Rezension Rezension (5/5*) zu Vati: Roman von Monika Helfer.

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10. Mai 2020
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Buchinformationen und Rezensionen zu Vati: Roman von Monika Helfer
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Tief berührende Familiengeschichte

Nach dem vielgelobten Roman „Bagage", in dem die österreichische Autorin Monika Helfer die bewegende Familiengeschichte ihrer aus einem ärmlichen Vorarlberger Bergdorf stammenden Mutter und Großeltern zu Zeiten des 1. Weltkriegs erzählt, hat sie mit „Vati“ nun einen weiteren Erinnerungsroman geschrieben, der eine gelungene Fortführung von „Bagage“ darstellt, aber auch ohne Vorkenntnisse problemlos zu lesen ist.
In ihrer bemerkenswerten autofiktionalen Geschichte widmet sich Monika Helfer der Lebensgeschichte ihres Vaters Josef Helfer und den Erinnerungen an ihre eigenen Familiengeschichte.
In sehr einfühlsam und eindringlich erzählten Episoden fügt sie die unterschiedlichsten Erinnerungsfragmente zu einem berührenden Portrait ihres Vaters zusammen, das jedoch eine faszinierende und glaubwürde Annäherung an seine vielschichte Persönlichkeit mit vielen Unschärfen und Leerstellen bleibt. Allmählich lernen wir einen sehr eigenwilligen und doch faszinierenden Menschen kennen, voller Rätsel und Widersprüche, wortkarg und unnahbar. Als Kriegsversehrter ist er aus dem 2. Weltkrieg mit nur einem Bein zurückgekehrt, heiratet die ihn pflegende, resolute Krankenschwester Grete und statt seinen ehrgeizigen Traum von einem naturwissenschaftlichen Studium zu realisieren, lebt er mit seiner kleinen Familie in den Nachkriegsjahren als Verwalter eines Kriegsversehrtenerholungsheims in den Bergen. Ein idyllischer Zufluchtsort wird dies für die Familie und den Vater, der hier ungestört seiner großen Liebe für schöne Bücher nachgehen kann, und doch durch eine fatale Fehlentscheidung alles zerstört.
Gekonnt greift die Autorin in Rückblenden immer wieder in „Bagage“ erzählte Begebenheiten auf, lässt die vermeintlich unbeschwerte Nachkriegszeit lebendig werden und lässt zudem einige Anekdoten aus der jüngeren Vergangenheit mit einfließen.
Mit faszinierender Leichtigkeit und voller Herzenswärme trägt die Autorin die verschiedenen Facetten dieses Mannes zusammen, erzählt über seine Herkunft, Verletzlichkeiten, Passionen, kleinen Fluchten und Unzulänglichkeiten.
„Vati“ lässt er sich von seinen Kindern nennen, da es modern klinge und doch vermittelt uns die Autorin von ihm ein eher traditionelles Vaterbild, das doch recht typisch für jene Zeit ist – traumatisiert von Kriegserlebnissen, geprägt durch seiner Erziehung und Herkunft, gefangen in unüberwindbaren Umständen, die keine Träume zulassen, und hineingepresst in eine Rolle, aus der er sich bisweilen zu befreien versteht. Schonungslos und doch ohne jede Anklage schildert sie schließlich das schmerzvolle Abwenden des Vaters nach dem frühen Krebstod der geliebten Mutter, den unaufhaltsamen Verfall der Familie und konfrontiert uns mit seiner unverständlichen Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den Kindern.
FAZIT
Ein tief berührender, wundervoll warmherzig erzählter Erinnerungsroman, der tiefe Einblicke in Helfers persönliche Familiengeschichte gewährt. Ein feines, ganz besonderes Leseerlebnis!

 
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