Rezension Rezension (2/5*) zu Drei Kameradinnen: Roman von Shida Bazyar.

Wandablue

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18. September 2019
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49
Brandenburg
Pöbeleien gewinnen keinen Blumentopf.


Kurzmeinung: Provokation ist nicht zielführend.


Die Autorin geht nach dem Motto vor, Provokation verschafft Gehör.

Eigentlich ist „Die drei Kameradinnen“ ein rein tendenziöses, politisches Buch, fast schon ein Statement, mit dem Inhalt, etwas zugespitzt formuliert, alle Deutschen seien Rassisten. Und das bedeutet, dass man den Roman als Roman kaum ernst nehmen kann. Vielleicht könnte der Roman als provokantes Theaterstück durchgehen. Dazu passten dann auch die ausgiebigen Dialoge. Aber das Stück liegt nun einmal in Romanform vor.

Die drei Protagonistinnen sind durch und durch Kunstfiguren. Eigentlich sind ja alle Romanfiguren Kunstfiguren, aber Hani, Saya und Kasih sind es in besonderem Maße.

Denn sie tragen drei politisch-typische Migrationshaltungen auf den Marktplatz. Sie sind Fackelträger, Fahnenträger und Platzhalter. Hani ist die Angepaßte und deshalb auch Angepisste, Saya die Rebellin und Kasih, Kasih hat kein Gesicht, sie ist die unzuverlässige Erzählerin und hat die Aufgabe launiger Publikumsbeschimpfung übernommen. Botschaft: Alle Deutschen sind böse, äh, ich meine Rassisten. Und wenn sie vielleicht doch keine Rassisten sind, könnten sie es doch irgendwie geheim inwendig doch sein oder wenigstens werden oder wenn auch das nicht, haben sie auf alle Fälle mehr Privilegien als die Migrantinnen. So what? Ach ja, und Migrantinnen darf man bestimmt nicht sagen und auch nicht Menschen mit Migrationshintergrund und überhaupt ist alles, außer dem Buch und seinem Anliegen und den Migrantinnen in allem recht zu geben, eine Beleidigung. Die Migrantinnen sind natürlich auch Deutsche, aber sie und ihre Angehörigen sind die einzig nicht Bösen im Lande. Wie gut, dass wir sie haben.

Um was geht es eigentlich? Die Handlung ist banal. Drei Frauen mit Migrationshintergrund besuchen eine Hochzeit.

Um sich Bedeutung zu verschaffen vermarktet der Roman am Rande den Prozeß um Beate Zschäpe. Hier hält man inne. Hier wäre die zentrale Botschaft anzusiedeln gewesen. Ist aber nicht, der Roman verliert sich im Folgenden weiter genau wie im Vorhergehenden im kleinlichen Befindlichkeitsmodus und hält ausgiebig Nabelschau. Doch Provokation allein reicht nicht für große Kunst, nicht mal für kleine!

Hier hat man mit mächtig vielen Übertreibungen und Pöbeleien versäumt, ein Thema in der Tiefe zu betrachten, das es würdig gewesen wäre, zu besprechen, nämlich wie wir alle zusammen ein Klima für Toleranz schaffen können. Denn Toleranz ist keine Einbahnstraße.

Fazit: Mit Pöbeleien gewinnt man weder einen Blumentopf noch Empathie. Wenigstens nicht bei mir.

Verlag: Kiepenheuer @ Witsch, 2021
Kategorie: Belletristik.




 
Zuletzt bearbeitet:

Literaturhexle

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2. April 2017
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Eine tolle Rezi, Wanda, der man anmerkt, wie sorgfältig du darüber nachgedacht hast, was dir am Buch nicht passte und was man hätte besser machen müssen.
Wie gesagt, bin froh, dass ihr euch in der LR für ein anderes entschieden habt. Dieses hätte mir schlechte Laune bereitet:D
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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66
Mein Urteil wird nicht ganz so negativ ausfallen, aber viele Deiner Kritikpunkte teile ich. Das Buch will ganz bewusst provozieren, fühlt man sich dann aber provoziert, ist man in die gestellte Falle getappt. Es hinterlässt bei mir ein ungutes Gefühl.Schade! Denn der Debutroman der Autorin hat mir sehr gut gefallen.
 

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