt im Heyne Verlag erschienen.

So groß die Spannung auf das Buch war, so flach verläuft dann aber leider der Spannungsbogen im fertigen Werk. Um es ganz genau zu nehmen, passiert über etwa ein dreiviertel des Buches wenig bis gar nichts. Man ist es von King ja bereits gewöhnt, dass er sich eine Menge Zeit für die Einführung seiner Figuren und die Vorbereitung seiner Geschichte nimmt, hier jedoch nimmt das eindeutig überhand. Sicherlich, er schreibt schon seit längerem keine reinrassigen Genreromane mehr, “Revival” ist jedoch über weite Strecken eben nicht “Genre”, sondern nur “Roman”. Hierbei kommt es auch immer wieder zu unschönen Längen, die man so von King nicht kennt und die die Motivation, das Buch zu beenden, immer wieder nach unten drücken. Positiv ist dabei zu erwähnen, dass dennoch die Atmosphäre weitestgehend stimmig eingefangen ist und zum Finale hin (aber leider auch wirklich nur dort) doch noch die Wurzeln des Horrorautoren Stephen King ans Tageslicht kommen. Dieses ist in der Tat furios und sehr erschreckend ausgefallen, wird den einen oder anderen Leser eventuell auch noch eine Weile begleiten. Allzu religiös sollte man übrigens nicht sein, um “Revival” lesen zu können, denn alles in allem dürfte der Roman in diesem Fall schon den Stempel “blasphemisch” aufgedrückt bekommen.

Stimmig ist hingegen die Figurenzeichnung, die hier einen Großteil der Seitenzahl in Anspruch nimmt. King konzentriert sich hierbei natürlich auf seine Hauptfigur Jamie Morton. Anders als in einem Großteil seiner Werke belässt er es in diesem Fall aber nicht bei einer umfangreichen und sehr gut ausgearbeiteten Hintergrundgeschichte, sondern erzählt diese hier von Anfang bis zum Schluss. Wir begleiten Jamie von Kindesbeinen an bis in seine 60er und kennen ihn zum Schluss wie einen guten Bekannten. Eine von Kings Stärken, die er hier bis ins letzte Detail ausspielt. Ich hätte aber offen gestanden gut und gerne auf ein paar Details verzichten können, wenn dafür die entsprechenden Längen im Buch weniger gravierend ausgefallen wären und der Spannungsbogen des Romans steiler ausgefallen wäre. Die Konzentration auf Jamie sorgen unter dem Strich leider auch dafür, dass die Nebenfiguren, in diesem Fall also abgesehen von Charlie Jacobs alle anderen Akteure, vergleichsweise blass wirken.

Stilistisch hingegen muss man bei aller Kritik sagen, dass Stephen King sich im Vergleich zu Doctor Sleep oder Mr. Mercedes noch einmal steigern konnte. Mittlerweile schreibt er auf einem Niveau, welches ich durchaus als “literarisch anspruchsvoll” bezeichnen würde. Dabei geht aber die Eingängigkeit nicht verloren und man fühlt sich als Leser nicht überfordert.

Fazit:

“Revival” ist für mich eine der schwächsten Veröffentlichungen von Stephen King. Der ehemalige Großmeister des Horrors versteht sich zwar nach wie vor auf die großartige Charakterzeichnung, verliert hier aber dabei des Öfteren den Spannungsbogen aus den Augen. Von “Horror” merkt man hier in den seltensten Fällen etwas, vielmehr beschreitet das Buch den Weg des klassischen Romans, welcher auch erst im Finale verlassen wird. Das ist mitunter sehr langatmig, was vielleicht aber auch an den Erwartungen liegen mag, die man an einen Autoren wie King hat. Beachtlich ist jedoch, dass er auch in gehobenem Alter und der Erfahrung von etwa 100 veröffentlichten Büchern immer noch in der Lage ist, seinen Stil weiter zu verfeinern und auf ein mittlerweile tatsächlich anspruchsvolles Niveau zu bringen. Das hilft nur leider nichts, wenn der Rest nicht stimmt.


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