1. Leseabschnitt: Herbst 2015 und 1982 - 1994 (Beginn bis Seite 54)

Xirxe

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19. Februar 2017
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Das ist vielleicht so gewollt, stört mich aber ein bisschen.
Dazu gibt es eine Erklärung am Ende, habe ich gelesen. Halte also durch und Du wirst damit versöhnt werden ;)
Am meisten hat es mich aber erstaunt, wie gerade die Einhaltung der althergebrachten frauenfeindlichen Regeln von den Frauen überwacht und geradezu eingefordert werden.
Wirklich? Aber das ist doch fast überall so. Frauen sind leider in fast allen Teilen der Welt noch immer überwiegend verantwortlich für die Erziehung der Kinder und könnten daher am ehesten etwas daran ändern - so wie es JiYoungs Mutter macht. Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter Mitte der 70er meinte, ich müsse doch nicht aufs Gymnasium, für Mädchen reiche doch die Realschule ...
Die angesprochenen Personen wechseln fast in jedem Satz und so musste ich sehr genau hinschauen, oder zweimal lesen, wer jetzt was gemacht und was gesagt hat.
Das geht mir ähnlich, weil mir die Namen überhaupt nicht geläufig sind. Ich muss wohl öfter Bücher aus Korea lesen ;)
Heute gibt es noch das Internet. Damit ist es viel leichter.
Und gleichzeitig schwerer. Einerseits kannst Du Dir Unterstützung suchen, andererseits bist Du auch ratzfatz einem Shitstorm ausgesetzt, wenn Dich Leute auf dem Kieker haben.

Mir gefällt dieser erste Leseabschnitt bisher auch sehr gut. Da ich in einer Rezension gelesen habe, was es mit diesem nüchternen Schreibstil auf sich hat, stört er mich nicht weiter - ansonsten ist er vermutlich Gewöhnungssache.
Was hier beschrieben steht, ist leider in fast allen Teilen der Welt noch immer Alltag - manchmal mehr, manchmal weniger ausgeprägt. Auch wenn unser persönliches Umfeld vermutlich eher nicht in diese Richtung geht, gibt es in Deutschland noch viele Familien, bei denen diese latente Benachteiligung gang und gebe ist. Mädchen lernen Kochen, Handarbeiten und bekommen Puppen (Babyersatz) - ihre Selbstverwirklichung können sie dann beim Schminken, Frisieren und Klamottenkauf ausleben, in besseren Kreisen wären es Kunst, Musik und Tanz ;) Ich habe so manches Mal den Eindruck, dass sich das Rad der Emanzipation in Teilen wieder rückwärts dreht, Gendern hin, Gendern her.
Gleich am Anfang war mir mal wieder klar, wieso ich so gerne Bücher aus anderen Ländern lese: Man erfährt so viel Neues, was in keiner Zeitung steht. Oder wusstet ihr das schon vorher mit der Zählung der Geburtstage?
Und jetzt lese ich gleich mal den 2. Teil :reader5
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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kühle und nüchterne Schreibstil, der mich eher an einen Bericht als an ein literarisches Werk erinnert. Das ist vielleicht so gewollt, stört mich aber ein bisschen.
Das ist auch mein Eindruck, dadurch lese ich die Geschichte interessiert, aber distanziert. Ungewöhnlich in einem fiktiven Roman sind die Fußnoten, die das Erzählte „belegen“ und aus realen (?) Zeitungsartikeln bzw. Aufsätzen stammen.
Nichtsdestotrotz gefällt sie mir. Ich glaube auch nicht, dass die Protagonistin absichtlich in fremde Rollen schlüpft, aber das werden wir sehen.

Gleich am Anfang war mir mal wieder klar, wieso ich so gerne Bücher aus anderen Ländern lese: Man erfährt so viel Neues, was in keiner Zeitung steht
Das hast du schön gesagt. Dem kann ich nur zustimmen.
.
 

Renie

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Ich habe völlig vergessen, warum ich mich zu dieser LR angemeldet habe. Daher wusste ich auch nicht mehr, worum es in diesem Roman geht. Umso größer war der Überraschungseffekt. Denn mit der ersten "vorübergehenden Mutation" von Jiyoung zur eigenen Mutter hatte mich die Autorin. Diese erste Mutation habe ich noch als humoristische Einlage einer Ehefrau betrachtet, die ihren Ehemann unterhalten will. Doch mit jeder folgenden Mutation wurde das Ganze schräger. Und ich mag schräg. Die pikierten Reaktionen ihrer Sippe sind unbezahlbar :).
Mich würde interessieren, wie Jiyoung ihre Anwandlungen wahr nimmt. Doch das würde wahrscheinlich einen Hinweis darauf geben, warum diese Mutationen passieren. Von "bewusster Methode" bis hin zu "unbewusst und unkontrollierbar" ist alles möglich.

Hochinteressant ist für mich die abwertende Einstellung der südkoreanischen Gesellschaft hinsichtlich Frauen. Da steckt doch einiges an Zündstoff in diesem Roman.
Nach dem ersten Leseabschnitt finde ich es schade, dass der Roman so kurz ist. Denn die Zeilen fliegen nur so dahin. Hoffentlich hält der Roman sein Anfangsniveau.
 

Wandablue

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Renie

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Nach dem ersten LA verstehe ich diesen Roman nicht nur als Darstellung der Situation der Frauen innerhalb der Gesellschaft, sondern auch als Bloßstellung der Männer. Das starke Geschlecht wird nicht als stark sondern als Muttersöhnchen, dumm und faul dargestellt. Der einzig Starke war für mich bisher der Lehrer, der sich völlig unerwartet bei Jiyoung entschuldigt hat, dass er sie angeprangert hat, den Pantoffel durch die Klasse zu kegeln. Und sogar noch den eigentlichen Verursacher bestraft hat.
 

Emswashed

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ich finde es gar nicht trocken. Ich freue mich, dass all die gefühlstriefenden Adjektive fehlen und wir eine zügig voranerzählte Story haben.

Muss ja nicht gleich so krass werden, aber ein paar eigene Gedanken, oder Tränen wären nett gewesen. Aber hier verkenne ich wahrscheinlich wieder total die asiatische Kultur.

Ich finde es eigentlich extrem gut gemacht. Es liest sich mit einer Absolutheit und Authentizität ohne "als ob".

Für 2015 kann ich Dir zustimmen, für den zweiten Teil eher weniger.

Allerdings vermeidet sie den Konflikt mit ihrem Mann und später mit der Schwiemu. Misuk ist eine Füchsin

Wahrscheinlich die einzige Art, in diesem System bei Verstand bleiben zu können.

Aber das ist doch fast überall so. Frauen sind leider in fast allen Teilen der Welt noch immer überwiegend verantwortlich für die Erziehung der Kinder

Stimmt auch wieder. Und wie ich jetzt ja auch mitbekommen habe, versucht zumindest Jis Mutter mit ihrer Art des geringsten Widerstandes etwas zu ändern.

Man erfährt so viel Neues, was in keiner Zeitung steht. Oder wusstet ihr das schon vorher mit der Zählung der Geburtstage?

Stimmt! Hatte ich über all meine Aufrgeung schon fast wieder vergessen. Vielleicht ist das sogar der Schlüssel zur Aufklärung meiner weiteren Missverständnisse.... die vollkommen andere Auffassung der Gegebenheiten?

Ungewöhnlich in einem fiktiven Roman sind die Fußnoten, die das Erzählte „belegen“ und aus realen (?) Zeitungsartikeln bzw. Aufsätzen stammen.

Vielleicht rechnete die Autorin mit Angriffen aus der Öffentlichkeit, sie hätte übertrieben, oder ähnliches.
 

Wandablue

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Brandenburg
Aber hier verkenne ich wahrscheinlich wieder total die asiatische Kultur.
Das wissen wir nicht.
Ich kann mich an einen alten japanischen Roman erinnern, der war ganz anders, behutsam, sanft, man konnte sich völlig in die Figuren hineinstürzen.


Sie können durchaus auch anders. Es ist wohl mehr die moderne Art zu schreiben, denken und zu erzählen. Die modernen Erzählungen sind auch bei uns oft in einem harten Ton gehalten. (Mir fällt gerade kein Beispiel ein, typisch). Sehr nüchtern. Na ja, vllt das da:

 

Literaturhexle

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Ich kann mich an einen alten japanischen Roman erinnern, der war ganz anders, behutsam, sanft, man konnte sich völlig in die Figuren hineinstürzen.
Ich habe den Eindruck (nach den wenigen Büchern, die ich Ais Korea und Japan gelesen habe - also ohne Gewähr), dass man beide Länder nicht verquicken darf. Erst vor kurzem las ich "Der Klang der Wälder " aus Japan, auf den deine Beschreibung genau passt.
Die Koreaner sind verstörender, experimenteller und ganz anders.
 

Sassenach123

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Das Buch nimmt mich mit, wenn ich auch zugeben muss, dass mich die Namen verwirren. Es fällt mir leider etwas schwer, aber es wird bereits deutlich besser.
Jiyoungs Verhalten ist besorgniserregend, und stellt auch ihren Mann vor große Probleme. Ich weiß jetzt nicht wie es dort mit psychischen Problemen aussieht. Aber wenn es so ist wie teilweise immer noch in Deutschland, könnte die Akzeptanz der Familienmitglieder gering sein. Schwierig ist es zusätzlich, weil ihr Mann nicht vorhersehen kann, wann es wieder zu so einer Episode kommt. Ob es mit ihren Erfahrungen zusammenhängt, wird sich zeigen.
Generell weiß ich über die Situation der Frauen Bescheid, es hier zu lesen ist aber emotional etwas anders. Manchmal möchte ich mir lautstark Luft machen über soviel Ungerechtigkeit. Ich kann gut verstehen, warum es zur Zeit in aller Munde ist
 

Sassenach123

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Nach dem ersten LA verstehe ich diesen Roman nicht nur als Darstellung der Situation der Frauen innerhalb der Gesellschaft, sondern auch als Bloßstellung der Männer. Das starke Geschlecht wird nicht als stark sondern als Muttersöhnchen, dumm und faul dargestellt. Der einzig Starke war für mich bisher der Lehrer, der sich völlig unerwartet bei Jiyoung entschuldigt hat, dass er sie angeprangert hat, den Pantoffel durch die Klasse zu kegeln. Und sogar noch den eigentlichen Verursacher bestraft hat.
Wenn die Autorin nicht übertreibt, sind es in den meisten Fällen wohl tatsächlich Muttersöhnchen. Obendrein erlangten viele ihre akademischen Grade und gut bezahlten Jobs auf dem Rücken der schwer arbeitenden Schwestern. Schlimm
 

RuLeka

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Gleich am Anfang war mir mal wieder klar, wieso ich so gerne Bücher aus anderen Ländern lese: Man erfährt so viel Neues, was in keiner Zeitung steht.
Ich finde diese Reisen durch Literatur auch immer sehr spannend und ich denke, man bekommt so einen differenzierteren Blick auf das Land als so mancher Tourist. Erst Kamtschatka, nun Korea...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Das starke Geschlecht wird nicht als stark sondern als Muttersöhnchen, dumm und faul dargestellt.
Umso trauriger, dass sie es trotzdem in Führungspositionen schaffen und strahlend an den Frauen vorüberziehen, die eigentlich klüger und besser geeignet wären.
Und wie ich jetzt ja auch mitbekommen habe, versucht zumindest Jis Mutter mit ihrer Art des geringsten Widerstandes etwas zu ändern.
Wenn man Jis Mutter mit ihrer Schwiegermutter vergleicht, wird deutlich, wie weit sie sich schon von der alten Rolle entfernt hat, zumindest vom Bewusstsein her. Die Schwiegermutter ist ja noch völlig im alten Denken verhaftet.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Was mir hier auch gefällt, ist dass wir immer mal wieder Informationen zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation des Landes bekommen. So z.B. den Wandel vom Agrarstaat zu einer Industrienation und welche Auswirkungen das auf das private Leben hatte.
Oder wenn ich lese, dass es an der Grundschule zwischen elf und fünfzehn Parallelklassen gab mit jeweils an die fünfzig Schüler. Unvorstellbar!
Schön zu lesen, dass es die Mädchen in der Schule
wagen, sich immer mal wieder gegen die Ungerechtigkeiten aufzulehnen.
Obwohl die Schülerinnen besser waren als ihre Mitschüler, wurden immer wieder die Jungs Klassensprecher. Das erinnert mich an die Elternabende, die ich erlebt habe, als meine Kinder zur Schule gingen. ( Ist schon eine Weile her.) Obwohl vorrangig Mütter die Elternabende besuchten, wurden oft die ein oder zwei anwesenden Männer Elternvertreter. Später hat sich das etwas geändert und mittlerweile sieht die Situation wohl anders aus.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Ihr seid diesmal sehr viel schneller gewesen als ich. Ich komme erst jetzt dazu, etwas zu m 1. LA zu schreiben.
Auf einen Aspekt möchte ich noch hinweisen. Das Frauenschicksal , das die Autorin hier erzählt macht den Eindruck, zwar einerseits gestehende Strömungen und Charakteristiken der koreanischen Gesellschaft abzubilden, aber dennoch auch sehr individuell zu sein. Aber es geht Cho Nam-Joo wohl doch sehr deutlich darum, etwas exemplarisches aus ihrem Heimatland hie wiederzugeben. Das zeigen für mich die erstaunlich wissenschaftlich anmutenden Fußnoten, die sie einbaut und die tatsächlich verweisen auf v.a. soziologische und sogar statistische Artikel und Werke. Es geht ihr also wirklich darum, eine Analyse ihrer Heimatgesellschaft abzuliefern.
Dabei langweilt sie aber überhaupt nicht mit trockenen Ausführungen und Erkenntnissen, sondern weiß die wissenschaftlich vorgefundenen oder aufgedeckten Fakten in einer fiktionalen Art sehr lebendig an den Leser zu bringen. Ich lese mit Genuss, Freude und Interesse.