Rezension Rezension (4/5*) zu Tanz mit mir, Aurelia: Erzählung von Titus Müller.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Tanz mit mir, Aurelia: Erzählung von Titus Müller
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Glaubenskriege...

London, 1647: Es ist die Blütezeit des strengen Puritanismus. Dessen Anführer Oliver Cromwell lässt sogar das Weihnachtsfest verbieten, mit der Begründung, es sei mit heidnischen Bräuchen vermischt und daher unbiblisch. Auch der junge John ist ein Puritaner. Sein Vater starb an Trunksucht, und von seinen Zieheltern hat er gelernt, dass ein gottgefälliges Leben aus Entsagung und Disziplin besteht. Er ist fest entschlossen, alles zu tun, um nicht das Schicksal seines Vaters zu teilen. Doch dann begegnet er der wunderschönen, lebenslustigen Aurelia Fox, und seine Welt gerät ins Wanken. Könnte Aurelia recht haben, und Gott ist auch in Schönheit, Freude und Musik zu finden? Und Aurelia versteht durch John, dass die fromme Ehrfurcht der Puritaner eine wichtige Facette Gottes lebendig werden lässt. So beginnen die beiden, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Doch ihrer jungen Liebe droht Gefahr: Aurelias Familie bereitet heimlich einen Weihnachtsgottesdienst vor, obwohl darauf laut Gesetz schwere Gefängnisstrafen drohen. Und dann bekommt Johns strenger Ziehvater Wind davon ...

Anhand einer jungen Liebe, die aus verschiedenen Gründen nicht sein darf, führt uns Titus Müller zurück in die Zeit nach den Bürgerkriegen Englands (Mitte des 17. Jahrhunderts), nachdem Oliver Cromwell als strenggläubiger Puritaner nicht nur dafür gesorgt hatte, dass der König abgesetzt und später hingerichtet wurde, sondern in der neu deklarierten Republik England auch den Katholizismus vehement bekämpfte.

Aurelia Fox gehört einem höheren Stand an, und natürlich ist es undenkbar, dass ihre Liebe zu John, dem Wasserträger, eine Chance haben könnte. Noch dazu gehören die beiden unterschiedlichen Glaubensrichtungen an. Während Aurelia, ebenso gottesfürchtig wie John, die Schönheiten im Leben wahrnimmt und ihnen Raum gibt, beschränkt sich John als Puritaner auf den nackten Glauben. Jegliche Ablenkung durch bunte Kirchenfenster etwa oder Verschönerungen jeder Art ist bei den Puritanern verpönt, und selbst das Weihnachtsfest ist bei Strafe verboten.

Titus Müller lässt die Welt des 17. Jahrhunderts lebendig werden, und auch wenn der Liebesgeschichte um Aurelia und John etwas Märchenhaftes anhaftet, fand ich den historischen Ausflug in diese unruhige Zeit Englands überaus interessant. Dabei wechselt der Autor immer wieder zwischen der Perspektive Johns (Ich-Erzähler) und Aurelias (personale Erzählperspektive). Dadurch kommt der Leser der Denkweise und dem Lebenshintergrund beider Figuren nahe, was für die Entwicklung der Erzählung von Vorteil ist.

Nicht umsonst wohl hat Titus Müller die Erzählung in der Weihnachtszeit angesiedelt. Angesichts der vehementen Folgen der Glaubenskriege mit Unterdrückung, horrenden Strafen bei Zuwiderhandlung und stillem oder offenem Protest auf der anderen Seite, mildert die versöhnliche Weihnachtszeit die klaffenden Abgründe der beiden Glaubensparteien (Puritaner vs. Katholiken) letztlich etwas ab. Der Schluss ist vielleicht etwas zu märchenhaft und wenig vorstellbar, bietet aber Hoffnung im Sinne von mehr Toleranz und Aufeinander-Zugehen in der Zukunft.

Eine schöne Entdeckung...


© Parden