In seinem neuen Roman erzählt Klaus Modick von einer Zeit der Umbrüche, von einem jungen Mann, der sich weigert, nützlich zu sein, und seinem abenteuerlichen Roadtrip ins Offene und Ungewisse. Die Bundesrepublik in den turbulenten Siebzigern. Während an den Universitäten die Revolution geprobt und bundesweit nach den Mitgliedern der RAF gefahndet wird, sitzt ein junger Mann vor dem muffig-engen Elternhaus und trifft eine Entscheidung. Er packt ein paar Sachen, greift seine Gitarre und geht. Wenig später steht er an der Straße und reckt den Daumen in den Wind. Ohne Geld und Plan schlägt sich der selbsternannte Nichtsnutz über Wien und die Toskana nach Süden durch, trifft auf schräge Vögel, hoffnungslose Romantiker, zwielichtige Rocker, Hippies und die große Liebe, spielt als Troubadour im Batikshirt groß auf, entdeckt die magische Welt der Pilze, das unvergleichliche Licht Italiens und die unermessliche Freiheit der Straße. Unfreiwillig wird er dabei zum Protagonisten eines raffiniert eingefädelten Verwirrspiels, das die Grenze zwischen Tag und Traum auf märchenhafte Weise verschwimmen lässt ...Kaufen
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Klaus Modick, der in Kürze seinen 70. Geburtstag feiert, hat sich von Joseph von Eichendorff und dessen Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ inspirieren lassen. Genau genommen kam ihm die Idee bereits während seines Studiums in Hamburg: „Ich bin begeistert von dem namenlosen, abenteuerlustigen, schlagfertigen Bruder Leichtfuß, der gegen stumpfsinnige Arbeit und Nützlichkeitsethos opponiert, sich selbst nicht allzu wichtig nimmt und respektlos-ironische Blicke auf das Leben, die Leute und die Liebe wirft.“ (S. 9)
So entwirft Modick genau in diesem Stil einen neuen Taugenichts, den er als pflichtvergessenen Ich-Erzähler in die eigene Jugend der 1970er Jahre katapuliert, wo sich jener den Wünschen seiner Eltern widersetzt, in die vorbestimmten väterlichen Fußstapfen zu treten. Spontan und ohne Vorbereitung verlässt er das spießig-enge Elternhaus, um in sonnigere Gefilde aufzubrechen. Er will einfach nicht mehr nützlich sein und dem väterlichen Ruf nach Pflichterfüllung entfliehen. Die Reise darf nichts kosten, also wird der Daumen ausgestreckt. Zwei Damen gabeln ihn auf und nehmen ihn zunächst mit in ein Luxushotel nahe Wien, wo er zur Unterhaltung der Gäste beitragen soll. Die Gitarre ist stets seine Eintrittskarte und ebnet ihm den Weg von einem süffisanten Abenteuer ins nächste. Neben einem umfangreichen Repertoire populärer, zeitgenössischer Lieder (Verzeichnis befindet sich am Ende des Romans), komponiert der Musikus auch neue Songs mit eigenen gefühlsbetonten, freiheitsliebenden sowie poetischen Texten (die an v. Eichendorff angelehnt sein dürften).
Natürlich verliebt sich der in der Blüte seines Lebens stehende Taugenichts schnell und heftig. Modick findet humorvolle Beschreibungen für diesen Zustand: „Unter der altersschwach tröpfelnden Dusche schwoll meine Vorfreude prächtig an, schrumpfte jedoch auf Normalmaß zusammen, als sich die bienenfleißig Bee Gees Summende nicht als die Ersehnte entpuppte, sondern als das Zimmermädchen.“ (S. 50) Der Ich-Erzähler pflegt stets einen distanziert-ironischen Blick auf sich und seine Umwelt.
So zügig wird der junge Mann aber noch keine Erfüllung in Liebesdingen finden. Es verschlägt ihn stattdessen wieder auf die Straße und in die Freiheit. Die ewige Stadt Rom wird seine nächste Station sein, danach wird er hochzufrieden in das wunderschöne italienische Landhaus, die „Villa Maria Ioana“, verschlagen: „Bei freier Kost und Logis fürs Nichtstun bezahlt zu werden, entsprach ziemlich meiner Idealvorstellung eines erfüllten Lebens.“ (S. 112)
Der Taugenichts reist als Glücksritter. Er findet immer die richtigen Leute, die ihn nicht nur mitnehmen, sondern auch weiterbringen. Sie alle sind komplett sympathische, etwas schräge Charaktere. Es wird viel getrunken, gehascht und gut gegessen. Die Stimmung der 1970er Jahre mit Love and Peace and Rock ´n Roll wird wunderbar eingefangen, politische Schlagworte werden nur gestreift. „Fahrtwind“ ist ein Sommerbuch, etwas für die leichte Muse, etwas zur Entspannung. Man darf es nicht zu ernst nehmen, die glücklichen Wendungen nicht hinterfragen. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass sich der Autor mit diesem Roman einen Spaß erlaubt hat, indem er mit Joseph von Eichendorff zurück in die eigene Jugend reiste und ein „Was wäre wenn…“ entwarf. Wenn das ein Schriftsteller wie Klaus Modick macht, gelingt es auch. Mich hat der relativ kurze Roman amüsiert. Der locker-leichte, etwas altmodisch anmutende Schreibstil hat mir sehr gefallen. Modick verfügt über Witz und Esprit, man fliegt durch die Seiten. Die eingestreuten Verse und Reime, in denen der Protagonist seine Lebensgefühle wunderbar erfrischend zum Ausdruck bringt, habe ich als unterhaltsame Zugabe empfunden. Erwähnen muss man auch die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, die Lust auf Urlaub machen.
Am Ende schließt sich der Kreis dieser fantastischen Reise. Natürlich findet der Taugenichts seine Angebetete, auch hier lassen v. Eichendorff und die Romantik grüßen. Die Irrungen und Wirrungen auf dem Weg dorthin sind aber auf alle Fälle ein kurzweiliges Lesevergnügen.
Mir hat dieser luftige Roman Lust gemacht, weitere Werke des Autors kennenzulernen.
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