Rezension Rezension (5/5*) zu Unter Wasser Nacht: Roman von Kristina Hauff.

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.527
24.555
49
66
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Vielschichtig und psychologisch stimmig


Die Geschichte hier führt uns ins Wendland, in die malerische Landschaft der Elbauen. Das Wendland steht aber auch für den Widerstand gegen die Atomkraft. Damals, im Kampf gegen das geplante Endlager in Gorleben, waren sie vereint, die Freunde Thies, Botho und Inga. Als Thies später Sophie heiratete und mit ihr zusammen einen Hof kaufte, da bauten Botho und Inga sich nebenan ein Haus . Es war ein „ Leben wie in Bullerbü“, um das sie ihre auswärtigen Freunde beneidete. Doch bald bekam die Idylle erste Risse. Während Sophie und Thies jahrelang vergeblich auf ein Kind hofften, bekamen die Freunde schnell nacheinander einen Sohn und eine Tochter. Als sich dann endlich das ersehnte Wunschkind ankündigte, schien das Glück vollkommen. Aber Aaron erwies sich schon früh als unnahbar, zornig und aggressiv. Mit Schuleintritt entwickelte er sich immer mehr zum Einzelgänger, begann andere Kinder zu schikanieren und lehnte jegliche Nähe ab. Seine Eltern verzweifelten beinahe an ihm. Was hatten sie nur falsch gemacht bei der Erziehung?
Dann passierte das Schreckliche. Aaron, mittlerweile elf Jahre alt, ertrinkt unter ungeklärten Umständen in der Elbe.
Das Geschehen liegt dreizehn Monate zurück, als die Handlung des Romans einsetzt. Die Ehe von Thies und Sophie ist an diesem Schicksalsschlag beinahe zerbrochen. Beide gehen unterschiedlich mit ihrer Trauer um. Thies wurde depressiv und ist seitdem arbeitsunfähig. Er sitzt täglich an der Elbe, sieht die Leiche seines Sohnes vorübertreiben und fragt sich, was an jenem Abend tatsächlich geschehen ist. War es wirklich ein Unfall oder waren andere dabei beteiligt?
Sophie erstickt ihren Kummer und ihre Schuldgefühle in Arbeit.
Auch durch die alte Freundschaft zwischen den Paaren geht ein tiefer Riss. Voller Neid beobachtet Sophie die Bilderbuchfamilie von gegenüber mit ihren perfekten Kindern. Botho und Inga dagegen wissen kaum, wie sie mit dem Unglück ihrer Nachbarn umgehen sollen. Vorsichtige Hilfsangebote stoßen auf wenig Resonanz.
Da taucht eines Tages Mara auf, eine fremde Frau Ende Vierzig. Sie ist schwer zu durchschauen; die Gründe für ihr Kommen bleiben lange unklar. Aber sie wirkt wie ein Katalysator auf die eingefrorene Situation. Sie wird schnell aufgenommen von der Hofgemeinschaft, stellt dann aber unliebsame Fragen, provoziert und bringt so das Beziehungsgefüge durcheinander.
Kristina Hauff erzählt ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Die kurzen Kapitel lassen verschiedenen Figuren zu Wort kommen. So gewinnt der Leser einen genauen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten und kommt ihnen so sehr nahe. Manches erscheint dadurch auch in einem neuen Licht. Nach und nach entwickelt sich das Geschehen, mit z.T. überraschenden Wendungen.
Einmal angefangen mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Subtil baut die Autorin Spannung auf, nicht nur um das Geheimnis um Aarons Tod.
Der Roman stellt viele weitere Fragen, so z.B.
Was macht eine glückliche Familie aus?
Wie lebt es sich weiter mit einem solchen Schicksalsschlag?
Gibt es die Chance auf einen Neuanfang für die Eltern?
Woran zerbrechen Freundschaften und auf welcher Basis lässt sich neu daran anknüpfen?
Kristina Hauff schreibt in einer klaren und präzisen Sprache. Mit viel Empathie entwirft sie Figuren, die glaubhaft und psychologisch fundiert sind. Und mit stimmungsvollen Bildern schafft sie Atmosphäre. Dabei spielt die Landschaft und die Natur eine wesentliche Rolle. Der Fluss, Sinnbild für steten Wandel und Veränderung, wirkt einerseits idyllisch, birgt aber ebenso Gefahren.
„ Unter Wasser Nacht“ ist ein packender und vielschichtiger Roman, dem ich viele Leser wünsche.

 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.883
49
Ich habe mich bewusst um eine Rezension gedrückt, weil man kaum etwas vom Inhalt sagen kann, ohne dass man etwas verrät. Ich z.B. war völlig überrascht, als herauskam, dass Aaron ein schwieriges Kind war. Diese Konstellation macht es ungemein spannend, mal ganz anders, als man es sonst so gewöhnt ist...
Lesenswert auf alle Fälle!
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich habe mich bewusst um eine Rezension gedrückt, weil man kaum etwas vom Inhalt sagen kann, ohne dass man etwas verrät. Ich z.B. war völlig überrascht, als herauskam, dass Aaron ein schwieriges Kind war. Diese Konstellation macht es ungemein spannend, mal ganz anders, als man es sonst so gewöhnt ist...
Lesenswert auf alle Fälle!
Ich habe versucht, nicht zu viel zu verraten. Aber die Ausgangslage war mir schon wichtig.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich habe versucht, nicht zu viel zu verraten. Aber die Ausgangslage war mir schon wichtig.
Deshalb habe ich mich ja gedrückt;)
Das war nicht als Kritik gemeint. Ich hatte keine Verpflichtung und hätte es schwierig gefunden. Die Autorin blättert ja höchst geschickt immer mehr auf...
Man merkt, dass sie aus dem Krimi-Genre kommt.
 

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Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Vielschichtig und psychologisch stimmig



Die Geschichte hier führt uns ins Wendland, in die malerische Landschaft der Elbauen. Das Wendland steht aber auch für den Widerstand gegen die Atomkraft. Damals, im Kampf gegen das geplante Endlager in Gorleben, waren sie vereint, die Freunde Thies, Botho und Inga. Als Thies später Sophie heiratete und mit ihr zusammen einen Hof kaufte, da bauten Botho und Inga sich nebenan ein Haus . Es war ein „ Leben wie in Bullerbü“, um das sie ihre auswärtigen Freunde beneidete. Doch bald bekam die Idylle erste Risse. Während Sophie und Thies jahrelang vergeblich auf ein Kind hofften, bekamen die Freunde schnell nacheinander einen Sohn und eine Tochter. Als sich dann endlich das ersehnte Wunschkind ankündigte, schien das Glück vollkommen. Aber Aaron erwies sich schon früh als unnahbar, zornig und aggressiv. Mit Schuleintritt entwickelte er sich immer mehr zum Einzelgänger, begann andere Kinder zu schikanieren und lehnte jegliche Nähe ab. Seine Eltern verzweifelten beinahe an ihm. Was hatten sie nur falsch gemacht bei der Erziehung?
Dann passierte das Schreckliche. Aaron, mittlerweile elf Jahre alt, ertrinkt unter ungeklärten Umständen in der Elbe.
Das Geschehen liegt dreizehn Monate zurück, als die Handlung des Romans einsetzt. Die Ehe von Thies und Sophie ist an diesem Schicksalsschlag beinahe zerbrochen. Beide gehen unterschiedlich mit ihrer Trauer um. Thies wurde depressiv und ist seitdem arbeitsunfähig. Er sitzt täglich an der Elbe, sieht die Leiche seines Sohnes vorübertreiben und fragt sich, was an jenem Abend tatsächlich geschehen ist. War es wirklich ein Unfall oder waren andere dabei beteiligt?
Sophie erstickt ihren Kummer und ihre Schuldgefühle in Arbeit.
Auch durch die alte Freundschaft zwischen den Paaren geht ein tiefer Riss. Voller Neid beobachtet Sophie die Bilderbuchfamilie von gegenüber mit ihren perfekten Kindern. Botho und Inga dagegen wissen kaum, wie sie mit dem Unglück ihrer Nachbarn umgehen sollen. Vorsichtige Hilfsangebote stoßen auf wenig Resonanz.
Da taucht eines Tages Mara auf, eine fremde Frau Ende Vierzig. Sie ist schwer zu durchschauen; die Gründe für ihr Kommen bleiben lange unklar. Aber sie wirkt wie ein Katalysator auf die eingefrorene Situation. Sie wird schnell aufgenommen von der Hofgemeinschaft, stellt dann aber unliebsame Fragen, provoziert und bringt so das Beziehungsgefüge durcheinander.
Kristina Hauff erzählt ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Die kurzen Kapitel lassen verschiedenen Figuren zu Wort kommen. So gewinnt der Leser einen genauen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonisten und kommt ihnen so sehr nahe. Manches erscheint dadurch auch in einem neuen Licht. Nach und nach entwickelt sich das Geschehen, mit z.T. überraschenden Wendungen.
Einmal angefangen mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Subtil baut die Autorin Spannung auf, nicht nur um das Geheimnis um Aarons Tod.
Der Roman stellt viele weitere Fragen, so z.B.
Was macht eine glückliche Familie aus?
Wie lebt es sich weiter mit einem solchen Schicksalsschlag?
Gibt es die Chance auf einen Neuanfang für die Eltern?
Woran zerbrechen Freundschaften und auf welcher Basis lässt sich neu daran anknüpfen?
Kristina Hauff schreibt in einer klaren und präzisen Sprache. Mit viel Empathie entwirft sie Figuren, die glaubhaft und psychologisch fundiert sind. Und mit stimmungsvollen Bildern schafft sie Atmosphäre. Dabei spielt die Landschaft und die Natur eine wesentliche Rolle. Der Fluss, Sinnbild für steten Wandel und Veränderung, wirkt einerseits idyllisch, birgt aber ebenso Gefahren.
„ Unter Wasser Nacht“ ist ein packender und vielschichtiger Roman, dem ich viele Leser wünsche.


Eine wunderbare Rezension, die Lust darauf macht, das Buch zu lesen. Klingt nach einer Lektüre ganz nach meinem Geschmack!
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Meinst du, man muss wirklich vorher wissen, dass das Kind ertrunken ist? Da ist doch das Erschrecken, das man beim Lesen spürt, nicht mehr gegeben.
Ich versteh schon, was du mit Ausgangssituation meinst, aber man hätte z.B. auch sagen können, "eine familiäre Katastrophe treibt den einen in eine Depression". Deswegen besuchen wir doch die Diplomatenschule, um Umschreibungen zu lernen; -).
 

RuLeka

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Meinst du, man muss wirklich vorher wissen, dass das Kind ertrunken ist? Da ist doch das Erschrecken, das man beim Lesen spürt, nicht mehr gegeben.
Ich versteh schon, was du mit Ausgangssituation meinst, aber man hätte z.B. auch sagen können, "eine familiäre Katastrophe treibt den einen in eine Depression". Deswegen besuchen wir doch die Diplomatenschule, um Umschreibungen zu lernen; -).
Ich war noch nie diplomatisch und lerne das, glaube ich, auch nicht mehr.
Zugegeben, man sollte nicht den kompletten Plot erzählen, aber der Plot an sich ist ja nicht alles. Sondern die Art, wie die Geschichte erzählt wird, Form, Sprache, Stimmigkeit usw.
Das Buch ist kein Krimi, wo der Spaß vorbei ist, wenn ich die Todesart kenne. Und es passiert noch einiges Unvorhersehbares im Roman. Aber da haben wir eventuell andere Ansichten.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Meinst du, man muss wirklich vorher wissen, dass das Kind ertrunken ist? D
Dass das Kind ertrunken ist, erfährt man auf den ersten Seiten. Das ist nicht das Besondere.
Aber da haben wir eventuell andere Ansichten.
Jeder hat seine eigene Art, Rezensionen zu schreiben. Ich finde, wir machen das hier alle ziemlich gut und sollten nicht zu kritisch miteinander sein;)
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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eigene Art, Rezensionen zu schreiben. Ich finde, wir machen das hier alle ziemlich gut und sollten nicht zu kritisch miteinander sein;)
Stimmt. Wir treten hier ja nicht in Konkurrenz zueinander, es gibt dafür keine freie Stelle in der Feuilletonabteilung einer renommierten Zeitung.
Aber nochmals zum Thema , zu viel über den Plot zu wissen. Ich lese sehr oft Bücher ein zweites Mal ( z.B. jedes Buch, das wir in meinem Lesekreis besprechen - das erste Mal, um zu entscheiden, ob es sich für eine Besprechung eignet, das zweite Mal kurz vor dem jeweiligen Abend). Gerade weil ich den Ablauf der Handlung kenne, fallen mir ganz andere Dinge stärker ins Auge. Ein gutes Buch kann man sehr gut mehr als einmal lesen.