Rezension Rezension (3/5*) zu Unter Wasser Nacht: Roman von Kristina Hauff.

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Buchinformationen und Rezensionen zu Unter Wasser Nacht: Roman von Kristina Hauff
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Trauer, Schuld und Neid

Der Roman "Unter Wasser Nacht" mit einem so herausragenden Cover, dem Handlungsort Wendland und einem so interessant klingenden Titel stand in diesem Frühjahr weit oben auf meiner Leseliste, ist mir doch ein wunderschöner Fahrradurlaub im Mai 2020 mit Quartier nahe Gorleben und der traumhaften Elbe noch frisch im Gedächtnis. Für zumindest zwei der Protagonisten ist jedoch die Elbe Hassobjekt:

"Er [Thies] wollte Edith nicht begegnen. Wenn es jemanden gab, der den Fluss noch mehr hasste als er, dann war sie es, die Fährfrau wider Willen. Er wollte ihre stummen Blicke nicht ertragen. Nicht wissen, was sich dahinter verbarg. Unausgesprochenes. Es ging ihm schlecht genug." (S. 7)

Abschied von Bullerbü
Thies und seine Frau Sophie haben vor gut einem Jahr ihren Sohn Aaron verloren. Zwei Tage nach seinem Verschwinden wurde er tot in der Elbe gefunden, die Umstände liegen im Dunkeln. Thies und Sophie entfernen sich seither in ihrer Trauer und ihren Schuldgefühlen immer mehr voneinander, leben in getrennten Welten. Auch die Freundschaft zu ihren Nachbarn Inga und Bodo mit den Kindern Lasse und Jella, alte Mitstreiter aus ihrer Vergangenheit als politische Aktivisten gegen die Castor-Transporte, ist daran zerbrochen.

Aus der Bullerbü-Idylle der beiden Familien wurde blanker Neid Sophies auf das scheinbar perfekte Leben der anderen. Dabei war auch vorher nicht alles gut, denn das Wunschkind Aaron terrorisierte, seit er laufen konnte, alle mit seinem Hass, seinen Aggressionen und seiner Wut.

Gerade als die Ermittlungen der Polizei eingestellt werden, taucht die mysteriöse Mara aus Christiania auf, eine Frau Ende vierzig, selbstbewusst, attraktiv, unkonventionell, lebendig. Thies fühlt sich vom ersten Moment magisch zu ihr hingezogen, aber auch auf Sophie, Inga und Jella macht sie großen Eindruck. Nur Ingas Mutter Edith, die Fährfrau, reagiert schroff. Noch ahnt keiner, wie sie aller Leben auf den Kopf stellen wird.

Ein Roman mit Schwächen
Kristina Hauff, die unter ihrem wirklichen Namen Susanne Kliem bereits mehrere Krimis veröffentlichte, überschreibt die kurzen Kapitel mit der Person, aus deren Sicht erzählt wird, bei Rückblenden ergänzt durch eine Zeitangabe. Zweiundzwanzig Kapitel heißen „Sophie“, zwölf „Thies“, acht „Inga“, drei „Jella“ beziehungsweise „Edith“ und eines „Mara“.

Leider nahm meine anfängliche Freude während des Lesens zunehmend ab, zumal die Auflösung irgendwann absehbar wurde. Hauptgründe dafür waren die die auf mich unecht wirkenden Dialog und die Charaktere, die mir zu eindimensional (Aaron), zu konstruiert (Mara) oder zu unverständlich in ihrem Verhalten (Thies und Jella) waren. Außerdem störten mich Ungenauigkeiten und Fehler, die ich so bei einem Buch aus dem Hanser Verlag nicht kenne: Da wird beispielsweise eine Hündin am „Armband“ gezogen (S. 156), „Hausbesetzerfreunde“ werden zu „Hausbesitzerfreunden“ (S. 228), die Kapitelüberschriften heißen mal „Dreizehn Monate zuvor“ (S. 127), mal „Vor 13 Monaten“ (S. 202) und Mara liegt, nur mit einem Slip bekleidet, auf einem Bett (S. 281), um sich kurz darauf T-Shirt und Hose auszuziehen (S. 284). Schade, denn die Grundidee des Buches ist gut, die Autorin hat zur Vergangenheit der Protestbewegungen recherchiert, hat Zeit im Wendland verbracht und viele Naturbeschreibungen, vor allem des Wassers, sind gelungen. Wer sich an den genannten Kritikpunkten also nicht stört, kann sich bei der Lektüre sicher gut unterhalten.

 

RuLeka

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30. Januar 2018
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de dafür waren die die auf mich unecht wirkenden Dialog und die Charaktere, die mir zu eindimensional (Aaron), zu konstruiert (Mara) oder zu unverständlich in ihrem Verhalten (Thies und Jella) waren.
Darüber ließe sich in einer Gesprächsrunde sicher gut streiten ( ich habe das nicht so empfunden)
Hausbesetzerfreunde“ werden zu „Hausbesitzerfreunden“ (S. 228),
bei solchen Dingen springt bei mir die Autokorrektur an
Ich habe den Roman sehr gerne ( unkritischer ) gelesen, verstehe aber Deine Einwände.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich musste nicht rezensieren und bin froh darüber;)
Mich hat der Roman auch nicht begeistert, dennoch habe ich ihn gern gelesen. Ich verstehe jetzt noch besser, warum deine Familie dich als Lektorin einsetzt;) - all die genannten Fehler habe ich nicht bemerkt!
(Es ist auch nur die kleine Schwester vom Hanser:Hanser blau).
Hauptgründe dafür waren die die auf mich unecht wirkenden Dialog und die Charaktere, die mir zu eindimensional (Aaron), zu konstruiert (Mara) oder zu unverständlich in ihrem Verhalten (Thies und Jella) waren.
Das ist es genau, was mich gestört hat: Aaron war nur böse. So etwas gibt es nicht. Bosheit fällt nicht vom Himmel. In diesem gezeigten Umfeld kann ein Kind nicht dermaßen entgleisen. Und Mara! Nach und nach enthüllt sich ihr "Geheimnis", sie taucht ab, ist wieder da... Wovon lebt die Frau?! Mich hst sie mit ihrer Neunmalklugheit genervt nach einer Weile. Thies, der ihr hinterher dackelt...
Aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der Inhalt nach ein paar Monaten und viele Bücher später wieder so aufersteht:D
Alles sehr konventionelle Unterhaltung. Ich hätte wohl vier Sterne gezückt, weil Ich es in Summe gern gelesen habe.
 

RuLeka

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Aaron war nur böse. So etwas gibt es nicht. Bosheit fällt nicht vom Himmel.
Wir erleben Aaron ja nicht mehr als lebendes Kind, sondern nur in der Erinnerung. Und da haben bei den Protagonisten die negativen Eigenschaften überwogen, bei den Eltern aus Enttäuschung und aus dem Schuldgefühl heraus, versagt zu haben, bei anderen, weil sie ihn vorrangig so erlebt haben.
Ich habe das Buch positiver beurteilt, weil ich garnicht von einem besonders literarischen Anspruch ausging. Es ist für mich ein gut gemachter Unterhaltungsroman, der mich gepackt hat, dessen Figuren mir , manche mehr, andere weniger, nahegingen.
Aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der Inhalt nach ein paar Monaten und viele Bücher später wieder so aufersteht
Genau!
 
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Barbara62

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Ich musste nicht rezensieren und bin froh darüber;)
Mich hat der Roman auch nicht begeistert, dennoch habe ich ihn gern gelesen. Ich verstehe jetzt noch besser, warum deine Familie dich als Lektorin einsetzt;) - all die genannten Fehler habe ich nicht bemerkt!
(Es ist auch nur die kleine Schwester vom Hanser:Hanser blau).

Das ist es genau, was mich gestört hat: Aaron war nur böse. So etwas gibt es nicht. Bosheit fällt nicht vom Himmel. In diesem gezeigten Umfeld kann ein Kind nicht dermaßen entgleisen. Und Mara! Nach und nach enthüllt sich ihr "Geheimnis", sie taucht ab, ist wieder da... Wovon lebt die Frau?! Mich hst sie mit ihrer Neunmalklugheit genervt nach einer Weile. Thies, der ihr hinterher dackelt...
Aber es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der Inhalt nach ein paar Monaten und viele Bücher später wieder so aufersteht:D
Alles sehr konventionelle Unterhaltung. Ich hätte wohl vier Sterne gezückt, weil Ich es in Summe gern gelesen habe.

Vielleicht hätte ich auch vier Sterne gegeben, wenn ich nicht so viele Fehler gefunden hätte. Fehlende Sorgfalt stört mich einfach, das muss nicht sein. Es ist klar, dass ab und zu ein Fehler nicht zu vermeiden ist, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber gleich so viele?

"Konventionell" trifft es perfekt.

Ich konnte weder den Charakter von Aaron glauben, noch das Schweigen von Jella. Ich weiß, dass Kinder sich unter Druck setzen lassen, aber mir wurde nicht klar, womit der jüngere Aaron sie so bedrohen konnte. Sie wusste, dass ihre Mutter nichts von Aaron hält, warum also schweigen? Und dass die Eltern nicht gemerkt haben, dass Jella ständig abends wegging und sich massiv veränderte, kann ich mir absolut nicht vorstellen.
 
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RuLeka

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Und dass die Eltern nicht gemerkt haben, dass Jella ständig abends wegging und sich massiv veränderte, kann ich mir absolut nicht vorstellen.
Vielleicht wollte die Autorin hier zeigen, dass auch in Bilderbuchfamilien nicht alles rund läuft. Die Eltern waren es vielleicht gewohnt, dass ihre Kinder sich, im Gegensatz zu Aaron, wunderbar entwickeln und es entging ihnen, dass es da unter der Oberfläche einiges im Argen liegt.
 

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