Rezension Rezension (5/5*) zu Das Familientreffen: Roman von Anne Enright.

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Geheimnisse

Der Booker Preisträger von 2007. Vollkommen nachvollziehbar in meinen Augen ist dieses Buch ausgezeichnet worden. Und ich bin wieder auf eine richtig interessante Autorin gestoßen. Eine Autorin, die ich neugierig umkreisen werde. "Das Familientreffen" ist ein richtig böses Buch. Böse und pechschwarz, dabei aber glitzernd wie die New York Times so treffend schrieb. Ein Familientreffen der irischen Großfamilie Hegarty anlässlich des Selbstmordes von Liam Hegarty wird einberufen und Veronica, die Schwester und Bezugsperson von Liam, blickt wütend und zynisch und auch schuldbeladen und ebenso weise auf diese ganzen Familienbande. Die Verletzungen und Geheimnisse und Ungesagte/das Unmögliche kommen zum Vorschein. Denn Veronica kennt auch den Grund für den Selbstmord des Bruders, konnte ihn aber nicht verhindern, genauso wenig, wie sie ihm schlussendlich helfen konnte. Bei diesen Blicken auf die Taten in ihrer Familie schont sie sich auch selbst nicht. Und vor den Augen des Lesers entsteht dieser schonungslose Hegarty-Kosmos. Durch die Blicke auf die Großeltern, auf die Eltern und die Kinder umfasst dieses Buch einen recht großen Zeitraum und ist damit gleichzeitig ein Blick auf die irische Gesellschaft. Dabei besticht in diesem Buch nicht nur die Geschichte, sondern vor allem die Sprachkunst von Anne Enright, dieser Tanz mit den Wörtern, dieser Glanz in den Sätzen. Auch sollte hier die Übersetzung unbedingt gewürdigt werden, also ein Dank und ein tosender Beifall geht an die Autorin Anne Enright und an den Übersetzer Hans-Christian Oeser! dieses Buch ist einfach wundervoll! Obwohl das Grundthema alles andere als wundervoll zu nennen ist! Eher ist es ein Blick auf das Grauen. Und sicher ist "Das Familientreffen" ein Buch, welches man erneut genießen könnte, später, nach einiger Zeit und nach eigenen weiteren Erfahrungen. Gerade in den weisen Blicken der Hauptfigur Veronica und dem Zynismus der Autorin findet man sich später wieder anders wieder. Mal schauen. Anne Enright hat hier ein wirklich gelungenes Buch geschrieben, dem ich viele Leser wünsche!

 
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dieser Tanz mit den Wörtern, dieser Glanz in den Sätzen.
Ich freue mich, dass dieses Buch wohl kongenial übersetzt wurde, denn bei Anne Enright ist es neben der eigentlichen Geschichte immer auch die Sprache, die begeistert.
"Die Schauspielerin" habe ich als einziges Buch von ihr nicht gelesen, und das wird wohl auch so bleiben, wenn ich mir eure Rezensionen und Bemerkungen so anschaue.
 

Literaturhexle

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"Die Schauspielerin" habe ich als einziges Buch von ihr nicht gelesen, und das wird wohl auch so bleiben, wenn ich mir eure Rezensionen und Bemerkungen so anschaue.
Oh nein! Lies Wandas Rezension oder meine! Das Buch ist nicht einfach (das ist die Autorin wohl nie), aber wenn man sich darauf einlässt, aus meiner Sicht sehr genial.
Wir hatten eine Leserunde dazu, in der es kontrovers zuging. Aber wenn du Enright magst, solltest du es versuchen.

Für die oft pauschale und generelle Mäkelei an Übersetzungen habe ich wenig Verständnis.Renommierte Verlage arbeiten mit absoluten Profis, die sich in Sprache und Intention des Autors hineinzuversetzen suchen. Nicht umsonst werden sie mittlerweile laut genannt und wertgeschätzt.

Wenn ich etwas nicht verstehe oder es mir unrund vorkommt, ist der Übersetzer schuld. Ohne Kenntnis der Originalsprache und vor allem des entsprechenden Texteso_O

Du, pengulina, kannst das zweifellos beurteilen, wenn du beide Bücher (O und Ü) nebeneinander legst. Andere nicht. Für mich gilt die "Unschuldsvermutung" in der Übersetzung.Wenn man kritisiert, dann mit Originaltext. Alles andere gilt (bei mir) nicht.
 
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Wer kritisiert denn wo welche Übersetzung?

Es gibt zwei Übersetzerinnen, denen ich blind vertraue, Hanni Ehlers für Niederländisch und Anne Birkenhauer für Hebräisch. Die bürgen für Qualität.
 

Literaturhexle

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Wer kritisiert denn wo welche Übersetzung
Niemand. Du hast nur die offensichtlich gute Übersetzung gelobt, da habe ich meinen Senf mal dazu gegeben;). Weil es mich auch in LR nervt, wenn immer gleich an der Übersetzung gekrittelt wird. Die meisten Übersetzungen (renommierter Verlage wohlgemerkt!) dürften ohne große Lapsi sein. Ich lese alles Fremdsprachige in Übersetzung und bin begeistert von der Sprachvirtuosität vieler Autoren. Schlechte Ü sind die Ausnahme und nicht die Regel.

ICH lasse Kritik ohne Original nicht gelten. Das mag aber jeder für sich entscheiden.
 
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Ich bin selbst Übersetzerin gewesen, auch wenn ich nie Belletristik übersetzt habe, sondern Verträge und technische Fachtexte. Ich weiß deshalb, was die Arbeit eines Übersetzers ausmacht, kenne die Schwierigkeiten und auch die Notwendigkeit einer Korrekturlesung (eines Lektorats bei Romanen). Manche Übersetzungen "knirschen" einfach, man liest das Original dahinter raus, der deutsche Satz ist nicht idiomatisch. Das kann auch Nichtmuttersprachlern auffallen.

Gerade beim "Familientreffen" erinnere ich mich an eine Diskussion um einen Satz, der im Englischen gelungen war (und kurz!) und im Deutschen dann holprig klang, was an den Unterschieden der beiden Sprachen lag. Leider erinnere ich mich nicht mehr genau, es ging um ein Stück Kohle, das im Kamin verglüht.

Übersetzungen sind nicht per se schlecht, manchmal trifft das aber auf einzelne Sätze oder Begriffe zu.
 
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Den englischen Satz habe ich tatsächlich auf Google Books gefunden:
A spent coal slips in the grate with a whispering 'chink'.
Deutsche Version:
Mit einem gehauchten Seufzer rutscht ein verglühtes Stück Kohle durch den Feuerrost.
 

Literaturhexle

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Da haben wir es: ich kann das nicht beurteilen! Mein Englisch ist zu holprig. Ich bin völlig zufrieden mit der Übersetzung. Man muss sich wahrscheinlich manchmal entscheiden zwischen verschiedenen Möglichkeiten.
Aber wenn du sagst, es müsse anders heißen, nehme ich dir das ab. Mach doch mal einen Vorschlag :p
 
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Gelöschtes Mitglied 7863

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Das ist nicht einfach, und dieser Satz ist ja auch kein Fehler, sondern illustriert die Schwierigkeit.

Der englische Satz hat eine Melodie, er vermittelt das Leise, Langsame.
Die Bedeutung ist ja wiedergegeben, nur die Melodie fehlt im Deutschen. Der deutsche Satz klingt ... eben deutsch ;-)

Vorschlag (der zumindest schon mal kürzer ist):
Leise klirrend rutscht die Kohle durch den Rost und verglüht.

Man findet immer etwas, was man selbst anders ausgedrückt hätte, das ist beim Übersetzern einfach so.
 

Literaturhexle

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Man findet immer etwas, was man selbst anders ausgedrückt hätte, das ist beim Übersetzern einfach so.

Man muss sich wahrscheinlich manchmal entscheiden zwischen verschiedenen Möglichkeiten.
Ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. In einer LR hat sich mal die Übersetzerin hinzugesellt (erzählte ich vielleicht schon?). Das war so toll zu erkennen, WIE INTENSIV sie sich mit dem Text auseinandergesetzt hatte! Mehrfach gelesen, auf jede auftretende Frage eine Antwort parat. Sehr zurückhaltende Person. War echt super! Und dann kome ich kleines Licht und will an der Übersetzung rütteln, weil da eine Formulierung nicht passt. Nein nein, ich bin da sehr ehrfürchtig unterwegs;)
 
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