Ich habe fertig und auch was dazu geschrieben:
Guy Delisle ist ein frankokanadischer Comiczeichner und bereist die Welt. Schon mit "Pjöngjang" hat Delisle es geschafft, mich in den Bann zu ziehen. Die reduzierten Zeichnungen, die sich aufs Wesentliche konzentrieren, sagen mehr als echte Fotos oder Worte. Nun wollte es der Zufall (und eine kleine Challenge), dass ich mir
Aufzeichnungen aus Jerusalem von Guy Delisle
ausgerechnet jetzt, wo es zu einer weiteren Eskalation in Israel gekommen ist, zu Gemüte geführt habe.
Man sollte viellleicht dazusagen, dass es Delisle schafft, relativ neutral von den Orten zu berichten, die er als Gast im Land bereist. Welche Worte für manche Situationen ihm vielleicht auf der Zunge gelegen haben könnten, kann man mit ein bisschen Empathie auch an der Stellung der Augenbrauen und Mundwinkel seines Avatars ablesen. Die komplizierten "Territorialverhältnisse" in und um Jerusalem werden mit vereinfachten bunten Karten, die wie Farbkleckse die Seiten bereichern, gut veranschaulicht. Die Kapitel grenzen die 12 Monate, die er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern dort verbracht hat, ein.
Das ungewöhnliche daran ist vielleicht, dass Guy sich um die Kinder kümmern muss, weil seine Frau im Auftrag der MSF (Medicos sin Fronteras - Ärzte ohne Grenzen) jeden Tag von Ost-Jerusalem nach Gaza fährt um dort zu arbeiten. So bekommt er die volle Ladung Familienarbeit aufgebrummt und schlägt sich mit den Alltagsproblemen die Tage um die Ohren, angefangen von der Suche nach einem Spielplatz, über den geeigneten Kindergartenplatz, über merkwürdige Kinderfrauen, bis zum Supermarkt, in dem man "politisch korrekt" auch die richtigen Windeln kaufen kann. In seiner kostbaren Freizeit erkundet er die Umgebung, versucht Gleichgesinnte zu treffen und macht Bekanntschaft mit allen Kulturen, die es in Israel zu finden gibt. Er geht in die jüdischen Viertel, eckt bei den Ultraorthodoxen an, geht in die muslimischen Gebiete (sie wohnen in einem) und wird auch dort misstrauisch empfangen und begegnet den Christen, die ihre ganz eigene Vorstellung eines Friedens in Jerusalem haben.
All seine Beobachtungen und Erlebnisse hält er in seinen Zeichnungen fest und so ensteht ein ziemlich eindrückliches Bild dieses gespaltenen Landes. Obwohl ich schon einiges über die unüberschaubaren Verhältnisse Israels, die Glaubensrichtungen der drei großen Religionen und das instabile Gleichgewicht der Politik dort gelesen habe, hatte ich bei dieser Lektüre das Gefühl, mit einer gewissen Leichtigkeit nochmal etwas dazugelernt zu haben und sei es nur, dass es "die Israelis" und "die Palästinenser" einfach nicht gibt. Es ist einfach viel, viel komplizierter.