Rezension Rezension (5/5*) zu Verlorene Engel: Kriminalroman von Frank Goldammer.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Verlorene Engel: Kriminalroman  von Frank Goldammer
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Ausgezeichneter historischer Kriminalroman

„Verlorene Engel“ spielt 1956 und ist der neueste Band der Dresdner Nachkriegskrimis.

Max Heller ist inzwischen eine feste Größe der Kriminalpolizei der DDR. Nachdem seine alte Beinverletzung endlich erneut operiert und gerichtet wurde, kann er schmerzfrei gehen. Auch privat scheint es zum Besten zu stehen. Zwar hat letztendlich die Flucht in den Westen zu seinem Sohn nicht geklappt, aber er hat sich mit dem System arrangiert. Auch wenn er weiß, dass inzwischen das Ministerium für Staatssicherheit wie ein Krake alle Bereiche des Lebens in diesem Staat durchdringt.

Eine Serie von Vergewaltigungen macht der Polizei zu schaffen. Zumal jetzt zum ersten Mal auch eine Frau den Angriff nicht überlebte. Sexualverbrechen sind ein Tabu-Thema. Es darf nicht sein, was dem Bild des „neuen“ Menschen widerspricht. Die Opfer sind völlig unterschiedlich, aber der Dresdner Mob hat natürlich sofort Schuldige ausgemacht. Außenseiter werden auch in diesem Staat gnadenlos ausgegrenzt und verdächtigt.

Da auch zwei russische Soldaten abgängig sind, mischt der Große Bruder mit. Alexej Saizev und Heller kennen sich seit dem Krieg und haben eine fragile Beziehung aufgebaut.

Bei den Dresden Krimis von Frank Goldammer schätze ich den zeitgeschichtlichen Hintergrund ganz besonders, er ist mir fast wichtiger als der Spannungsaufbau. Sein Plot nimmt – wie immer – ein gesellschaftlich relevantes Thema auf. Vergewaltigungen, wie überhaupt Sexualdelikte wurde gern totgeschwiegen, denn das passte überhaupt nicht in das Bild, das die DDR darstellen sollte. Umso größer ist der Druck, der auf Heller lastet.

Wenn ich Frank Goldammer lese, sehe ich Dresden immer wie in einem S/W Film vor mir. Die Atmosphäre der Stadt, das Zeitbild fängt der Autor sehr lebendig ein. Ich meine fast, die Gerüche und Geräusche wahrzunehmen.

Ausgezeichnet sind seine Charaktere dargestellt. Die Figuren sind vielschichtig gezeichnet, sind wirken real und haben wie alle Menschen ihre Stärken und Schwächen. Das macht sie auch so besonders. Sie passen einfach in die Zeit und in das Milieu. Hier möchte ich eine Figur besonders hervorheben: das junge Fräulein Schöneich, die Schreibkraft, die sich unbedingt als Polizistin bewerben möchte und sich deshalb als Lockvogel zur Verfügung stellt.

Für mich ist der Krimi wieder ein sehr spannendes Stück Zeitgeschichte.

 
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