Rezension (4/5*) zu Verloren in der grünen Hölle von Ute Jäckle

M

Mikka Liest

Gast

In einer originellen Mischung verbindet das Buch Abenteuer, Thriller und Liebesgeschichte.

Elena, ein verwöhntes reiches Mädchen, und ihre beiden Freundinnen werden entführt und für längere Zeit in einem Camp im Regenwald gefangengehalten, während die Entführer um das Lösegeld feilschen. Inmitten all des Schreckens und der Gewalt verliebt sich Elena ausgerechnet in Rico, ein Mitglied der Bande, aber auch Rico kann die Mädchen nicht vor Carlos, dem sadistischen Anführer, beschützen...

Ein romantischer Thriller? Da habe ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass das Buch so schonungslos auf den Alltag im Camp eingeht, aber die Autorin beschönigt nichts: die Geiseln leben in ständiger Angst, sie sind völlig hilflos und jeder Laune ihrer Entführer ausgeliefert. Gewalt, auch sexuelle Gewalt, ist an der Tagesordnung, denn Carlos, dem Anführer, ist ziemlich egal, in welchem Zustand sich die Geiseln befinden - solange sie noch leben und ihm Geld bringen können...

Diese Atmosphäre ständiger Bedrohung, ständiger Todesangst, sorgt dafür, dass das Buch von Anfang bis Ende spannend bleibt. Die Autorin zieht die Daumenschrauben immer weiter an: so wird den Wächtern z.B. der Befehl gegeben, im Fall einer Polizeirazzia alle Geiseln sofort zu erschießen...

Elena ist ein sympathischer Charakter - mit (verständlichen) Schwächen und Fehlern. Eigentlich ist sie ein ganz normaler Teenager, aber durch ihr behütetes Leben sehr naiv und manchmal auch ein wenig selbstsüchtig. Sie rebelliert entschlossen gegen ihre Entführer, und das überschreitet mehr als einmal die Grenze zwischen Mut und sträflichem Leichtsinn, womit sie auch ihre Freundinnen in große Gefahr bringt! Aber das fand ich nur realistisch, denn wer so aufgewachsen ist wie sie, hat wohl noch nicht viel Erfahrungen damit gemacht, dass das eigene Verhalten ernsthafte Konsequenzen haben kann.

Ihre Liebe zu Rico konnte ich einerseits verstehen - er ist der einzige ihrer Entführer, dem das Wohlergehen der Geiseln wirklich am Herzen liegt -, andererseits hatte sie manchmal durchaus den Beigeschmack von Stockholm-Syndrom. Elena ist schnell sehr fixiert auf diese Liebe, und besonders gegen Ende des Buches verliert sie jedes Gespür dafür, wie die Beziehung auf andere wirkt. So verteidigt sie Rico zum Beispiel gegenüber jemanden, der durch die Kidnapper einen geliebten Menschen verloren hat, und das auf grausamste Weise... Kein Wunder, dass das für Entsetzen und Wut sorgt!

Rico ist ein zwiespältiger Charakter. Er ist im Grunde kein schlechter Kerl, aber die Tatsache bleibt, dass er sich jahrelang an diesem Kidnapper-Ring beteiligt und so mit dem Leid anderer Menschen eine große Menge Geld verdient hat. Aber hier gewinnt das Buch einen Aspekt von Sozialkritik, denn Rico (und viele der anderen Entführer) kommen aus bettelarmen Slums und somit Verhältnissen, in denen sie kaum die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt mit legalen Mitteln zu verdienen, während Menschen wie Elenas Eltern ganz in der Nähe der Slums im Luxus leben. In vielen Szenen spürt man: im Grunde ist Rico selber ein Opfer, und zumindest bemüht er sich, die Geiseln im Rahmen seiner Möglichkeiten zu beschützen.

Schön an der Liebe zwischen Rico und Elena fand ich, dass sich beide dadurch weiterentwickeln. Beide hinterfragen im Stillen, ob sie wirklich so leben müssen oder wollen, wie sie bisher gelebt haben. Und die romantischen Szenen sind rührend und ansprechend geschrieben.

Der Schreibstil ist eher einfach, aber flüssig, packend und temporeich. Besonders der Dschungel wird detailliert und plastisch beschrieben, so dass man in die beschriebenen Szenen richtig eintauchen kann!

Verbotene Liebe, Abenteuer, tödliche Gefahr, und eine Dosis Sozialkritik - das Buch bietet spannende Unterhaltung in einer ungewöhnlichen Mischung!

Mikka Liest

Zum Buch... (evtl. mit weiteren Rezensionen)
 
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