Rezension Rezension (5/5*) zu Waterlily von Ella Cara Deloria.

KaratekaDD

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13. April 2014
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Neustrelitz
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Buchinformationen und Rezensionen zu Waterlily von Ella Cara Deloria
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Mehr indianisch geht gar nicht

Lange Zeit waren es fast ausschließlich Romane, historische Romane, die ich über „Indianer“ las, über die indigenen Völker vor allem Nordamerikas. Erst in den letzten Jahren wurde ich, nicht zuletzt durch inspiriert durch die Veröffentlichungen des Palisander Verlages, auf neuere Werke, Veröffentlichungen, aufmerksam, wiederum Romane aber auch Sachbücher. Vermehrt las ich Bücher, die von Angehörigen der Völker selbst verfasst wurden, von diesen schrieb ich bereits auf dem Blog. Dabei waren die Biografie über Sitting Bull von Ernie la Pointe, die gesammelten Märchen und Geschichten in Roter Vogel erzählt von Zitkala-Ša oder das Buch Das Wunder vom Little Bighorn von John Oute Sica.
Wieder liegt ein Roman vor mir. Die Autorin von Waterlily, Ella Cara Deloria (1889 – 1971), Anpetu Waste-win (Schöner-Tag-Frau), ist vermutlich eine „Ausnahme-Indianerin“, ebenso wie Gertrude Simmons Bonnin – Zitkala-Ša (1876 - 1938). Diese Bemerkung beruht allein darauf, dass beide Dakota – Indianerinnen die „angebotene“ Schulbildung nutzten und als Erwachsene Schriftstellerinnen wurden.

Waterlily. Die Geschichte einer Dakota / Lakota Frau und eigentlich deren Mutter Blue Bird. Blue Bird verlor ihre Eltern und Brüder durch einen Überfall während eines Jagdausfluges, gemeinsam mit ihrer Großmutter wurde sie in einer anderen Stammesgruppe aufgenommen, heiratete und gebar Waterlily (Mni Hčahča-win). Blue Bird wird von ihrem Mann verstoßen. Besucher im Dorf erkennen sie als Verwandte und sie kehrt mit Großmutter und Tochter zu ihrer alten Stammesgruppe zurück. Waterlily wächst nun hier im Kreise einer großen Familie auf.
Im letzten Teil des Romans ist dann nur kurz von weißen Männern die Rede. Durch infizierte Decken und Kleidung, deren starke Farben den Menschen sehr gefallen, sterben viele. Es wird beschlossen, die Überlebenden zu isolieren, das heißt, sie sollen in kleinen Gruppen die Stammesgruppe verlassen.

Auf einem Sonnentanzfest bewundert sie einst einen Krieger, dem sie, nach den Strapazen der Zeremonie erschöpft, Wasser reicht. Durch Zufall wird dieser später ihr Mann, erfährt aber nicht, dass sie das Mädchen auf dem Fest war.

Indianer einmal anders und doch nicht. Es ist ein „Dakota-Frauen-Roman“. Eine Dakota schreibt vor allem über das Zusammenleben, von Traditionen, Zeremonien, Glauben. Das Verhältnis zwischen Frauen und Männern und vor allem das zu den Kindern steht im Mittelpunkt des Romans. Ebenso gilt das für die Rolle der Familie, meist Großfamilien (tiyospaye), die innerhalb einer Zeltgruppe / Stammesgruppe wohnen.

Die Regeln des Zusammenlebens im 19. Jahrhundert zeigen deutlich, dass wir es mit einer mehr entwickelten zivilisatorischen Gesellschaft zu tun hatten, als es die lange noch verbreiteten Klischees vom „edlem Wilden“ annehmen lassen würden, auch wenn diese vom Staat, dem Staatsvolk und dem Staatsgebiet nichts wussten. Die Rolle der Frauen würden wir heute als überholt, die der Kindererziehung vielleicht als vorbildlich ansehen. Besonders deutlich wird uns eine Art Solidarpakt vorgestellt, wenn die Teilung von Jagdbeute, die Lagerung von Nahrungsmitteln für Familien und die Unterstützung, wenn die Männer als Jäger und Krieger fielen oder starben. Die Selbstverständlichkeit der Aufnahme auch nicht unmittelbar Verwandter in das tiyospaye oder gar Alleinstehender, das „Verwandte machen“.

So ist das Buch kein „Abenteuerroman“, als den man frühere Bücher über die indigenen Völker angesehen hätte, Krieg und Kampf stehen nicht im Vordergrund. Die Geschichte von Blue Bird und Waterlily ist jedoch gleichermaßen spannungsreich und vor allem äußerst informativ, packend und bewegend.

Ella Cara Deloria, deren Geschichte der Übersetzer im Anhang größeren Raum einräumt, war eine Yankton-Dakota, der Großvater mütterlicherseits war ein US-General. Sie wuchs unter Lakota auf Standing Rock auf und sprach beide Dialekte. Deloria hatte das Glück, dass sie in der Schule auf eine verständnisvolle Lehrerin traf. Später selber Lehrerin erzählt sie von „glücklichen, eifrigen Kindern, aufmerksam gegenüber jedem Gegenstand, in den sie eingeführt wurden“, und gründlichem Unterricht. Selbstverständlich ist dies am Ende des 19. Jahrhunderts nicht. Die Methoden gegenüber den Indianerkindern in Internaten wie der Carlisle Industrial School, wo ihnen ihre Muttersprache verboten wurde und man den „Indianer in ihnen töten wollte um Amerikaner aus ihnen zu machen“, waren vorherrschend.
Und doch, die bereits oben erwähnte Schriftstellerin Zitkala-Ša lernte und lehrte später auf einer solchen Schule. Ella Deloria erwarb auch einen Hochschulabschluss und veröffentlichte zu Geschichte, Traditionen und Sprachen der Lakota und Dakota. Waterlily allerdings konnte sie zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen.

Es gibt gerade aus den letzten 20 Jahren eine Menge guter Bücher über die indigenen Völker Nordamerikas, für mich stechen Ella Cara Deloria mit WATERLILY und Gertrude Simmons Bonnin –Zitkala-Ša mit ROTER VOGEL ERZÄHLT (Rezension) heraus, weil es indianische Autoren besonderer amerikanischer Literatur sind. Ebenso gilt dies für John Okute Sica und sein Buch DAS WUNDER VOM LITTLE BIGHORN

Diese hat der Palisander – Verlag und dessen Verleger und Übersetzer Frank Elstner versammelt und damit allen interessierten Leserinnen und Lesern die Möglichkeit geschaffen, die geliebten Romane, zum Beispiel von Liselotte Welskopf-Henrich, auf deren Hintergrund zu „überprüfen“. Ich staune immer wieder, welches Grundwissen Liselotte Welskopf-Henrich in ihren Romanzyklen DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN offenbarte, denn vieles erklärt nun im Detail Waterlily.

Das Buch beinhaltet ein Nachwort zur Autorin und Textauszüge aus Roter Vogel erzählt sowie einen Auszug aus Erik Lorenz Die Geschichte des Sitting Bull.

von: Greta R. Kuhn
von: Burton, Jessie
von: Rademacher, Cay