The hill we climb - Deutsche Übersetzung jetzt erschienen

Literaturhexle

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Heute erscheint die deutsche Übersetzung dieser Ausnahme-Poetin, die durch ihren Auftritt bei der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden internationale Popularität erlangte.

Nach Lapsi in anderen europäischen Ländern wollte der Hoffmann & Campe Verlag alles richtig machen und engagierte ein Team aus drei Frauen, die sowohl schwarze Abstammung als auch diverse Orientierung in der Gruppe verkörpern (falls ich mich nicht völlig politisch korrekt ausgedrückt habe, seht mir das bitte nach;)). Nur Übersetzer, die selbst schon diskriminiert wurden, könnten das Werk der Autorin Amanda Gorman übersetzen, hieß es.
Handwerkliche Kompetenz einer professionellen Übersetzung wurde untergeordnete Bedeutung beigemessen. Zu Recht?

Hier habe ich einen regelrechten Verriss auf die deutsche Übersetzung gefunden. Gewiss kann man über Übersetzungen immer streiten.
Was meint ihr dazu?

@RuLeka @Barbara62 @Renie @Querleserin @SuPro @Helmut Pöll @ThomasWien @Yolande @Emswashed @Wandablue @Sassenach123 @Die Häsin @milkysilvermoon @ulrikerabe @MRO1975 @Xirxe @Anjuta @parden
Und alle anderen:reader1

https://www.derstandard.at/story/20...he-uebersetzung-in-hoechstem-mass-missglueckt
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich glaube, es ist generell schwer "politische" Lyrik zu übersetzen. Von daher sollte man das ein oder andere einfach so belassen und nicht auf "Gedeih und Verderb" übersetzen, nur weil man ein Stück vom Kuchen abhaben will. :cool:
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich glaube, es ist generell schwer "politische" Lyrik zu übersetzen. Von daher sollte man das ein oder andere einfach so belassen und nicht auf "Gedeih und Verderb" übersetzen, nur weil man ein Stück vom Kuchen abhaben will. :cool:

Nicht nur das, es ist generell immens schwer, Lyrik zu übersetzen.
Wie ich feststellte, als ich einmal verschiedene Übersetzungen des Gedichts "The Idea of Order at Key West" von Wallace Stevens verglich. Von Emily Dickinson gar nicht zu reden ...
Speziell in diesem Fall wundert es mich, warum man die Übersetzung nicht in den Händen derjenigen Person belassen hat, mit der Amanda Gorman ausdrücklich einverstanden war. Ich kann gar nicht sagen, wie idiotisch ich die ganze Debatte finde.
 

Barbara62

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Ich kann gar nicht sagen, wie idiotisch ich die ganze Debatte finde.

Volle Zustimmung! Ich kann direkt zu dieser Übersetzung nichts sagen, weil ich generell so gut wie keine Lyrik lese und nicht gut genug Englisch kann, um mir ein Urteil zu bilden. Warum ein Team allerdings besser geeignet sein soll, erschließt sich mir nicht, denn bekanntlich verderben viele Köche den Brei. Bei uns geht das schon im Urlaub schief, wenn wir gemeinsam eine Postkarte schreiben wollen (ganz unpolitisch) ;).

Zum Thema Übersetzungen habe ich mir vor einigen Tagen ein Fachgespräch zwischen Saša Stanišić und einigen Übersetzerinnen von "Herkunft" angeschaut und war fasziniert:


Hätten die das alle nicht übersetzen dürfen? (Wenn man es anklickt, klappt es mit dem Schauen.)

Für mich zählt ausschließlich die Qualität des Übersetzers/der Übersetzerin, alles andere ist mir völlig egal. Der Autor/die Autorin kann gerne mitentscheiden.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Für mich zählt ausschließlich die Qualität des Übersetzers/der Übersetzerin, alles andere ist mir völlig egal. Der Autor/die Autorin kann gerne mitentscheiden.
Genau meine Meinung! Das war wirklich wieder ein Sturm im Wasserglas! Warum soll ein weißer Mensch nicht den Text eines schwarzen übersetzen können - Empathie vorausgesetzt? Da will man alles richtig machen. Aber allein eine schwarze Frau reicht auch nicht, weil sie nicht "divers" ist... und weil man am Ende glaubt, dass eine Professionelle auch nicht schaden könnte, kommt die noch als Dritte dazu. VORTEIL: zu dritt können sie demokratisch zwischen zwei Varianten entscheiden:D. Ansonsten wird es ordentlich kompliziert gewesen sein, auf einen Nenner zu kommen.
Einfach blöd. Ich lese das Ergebnis nicht. Diesem Hype kann ich gut entsagen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Wenn man die Diskussion weiter denkt, dürfen Frauen nicht mehr aus der männlichen Perspektive schreiben und umgekehrt. Historische Romane fallen weg, weil wir heute anders denken als z. B. Menschen aus der Renaissance. Dann bleibt nur noch Autobiographisches und das nur in der Originalsprache. So ein Schwachsinn! Als würde jeder Schwarze genau das gleiche denken und fühlen wie ein anderer Schwarze, weiße Männer sind alle gleich usw. Eigentlich wollten wir doch wegkommen von diesem Schubladendenken. Stattdessen wird der Begriff Rasse wieder eingeführt.
 

Die Häsin

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Eigentlich wollten wir doch wegkommen von diesem Schubladendenken. Stattdessen wird der Begriff Rasse wieder eingeführt.

Ich habe im Zusammenhang mit der Gorman-Diskussion in einem Online-Artikel gelesen, dass "man" generell bei solchen Themen doch mehr an das Verbindende denken sollte als an das Trennende.

Empathie muss jeder Autor, jede Autorin, jeder Übersetzer, jede Übersetzerin mitbringen, das ist Voraussetzung für die Tätigkeit überhaupt. Ich führe solche Diskussionen nicht gern, weil von Vertretern der Gegenposition zwangsläufig das Argument kommt, dass ich als saturierte weiße Frau meinen Schnabel zu halten habe. Aber unterm Strich werden die vorhandenen Gräben dabei nur weiter vertieft.
 

KaratekaDD

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Die Debatte um die Übersetzung ist nicht nur überzogen, sie ist Unsinn. Übersetzung ist zuerst einmal Handwerk und dann kommt natürlich die Lyrik dazu.
Wer sich bereit erklärt, das Gedicht der schwarzen Dichterin zu übersetzen sollte es zuerst einmal gut finden und, ganz sicher in diesem Fall, davon berührt sein. (Ich war es, und das mit meinem miesen Englisch)
Wer darf sich rausnehmen, dieses Gefühl vor der Vorlage des Ergebnisses, jemandem abzusprechen?
Wir reden hier nicht von einem Gospel-Song und auch dabei gilt genau dies.
Die Debatte ist Unsinn und der Umstand, dass so etwas klappt, hier und auch bei wissenschaftlichen Vorträgen, ist gefährlich. Und außerdem undemokratisch.
 

KaratekaDD

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Ich führe solche Diskussionen nicht gern, weil von Vertretern der Gegenposition zwangsläufig das Argument kommt, dass ich als saturierte weiße Frau meinen Schnabel zu halten habe. Aber unterm Strich werden die vorhandenen Gräben dabei nur weiter vertieft.

Hast du nicht. Genauso wenig wie ein alter weißer Mann. also ich. ;)
 
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KaratekaDD

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Die Debatte ist Unsinn und der Umstand, dass so etwas klappt, hier und auch bei wissenschaftlichen Vorträgen, ist gefährlich. Und außerdem undemokratisch.

Der folgende Link zeigt das Problem an gänzlich anderer Stelle. Ein anerkannter Wissenschaftler soll einen Vortrag über Afrika nicht halten, weil er kein Afrikaner ist; der Veranstalter kippt um...
 
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Man kann solche Überlegungen sehr viel weiter führen, ich habe schon an x Diskussionen teilgenommen, wie legitim die Außenperspektive eines Nichtbetroffenen ist. Ich führe da immer das Beispiel "Ditte Menschenkind" von Nexø an. Das ist ein Arbeiter- oder vielmehr Arbeiterinnenroman über ein Frauenschicksal - es ist eine komplette Biographie von der Geburt bis zum Tod - von einem Mann erzählt, und gerade deshalb finde ich es so stark. Der Erzähler hat ein unglaubliches Einfühlungsvermögen, speziell wenn es um die Pubertätsphase eines Mädchens geht, aber er ist eben keine Frau, er erzählt "von außen" und deshalb in gewisser Weise genauer, als eine Frau es womöglich tun würde. Ein Gegenbeispiel wäre für mich etwa der Roman "Goldkind" von Claire Adam. Es ist ein tolles Buch, aber die Autorin weiß ein bisschen zu gut Bescheid (falls man das so formulieren darf) und setzt mehr Wissen voraus, als ich es als Europäerin mitbringe.
Ich glaube nie im Leben, dass das "Drin-Sein" unabdingbar ist, um eine Situation absolut überzeugend zu schildern.

Nachtrag - wenn ich etwa an Richard Powers' "Der Klang der Zeit" denke - das Buch handelt von Rassismus und ist geradezu erschlagend authentisch. Der Autor ist Weißer, wenn ich mir vorstelle, das Buch deshalb zu verwerfen, wird mir schlecht. Wofür lässt sich ein Autor denn bezahlen, wenn nicht für seine Fähigkeit, überzeugend und kraftvoll zu erzählen, was weder er selbst noch seine Leser erlebt haben?
 

KaratekaDD

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Heute erscheint die deutsche Übersetzung dieser Ausnahme-Poetin, die durch ihren Auftritt bei der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden internationale Popularität erlangte.

Nach Lapsi in anderen europäischen Ländern wollte der Hoffmann & Campe Verlag alles richtig machen und engagierte ein Team aus drei Frauen, die sowohl schwarze Abstammung als auch diverse Orientierung in der Gruppe verkörpern (falls ich mich nicht völlig politisch korrekt ausgedrückt habe, seht mir das bitte nach;)). Nur Übersetzer, die selbst schon diskriminiert wurden, könnten das Werk der Autorin Amanda Gorman übersetzen, hieß es.
Handwerkliche Kompetenz einer professionellen Übersetzung wurde untergeordnete Bedeutung beigemessen. Zu Recht?

Hier habe ich einen regelrechten Verriss auf die deutsche Übersetzung gefunden. Gewiss kann man über Übersetzungen immer streiten.
Was meint ihr dazu?

https://www.derstandard.at/story/20...he-uebersetzung-in-hoechstem-mass-missglueckt

Da lobe ich mir doch die schnelle Simultanübersetzung, wenige Stunden nach ihrem Vortrag, die ich sogar mit meinem miesen Englisch nachvollziehen konnte.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Gut finde ich aber, dass das Gedicht sowohl in der Übersetzung wie auch im Original abgedruckt ist. Selbst wenn das eigene Englisch nicht so gut ist, kann man sich trotzdem ein Bild davon machen, wenn man die Übersetzung als Anregung begreift. Eine gute Lösung finde - zu dem sonstigen Theater habt ihr schon alles geschrieben.
 

KaratekaDD

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Ich habe mir den Text im original und in zwei deutschen Sofortübersetzungen gespeichert. Schon da fanden sich leichte Unterschiede. Die werde ich mir zu einem eigenen Buch machen.
Oder ich mache ein Fotobuch draus. Dann hab ich was eigenes.
 
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KaratekaDD

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Gut finde ich aber, dass das Gedicht sowohl in der Übersetzung wie auch im Original abgedruckt ist. Selbst wenn das eigene Englisch nicht so gut ist, kann man sich trotzdem ein Bild davon machen, wenn man die Übersetzung als Anregung begreift...

Unbedingt. Jedoch sollte die Übersetzung nicht schwacher sein, als das Original. Darüber hat diese Woche DER SPIEGEL geschrieben, sehr anschaulich. Daher finde ich, dass die Übersetzung reicht, ich will nun gar keine Nachdichtung mehr.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Wenn man die Diskussion weiter denkt, dürfen Frauen nicht mehr aus der männlichen Perspektive schreiben und umgekehrt. Historische Romane fallen weg, weil wir heute anders denken als z. B. Menschen aus der Renaissance. Dann bleibt nur noch Autobiographisches und das nur in der Originalsprache. So ein Schwachsinn! Als würde jeder Schwarze genau das gleiche denken und fühlen wie ein anderer Schwarze, weiße Männer sind alle gleich usw. Eigentlich wollten wir doch wegkommen von diesem Schubladendenken. Stattdessen wird der Begriff Rasse wieder eingeführt.
Ich sage euch, diese ganze Genderideologie führt uns, wie eigentlich alle Ideologien, völlig in die Irre.