Rezension Rezension (5/5*) zu Die letzte Analyse: Ein Fall für Kate Fansler von Cross.

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28. Oktober 2019
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Baden Württemberg
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Außergewöhnlich, schlüssig und spannend - lesen lohnt sich!

New York in den 1960-er Jahren.

Captain Stern von der Kriminalpolizei sucht die Literaturprofessorin und Doktorin der Philosophie Kate Fansler in ihrem Büro in der Universität auf.

Er will von Kate, die in ihrer Freizeit mit großer Leidenschaft Kriminalromane liest und sich gern als Hobbydetektivin betätigt, wissen, wie sie den gestrigen Vormittag verbracht hat.
Außerdem teilt er ihr mit, dass ihre ehemalige Studentin Janet Harrison ermordet wurde.

Captain Stern erzählt Kate, dass Janet auf der Behandlungscouch in der Praxis des Psychoanalytikers Dr. Bauer mit einem seiner Küchenmesser ermordet worden ist.

Kate kann nicht umhin, sich detailliert für den Fall zu interessieren.
Sie möchte ihrem Freund Dr. Emanuel Bauer, einem früheren Liebhaber, dem sie nie und nimmer einen Mord zutraut, helfen und die Psychoanalyse davor bewahren, in schlechten Ruf zu geraten.
Außerdem betätigt sie sich ohnehin gerne als Amateurdetektivin und vor allem fühlt sie sich verantwortlich und schuldig.
Immerhin hat sie die junge Frau zu Emanuel geschickt!

Die 30-jährige Janet hatte Kate nämlich vor einigen Monaten gefragt, ob sie ihr einen Psychoanalytiker empfehlen könnte und Kate hat ihr daraufhin die Kontaktdaten von Dr. Emanuel Bauer genannt.

Kate besucht die Bauers, beide inzwischen gute Freunde, und befragt erst Nicki, die Ehefrau von Emanuel ausführlich zu den Geschehnissen und dann Emanuel selbst.
Sie rekonstruiert so den Tag, an dem der Mord auf der Couch geschah.
Mit Hilfe von Reed, einem befreundeten stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt, der ihr noch einen Gefallen schuldet und mit Hilfe ihres künftigen Neffen Jerry, der plant, die Law School zu besuchen, macht sie sich an die Arbeit, um ihren Freund Emanuel zu entlasten und den währen Täter zu finden. Sie scheut dabei weder Zeit- noch Geldaufwand und vernachlässigt zeitweise sogar ihre Aufgaben an der Universität.

Dieser thematisch ganz besondere Kriminalroman, der im New York der 1960-er Jahre spielt und in dessen Mittelpunkt eine Analysecouch steht, hat mich äußerst gut unterhalten.

Ich war von Anfang an neugierig und gespannt und gegen Ende nahm die Geschichte nochmal deutlich an Fahrt auf.
Zwischendurch war ich ratlos, hatte ich Ideen und wurde ich auf falsche Fährten gelockt.

Die 1926 in New Jersey geborene Amanda Cross, eigentlich Carolyn Gold Heilbrun, hat ausgesprochen gut recherchiert und erwähnt Details, die den Rahmen der Geschichte glaubhaft machen.

Bereits auf den ersten Seiten erwähnt sie die strengen Regularien psychoanalytischer Institute und geht en passant auf Behandlungskriterien und Indikationen für psychoanalytische Sitzungen ein.
Sie wendet Fachbegriffe wie „Übertragung“ korrekt an und kennt viele Regeln und Gepflogenheiten der Psychoanalyse, z. B., dass die „Patienten nicht das geringste über das persönliche Leben ihres Analytikers wissen sollten“ (S. 31) und dass eine Sitzung 50 Minuten dauert (S. 40).

Sie weiß auch um die Notwendigkeit eines Schallschutzes und wie man prüft, ob er wirkt. An dieser Stelle musste ich schmunzeln, weil ich, ebenfalls Psychoanalytikerin, das in meiner Praxis ganz genauso gemacht habe ;-)

Dass sie ganz nebenbei auf Seite 37 f. erklärt, was eine Angststtacke ist und einige Seiten später kurz über die Bedeutung des Ausfallshonorars schreibt, macht den Text, wie all das andere, das ich erwähnt habe, authentisch und glaubhaft.

Für Leser, die im Bereich der Psychoanalyse nicht so versiert sind, ist es interessant und informativ, zu erfahren, dass in Amerika die Psychoanalyse ganz klar der Psychatrie zugeordnet wird, dass jeder Psychoanalytiker dort Psychiater ist und dass in Amerika eine Psychoanalyse selbst bezahlt werden muss (wohingegen in Deutschland auch Psychologen und Ärzte anderer Fachrichtungen Psychoanalytiker werden können, die Psychoanalyse kein Teil der Psychiatrie ist und eine psychoanalytische Therapie in Deutschland Kassenleistung ist).

Auf Seite 19 schreibt sie: „Ich habe Leute davon reden hören, wenn auch nur halb im Scherz, dass Eltern heute für die Analyse ihrer Kinder sparen wie früher für deren College-Erziehung.“ - Das ist hier in Deutschland glücklicherweise nicht nötig!

Amanda Cross bietet dem Laien neben einem spannenden, nicht brutalen und unblutigen Plot einen guten, interessanten und informativen Einblick in die Welt der Psychoanalyse und macht ihn ein wenig mit ihrem Urvater Sigmund Freud bekannt.
All diese Informationen streut sie unaufdringlich und unterhaltsam ein.

Die Autorin hat einen originellen, fantasiereichen, aber stimmigen und schlüssigen Kriminalroman um die leidenschaftlich engagierte, kreative, fantasievolle, schlagfertige, belesene und scharfsinnige Hobbydetektivin Kate Fansler komponiert.
Die Gespräche zwischen den Protagonisten sind spritzig und strotzen vor Lebendigkeit, Ironie, Witz und Humor.

„Die letzte Analyse“ ist sicherlich kein literarisches Highlight, aber ein äußerst unterhaltsamer, informativer, spannender, raffinierter und außergewöhnlicher Kriminalroman mit nachvollziehbaren und logischen Schlüssen!



 

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