Rezension (3/5*) zu Ozeanaugen von Sofie Capasso

M

Mikka Liest

Gast

Wem würde ich "Ozeanaugen" empfehlen? Ich würde sagen: jungen Leserinnen ab 14, die gerne Geschichten mit ein bisschen Fantasy und viiiiel Liebe lesen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es ein gutes Buch für nicht ganz so erfahrene Leseratten wäre, denn es liest sich prima zwischendurch und ist nicht so dick! Ein schöner "Köder", den Eltern vielleicht auswerfen könnten, um ihre Töchter, die gerne Filme wie "Twilight", "Liebe geht durch alle Zeiten" oder "Beautiful Creatures" schauen, auch mal zum Lesen zu animieren...?

Für manch erwachsenen Vielleser ist die Geschichte möglicherweise ein bisschen zu einfach und gradlinig: Ein junges Mädchen durchlebt etwas, was ihr Leben völlig durcheinander bringt, zieht um, muss neue Freunde gewinnen und begegnet einem Jungen, durch den sie erfährt, dass es auch Wesen gibt, die man sonst nur in Fantasyfilmen und -büchern findet. Es gibt relativ wenig Nebenhandlung und eigentlich nur einen großen Konflikt, der sich durchs ganze Buch zieht und von den Protagonisten eher tapfer ertragen als aktiv angegangen wird. Kleinere Konflikte werden entweder umgangen oder stellen sich als doch nicht ganz so schlimm heraus.

Dadurch kam für mich nur wenig Spannung auf - meiner Meinung nach müssen Charaktere manchmal einfach wirklich abstürzen, damit man ihre Siege umso begeisterter mitfeiern kann, wisst ihr? Mir fehlte das Gefühl, dass die Charaktere an ihren Konflikten wachsen, etwas dadurch lernen und den Leser auf eine Reise voller unerwarteter Wendungen mitnehmen!

Gut gefiel mir allerdings, dass es hier nicht zum tausendsten Mal um Vampire, Hexen und Dämonen geht, sondern eben um... Soll ich das schon verraten? Nein, besser nicht - aber Klappentext und Titel geben schon einen deutlichen Hinweis!

Ich hätte mir nur gewünscht, dass Nikanors Welt eine viel größere Rolle spielt und dem Leser bunt und vielfältig in all ihren Facetten gezeigt wird. Man gewinnt nur wenige, kurze Einblicke, so dass im Endeffekt das Fantasyelement für meinen Geschmack etwas zu kurz kam.

Ich kam dennoch schnell in die Geschichte rein und fand auch Luna direkt sympathisch. Sie hat am Anfang mit der Trauer um ihren Vater zu kämpfen, was ich gut nachvollziehen konnte, aber sie gibt sich alle Mühe, ihre Mutter und ihre beiden kleinen Brüder zu unterstützen. Auch die Jugendlichen, die sie an ihrer neuen Schule kennenlernt, sind freundliche und nette Teenager, dir mir vielleicht manchmal sogar ein bisschen zu lieb waren... Einerseits finde ich es ja sehr schön und löblich, wenn die Helden und Heldinnen eines Jugendbuchs nicht Komasaufen und betrunken Auto fahren, ihre Eltern belügen oder sich einfach benehmen wie Rotz am Ärmel, aber andererseits fiel es mir schwer zu glauben, dass alle Jugendlichen in diesem Buch so wunderbar angepasst und vorbildlich brav sind - mir fehlte da ein bisschen die rebellische Selbstentdeckung und das Charakterwachstum!

Nikanor ist ein netter Protagonist für eine Liebesgeschichte für junge Leser. Er sieht verboten gut aus und ist ein sensibler junger Mann, der sogar Gedichte schreibt. Allerdings fiel es mir oft schwer, die Gefühle zwischen Nikanor und Luna wirklich nachzuvollziehen, da ich nie den Eindruck hatte, dass die beiden abgesehen von gegenseitiger prickelnder Anziehung viel gemeinsam haben. Es ist eine plötzliche, heftige, unerklärliche Liebe, wie man sie oft in romantischen Fantasygeschichten findet, aber erstaunlicherweise gehen die beiden auch sehr gelassen damit um, wenn sie mal eine Weile getrennt sind... Sie haben weder viel gemeinsam, noch ist ihnen anscheinend vom Schicksal vorbestimmt, dass sie zusammengehören. Ihre Liebesgeschichte hat viel Potential für Herzschmerz und Rebellion gegen das Schicksal, aber das wird in meinen Augen leider nicht voll ausgenutzt.

Der Schreibstil ist klar und einfach. Meist wird eher beschrieben und zusammengefasst, was passiert, als dass der Leser es unmittelbar durch lebhafte Szenen und lebendige Dialoge miterlebt. Er krankt auch ein klein wenig an gehäuften Wortwiederholungen, lässt sich aber dennoch flüssig und angenehm lesen.

Das Ende fand ich an sich gut und konsequent, hätte es mir aber mit mehr Emotionen gewünscht!

Fazit:
Eine süße Geschichte für junge Leserinnen, mit viel Liebe und einer Prise Fantasy. Für meinen Geschmack verläuft sie ein wenig zu gradlinig, das Konfliktpotential wird nicht voll ausgeschöpft, und auch für die Charaktere hätte ich mir mehr Komplexität gewünscht. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass das Buch für junge Mädchen vielleicht schönes Lesefutter ist!

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