Ich habe den Roman aufgrund eurer Empfehlungen auf meine WuLi gesetzt - und mein Wunsch wurde erhört
Vieles an dem Buch ist einzigartig: Konsequent wird aus den Perspektiven der beiden Kinder erzählt, ohne dabei kindisch zu sein. Nur die Naivität, das Unschuldige, ist zu spüren. So richtig Kind sind sie unter den rauhen Bedingungen wohl auch nie gewesen - sonst wären sie nicht in der Lage mit 9/11 Jahren sich selbst über Wasser zu halten.
Schon während der ersten Seiten hat mich ein Schock ereilt (ich meide Klappentexte): Zuerst der Tod des Babys, dann der Mutter, dann des Vaters.... Alles so realistisch beschrieben, dass ich meinen ersten Kloß im Hals hatte. Die Geschwister wurschteln weiter. Die "Hope" als das einzige Tor zur Außenwelt. Man hat nicht das Gefühl, dass der Beadle ehrlich mit Evered umgeht, aber man weiß es letzten Endes nicht. Vielleicht sind die Zeiten wirklich so hart, dass man sich keine Wohlfahrt leisten kann. Vom Nachbarort erfährt man nur wenig.
Diese komplette Isolation der Kinder empfand ich als bedrückend, auch wenn die Beschreibungen der Naturgewalten, der Jagd (auch da musste ich schlucken, man denke nur an das Bärenkind, dem die Augen weggeschossen werden...), der Nahrungsbeschaffung etc. wirklich herausragend sind.
Immer, wenn sie wieder Besucher hatten, spürte man, wie sie aufblühen, wissbegierig deren Geschichten lauschen und Neues hinzulernen wollen. Ich hatte fest gehofft, dass sich etwas an der grundlegenden Situation der Geschwister ändern würde.... Die Gespräche mit der toten Schwester ließen tief blicken, das Sammeln der Kuriositäten und Naturschätze, diese grenzenlose Einsamkeit. Das alles schmerzte mich beim Lesen.
Dass die aufkeimende Sexualität einen solch großen Raum einnimmt, hatte ich ebenfalls nicht erwartet. Dennoch war es gut gemacht und beschrieben. Es ist durchaus möglich, dass aus Mangel an Gelegenheit der Bruder/die Schwester Ziel der Triebe wird. Man hat darüber ja schon gelesen. Am Ende die Schwangerschaft. Völlig unwissend sind sie da hinein geschlittert. Die Eltern habe ihre Kinder trotz vorbereitender Krankheit nicht vorbereitet auf den Unbill des Lebens. Das wird der Zeit geschuldet sein, aber auch der Hoffnung, dass man doch überleben wird. Als Mutter/vater wird man den baldigen Tod wegschieben, wenn man die Kinder so schlecht versorgt weiß.
Ich bin also ziemlich deprimiert aus dem Buch ausgestiegen. Wohl wissend, dass es wunderbar geschrieben ist und jede genannte Auszeichnung verdient hat. Aber es ist so traurig. Bis zum Ende bleibt der Autor Realist: Natürlich hat die kleine Martha Fehlbildungen, weil Bungs ja eben nicht der Vater ist... Aber auch diese Zusammenhänge sind den Geschwistern unbekannt. Der Titel "Die Unschuldigen" trifft es sehr genau.
Wie geht/ging es euch damit?