Rezension (3/5*) zu Glasgow RAIN von Martina Riemer

M

Mikka Liest

Gast

Das verträumte Cover lässt einen zarten Liebesroman für junge Leserinnen erwarten - und den bietet "Glasgow Rain" tatsächlich in erster Linie, allerdings fließen in die Liebesgeschichte auch Elemente anderer Genres ein! So ist zum Beispiel von einem Serienmörder die Rede, der ausschließlich 31-jährige Frauen meuchelt und ihnen danach die Organe entnimmt, und Vic leidet an immer wiederkehrenden Albträumen, in denen sie in einem düsteren Kellergewölbe gewaschen und präpariert wird wie ein Opferlamm... Dann gibt es da noch den schmierigen Ex-Freund, der anscheinend kein "Nein" akzeptieren kann und bedrohliche Andeutungen macht, und es wird auch öfter auf die völlig veralteten Vorstellungen des Vaters, was soziale Klassenunterschiede und akzeptablen Umgang betrifft, eingegangen.

Einerseits fand ich diese Mischung sehr interessant und originell - ein Liebesroman muss sich ja nicht immer NUR um Liebe drehen! -, andererseits wünschte ich mir, die verschiedenen Elemente wären etwas stärker miteinander verwoben. Erst gegen Ende kommen sie meiner Meinung nach wirklich zu einem stimmigen Ganzen zusammen, davor war mir der Übergang von Thriller zu Liebesgeschichte zu sakraler Mystik da und dort einfach ein wenig zu abrupt.

Direkt am Anfang bauen die Hinweise auf den ominösen Serientäter Spannung auf, die dann aber im Mittelteil eher in den Hintergrund tritt, während sich die Geschichte auf die Emotionen der Protagonisten und die Romantik konzentriert. Es gibt zwar immer wieder Hinweise auf drohende Gefahr, die aber lange nicht tatsächlich eintritt - dafür dann recht plötzlich! Danach geht alles ziemlich schnell und mit einem Mal sind wir wieder mitten drin im Thriller-Teil der Handlung. Lose Enden werden verknüpft, offene Fragen beantwortet, und die Autorin hat mich mit manchen Entwicklungen wirklich überrascht, während ich andere für den aufmerksamen Leser leider etwas vorrausehbar fand... Da stecken viele interessante Ideen drin, die ich gerne schon vorher im Laufe des Romans etwas weiter ausgebaut gesehen hätte!

Ich denke, die unterschiedlichen Erwartungen, die ich an einen Liebesroman und einen Thriller hege, waren für mich sozusagen das kleine Steinchen im Schuh. Bei einem reinen Liebesroman würde ich z.B. gar keine Hochspannung erwarten, aber "Glasgow Rain" baut durch das Thriller-Element eben auch Thriller-Erwartungen auf, die dann meiner Meinung nach nicht 100%ig erfüllt werden. Das macht es nicht zu einem schlechten Buch, und das heißt auch nicht, dass ich es überhaupt nicht mochte - aber da war zwischendurch immer mal wieder dieses leise Gefühl von Diskrepanz.

Das klingt jetzt allerdings immer noch negativer, als ich es tatsächlich meine! Denn als Liebesgeschichte hat das Buch Einiges zu bieten.

Eigentlich haben Vic und Rafael keinen guten Start. Er überrumpelt sie ausversehen halbnackt in ihrem Schlafzimmer, sie reagiert aus Schreck und Verblüffung zickig und arrogant, was ihn wiederum in Wut versetzt... Aber schnell wird klar: eigentlich fühlen sich beide magnetisch voneinander angezogen, was von ihrer Umgebung alles andere als wohlwohllend aufgenommen wird. Aus der anfänglichen Hassliebe wird eine verbotene Liebe - Romeo und Julia in modern, wobei viel mehr auf dem Spiel steht, als sie ahnen. Das liest sich süß und romantisch, und die (eher dezent gesäten) erotischen Szenen sind gerade explizit genug, um kribbelnd zu sein. Besonders junge Leserinnen von Autorinnen wie Abbi Glines, Jamie McGuire oder Carina Bartsch könnten sich davon angesprochen fühlen!

Ich mochte Victoria, obwohl - oder gerade weil! - sie nicht perfekt ist. Sie kann eine verwöhnte kleine Zicke sein, sie neigt manchmal zur Melodramatik, aber trotz ihrer Schwächen und Unsicherheiten hat sie das Herz am rechten Fleck. Auch ihr Vater und seine erzkonservative Erziehung konnten ihr nicht austreiben, dass ihr das Innere eines Menschen weit mehr bedeutet als sein Bankkonto, und das alleine ist schon Gold wert! Im Laufe des Buches lernt sie viel über sich selbst, und sie lernt, sich tapfer ihren Ängsten zu stellen. Dabei macht sie Fehler, sie fällt hin... Aber sie steht auch wieder auf, sogar wenn sie am Boden zerstört ist. Interessanterweise hatte ich manchmal den Eindruck, dass sie emotional stärker ist als Rafael, auch wenn sie durch das Trauma ihrer Kindheit - den plötzlichen Tod ihrer Mutter und die kaltherzige Erziehung ihres Vaters - schwer verwundet wurde.

Rafael ist ein netter Kerl, der nicht vorhat, sich im Leben von irgendetwas aufhalten zu lassen. Seine Mutter hat nur wenig Geld, an seiner Schule ist er unter lauter Kindern reicher Eltern der verächtlich belächelte Außenseiter, aber er ist trotzdem wild entschlossen, zu studieren - auch wenn das heißt, dass er neben der Schule noch arbeiten und jeden Tag stundenlang lernen muss. Er ist in vielem ganz anders als Vic, aber sie ergänzen sich gerade in ihrer Gegensätzlichkeit sehr gut, und es ist rührend, wie wichtig ihm ihre Liebe schnell ist.

Ich hätte gerne mehr über Shona gelesen, Vics Tante und auch mütterliche Freundin, denn die ist ein liebenswerter, interessanter Charakter. Auch Aimee und Stew, Vics loyale und unerschütterliche Freunde, waren mir sehr sympathisch! Schade fand ich, dass die Widersacher von Anfang an unsympathisch rüberkamen - da war es keine Überraschung, dass sie sich tatsächlich als schlechte Menschen herausstellen.

Der Schreibstil liest sich flüssig und vermittelt gekonnt Stimmung und Atmosphäre der jeweiligen Szene, die Dialoge lesen sich gut... Nur manchmal war er mir ein klein wenig zu dramatisch oder auch zu kitschig, aber im Großen und Ganzen empfand ich ihn als ansprechend.

Fazit:
Ein Liebesroman für junge Erwachsene, in dem auch bestialische Morde, düstere Rituale und unheimliche Stalker eine Rolle spielen? Diese Mischung aus Lovestory und Thriller ist eine interessante, originelle Idee, konnte mich aber nicht vollkommen überzeugen. Besonders im Mittelteil flaute für mich die Spannung ab, und die beiden Elemente der Geschichte gerieten dort sozusagen aus dem Gleichgewicht. Dennoch habe ich das Buch gerne gelesen und würde es Fans des Genres auch weiterempfehlen! Die beiden Protagonisten waren mir sympathisch, und ich empfand die Liebesgeschichte "Glasgow Rain" als anrührender, authentischer und überzeugender als den Thriller "Glasgow Rain".

Ein Debüt mit Schwächen, aber auch mit viel Potential! Fans des Genres sollten die Autorin meiner Meinung nach im Auge behalten.

Mikka Liest

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