Rezension Rezension (3/5*) zu Adas Raum: Roman von Sharon Dodua Otoo.

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Eindringlich, aber teilweise zu konstruiert

„Die neuen Grenzen wirkten fließend, mehrdeutig, und als sie nicht mehr zu gebrauchen waren, verpufften sie. Sie wurden gegen andere Grenzen ausgetauscht.“ (Zitat Position 1701)

Inhalt
Ada ist verzweifelt, als ihr Kind im März 1459 kurz nach der Geburt stirbt. Das besondere Perlenarmband, das sie ihrem toten Sohn mitgeben will, macht sich auf eine eigene Reise durch die Jahrhunderte. Es kommt zur Wissenschaftlerin Ada Lovelace, die im März 1848 mit ihrem besonderen Freund Charles Dickens mathematische Formeln diskutiert, während ihr Gatte in Paris weilt. Im besonderen Block 37 im KZ Mittelbau-Dora ist Ada im März 1945 so oft im selben Zimmer, dass es den Namen „Adas Raum“ trägt und in genau diesem Zimmer liegt das Perlenarmband plötzlich auf dem Boden. Ada, Augusta Adaune Lamtey, ist dreiundzwanzig Jahre alt, als sie 2019 aus Ghana nach Berlin kommt, um hier zu studieren. Sie wohnt bei ihrer jüngeren Halbschwester, ist aber auf Wohnungssuche, freut sich auf ihr Baby. In einem Ausstellungskatalog entdeckt sie das Foto eines ungewöhnlichen Armbandes, dreiunddreißig Perlen, Fünfzehntes Jahrhundert, Westafrika, und damit schließt sich das Netz aus Schicksalsschleifen.

Themen und Genre
Der Roman handelt von Frauen, Frauen als Mütter, Freundinnen und Schwestern, auch im übertragenen Sinn. Themen sind Gewalt, Unterdrückung, Diskriminierung, aber auch Stärke, Zusammenhalt und die Suche nach Unabhängigkeit.

Charaktere
Ada, das ist die Summe aus vier Adas in vier unterschiedlichen Epochen, sie steht für die Summe von möglichen Frauenleben im Lauf der Geschichte. Die Übergänge erfolgen rasch, manchmal innerhalb eines Satzes, und so erfahren wir durch das jeweilige Umfeld und die Situation zwar mehr über die entsprechende Ada, gleichzeitig bleibt sie dadurch als Figur auf Distanz.

Handlung und Schreibstil
Die vier Geschichten, in deren Mittelpunkt jeweils eine Ada steht, spielen in unterschiedlichen Jahrhunderten, wobei die Grenzen fließend sind. Die Autorin selbst spricht von Schleifen und ähnlich verknüpfen sich einzelne Situationen, um sich dann, oft mitten im Satz, wieder zu lösen und in die nächste Episode in einem anderen Jahrhundert zu gleiten. Nur das etwas wirre und sehr konstruierte Ende überzeugt mich nicht, Schleifen sind luftig und in Bewegung, wenn man sie bewusst verknüpft, verlieren sie die Leichtigkeit. Die Grundzüge des Settings bleiben in allen vier Geschichten ähnlich, Hausnummern, wie Personen, familiäre Beziehungen und Namen. Lässt die Autorin zunächst jede Ada in der Ich-Form erzählen, wechselt sie rasch zu einem zeitlosen, geistigen Erzähl-Ich, das zu einzelnen Gegenständen wird und so die Ereignisse als Kehrbesen, Türklopfer oder Reisepass schildert, versucht, das Geschehen zu lenken und allwissend kommentiert. Dieses im philosophischen Sinn übergeordnete geistige Ich hat durchaus auch Humor, was zu skurrilen Dialogen führt. Die klare, gerade Sprache des Romans schildert und kann alles zwischen sehr kurzen und eindrucksvoll langen Sätzen, auch Metaphern werden bewusst eingesetzt.

Fazit
Ein Roman mit zeitlos aktuellen, politischen und sozialkritischen Themen, geschrieben in einer klaren, geraden Sprache. Unterschiedliche interessante Erzählformen schildern ein ebenso vielschichtiges Bild von Frauenschicksalen. Doch dieses deutlich ambitionierte Bemühen im Sinne der Kriterien der zeitgenössischen Literaturwissenschaften wird für mich teilweise zu offensichtlich und der Roman dadurch zu konstruiert – diese Perfektion ist zu gewollt, es fehlt die Seele.