Wie fange ich an? Die Geschichte ist dabei, mich zu verlieren. Warum ist das so? Für mich tritt in diesem Abschnitt alles auf der Stelle. Selbstverständlichkeiten werden durch Schweigen und daraus resultierendes Interpretieren problematisiert. Es wird sehr viel eigengebrödelt. Bislang fand ich das noch norddeutsch-charmant, jetzt sprengt es den Rahmen.
Hannes hat Angst um seine Mutter.
Wie ich bereits erläuterte, halte ich die Ehe seiner Eltern nicht für glücklich. Wie oft hat die Mutter geweint, wie oft hat sie der Zwist bei Tisch gequält, wie sehr hat sie unter dem Alkohol gelitten? Das ist jetzt alles weggewischt. Sie trauert. Sie schweigt. Sie sammelt Tabletten (Wofür? Wir wissen es nicht
). Sie mag den Lehrer, will aber keine neue Beziehung. Interpretiert der Sohn lang und bräsig. Geht es da jetzt schon drum? Baut Hannes da nicht einen immensen Druck auf? Es reicht doch, wenn Muttern mal wieder lacht, andere Gedanken hat? Würde sich ein Sohn da wirklich so reinsteigern und kuppeln? Lieber sollte Hannes selbst mal die Initiative ergreifen und seine Mama ablenken oder mit etwas erfreuen.
Lehrer Govinski öffnet sich, erzählt von der verlorenen Heimat, beichtet seinen Verlust und seinen Schmerz. Das ist sicherlich ein Anfang. Es ist wünschenswert, dass die beiden sich finden, aber die Halbgarheiten in diese Richtung haben mich gelangweilt. Ich hätte nicht bei jedem Kaffeetrinken dabei sein müssen.
Außerdem ist mir die Erklärung für des Vaters launisches, brutales Wesen zu dünn: Er war im Krieg und er hat seine Mutter früh verloren. Aha. Das entschuldigt es, den Sohn fast krankenhausreif zu schlagen....
[zitat]Erst jetzt wurde das alles klarer, wo es zu spät war. Der Vater war zu früh gestorben. Viel zu früh. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er ihn besser verstanden hätte, und vor allem rechtzeitig. S. 322[/zitat]
Diese Gedanken finde ich nicht authentisch. Jugend hin und Jugend her.
Hannes hat Angst um Mara.
Mara ist ein junges Mädchen, das im Begriff steht, sein Elternhaus, seinen Status, seine Welt zu verlieren. Trotzdem zeigt sie sich als Hannes Seelenverwandte zumeist so unbeschwert, dass man es kaum glauben kann. Tatsächlich: nach vielen Besuchen, Gesprächen,.... kommt Hannes dem großen Geheimnis auf die Spur: Mara hat Ängste, die sie zum Teil dermaßen an den Boden drücken, dass sie nur noch im dunklen Zimmer liegen will (Depressionen?). Inka eröffnet Maras große Angst, so zu werden wie ihre Mutter
, nämlich irre. Ganz schön viel Theatralik. Es hat ewig gedauert, bis wir das erfahren haben...
Ebenso haben mich Hannes Gedanken gelangweilt, wie er über Maras Hochzeit mit einem reichen Bauern spekuliert. Das ist so konventionell. Schön, dass Vater von Heesen solche Gedanken nicht hat. Mara soll jemanden heiraten, den sie mag. Schön.
Die Szenen, in denen Mara und Hannes sich näher kommen, haben mir gefallen. Es fällt allerdings auf, dass nur Mara die Initiative ergreift. Das wiederum wundert mich. Da müsste doch der ruhigste 16-jährige aufwachen und eigene Interessen entwickeln?
Hannes hat Angst um Thies.
Thies sucht sich die falschen Freunde. Hannes versucht, politische Themen zu meiden. Trotzdem schwelt das Thema zwischen ihnen. Warum ist Thies bei den Radikalen gelandet? Wegen seiner kranken Schwester. Weil er sauer ist, dass die Familie nicht das Geld hat, sie in eine Lungenheilanstalt zu geben. Okay. Die sterbende Schwester ist ein Motiv, aber es überzeugt mich nicht vollends.
Hannes ist entsetzt, dass sein Freund in einen Vorfall verstrickt ist, bei dem es 2 Tote bei einer Lederfabrik gegeben hat. Diese Tatsache scheint auch den sonst sensiblen Thies nicht zu berühren.
Nachdem mich die erste Hälfte des Buches doch alles in allem gut unterhalten hat und ziemlich genau in der Mitte der harte Sturm über das Land fegte, hatte ich für diesen Teil mehr erwartet. Er bestand aber überwiegend aus Schweigen und Rätseln, was andere wohl denken, wollen oder tun. Hannes ist der Mittler, der viel unterwegs ist (wie schafft er das neben seinen Pflichten am eigenen Hof?) und seine Gesprächspartner oft nicht antrifft, um ihnen dann doch noch iwo zu begegnen...
Zwei Mädchen werben zudem um ihn. Beide ergreifen die Initiative, während er passiv zuschaut.
Da muss jetzt noch was kommen. Etwas Überraschendes. Sonst bin ich wirklich enttäuscht.
Das Setting, die Landschaft, die Dohle und sonstigen Flugtiere passen zum Roman.