Rezension Rezension (4/5*) zu Ein Diktator zum Dessert: Roman von Franz-Olivier Giesbert.

wal.li

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1. Mai 2014
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Das Jahrhundert der Mörder

Eines Abends wird die fast 105jährige Rose auf dem Heimweg von ihrem Restaurant von einem Jugendlichen überfallen. Allerdings ist Rose keine alte Dame, die so ein Erlebnis aus der Bahn wirft. Lieber hält sie dem jugendlichen Verbrecher ihre Glock unter die Nase und verhilft ihm zur Flucht. Wohlbehalten daheim angekommen surft sie noch ein wenig durch die Partnerbörsen. Meist belässt sie es allerdings bei den virtuellen Bekanntschaften, da sich herausgestellt hat, dass man es doch merkt, wenn sie bei der Altersangabe zu sehr untertrieben hat. Und nun ist Rose bereit, ihre Memoiren niederzuschreiben.

Ein Kaleidoskop des letzten Jahrhunderts öffnet sich vor den Augen des Lesers. Roses außergewöhnliche Biographie beginnt mit dem Genozid an den Armeniern im Jahr 1915 als ihre gesamte Familie umgebracht wird und Rose nur mit zweifelhaften Glück in einem Harem unterkommen kann. Doch schon in dieser Phase ihres Lebens zeigt sie ihre herausragende Stärke, die sie während ihres ganzen Lebens nicht verlässt. Gestählt durch die Ereignisse geht Rose ihren Weg, halbe Sachen kennt sie nicht. Ihre Gefühle sowohl Liebe als auch Hass sind immer groß und echt. Noch in jungen Jahren landet sie in Frankreich wo sich die Liebe zum Kochen ihre Bahn bricht. Mit Erfolg führt sie verschiedene Restaurants der provenzialischen Küche. Nie jedoch vergisst sie, was ihr oder ihren Liebsten angetan wurde. Ihr Schwert der Rache ist durchaus scharf und kann das Leben so mancher Übeltäter kosten.

Auch mit über Hundert noch eine Frau mitten im Leben, die eine Menge zu erzählen hat. Mit Witz und großer Energie nimmt Rose die Leser für sich ein. Schon nach den ersten Worten wünscht man sich so in vollem Saft alt zu werden. Klein und gehässig, fast kann man sie sich vorstellen. Und dennoch mit großer Leidensfähigkeit, von Liebe, Hass und Rache beseelt führt Rose durch das Jahrhundert der Mörder. Eine kraftvolle Persönlichkeit, die an einige weniger bekannte Aspekte des zwanzigsten Jahrhunderts heranführt und schonungslos schildert. Ein Buch, das zu weiterführender Lektüre anregt und auch zum Ausprobieren der Rezepte, die am Schluss angefügt sind.
4,5 Sterne

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