5. Leseabschnitt: Kapitel 5 (Seite 277 - 313)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Zusammenfassung:
Offensichtlich wurde die Erzählerin in der Trinkhalle von Tablettenmädchen vergiftet. Diese scheint geistesgestört zu sein, beschimpft die Opfer, um ihnen unbemerkt Gift ins Getränk zu schütten.
Erzählerin erkrankt schwer. Da man kein Krankenhaus aufsuchen kann, bilden die Nachbarinnen eine verlässliche Gemeinschaft. Sie helfen der Mutter beim "Ausleiten" des Giftes. Die Mutter pflegt die Tochter zwar aufopfernd, vermutet aber trotzdem eine ungewollte Schwangerschaft oder die Schergen verletzter Nebenbuhlerinnen hinter der Vergiftung.

Dann wird Tablettenmädchen ermordet aufgefunden. Das versetzt die Gemeinschaft in Unruhe, denn "normale" Morde kommen eigentlich niemals vor. Schnell scheint man sich einig zu sein, dass MM den Mord begangen haben muss - aus Rache für die Tat an der Erzählerin.
Jene stellt das schockiert im Imbiss fest, als sie Pommes holen will: Alle Menschen gehen ihr aus dem Weg bzw. ignorieren sie...
Wieder reagiert die Erzählerin falsch und schweigt. Sie scheint damit die bestehenden Gerüchte zu bestätigen. Sie ist geschockt! Jetzt spürt sie, dass der Stempel des MM bereits fest an ihr dran klebt.

Dennoch sehe ich in dieser Szene eine Art Initialisierung. Die Tatsache, dass sie nicht mehr nur "ein schwieriger Fall" ist, sondern nun durch den Mord zu einer Gebrandmarkten wurde, wirkt so, als ob sie aufwacht aus ihrer bequemen Trance. Die Szene im Imbiss könnte einen Wendepunkt in ihrer Persönlichkeit und im Roman darstellen.
Ich bin gespannt!
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ha ha ha - was hab ich gerade gelacht über diese Szene :D

[zitat]Das dritte Mal wachte ich aus einem Traum über Proust auf, oder eher aus einem Albtraum über Proust, in dem sich herausgestellt hatte, dass er in Wirklichkeit ein verachtungswürdiger Siebzigerjahre-Schriftsteller war, der sich als Jahrhundertwende-Schriftsteller ausgegeben hatte, was offenbar der Grund dafür war, dass er im Traum verklagt wurde, und das, glaube ich, von mir.[/zitat]
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Zusammenfassung:
Offensichtlich wurde die Erzählerin in der Trinkhalle von Tablettenmädchen vergiftet. Diese scheint geistesgestört zu sein, beschimpft die Opfer, um ihnen unbemerkt Gift ins Getränk zu schütten.
Erzählerin erkrankt schwer. Da man kein Krankenhaus aufsuchen kann, bilden die Nachbarinnen eine verlässliche Gemeinschaft. Sie helfen der Mutter beim "Ausleiten" des Giftes. Die Mutter pflegt die Tochter zwar aufopfernd, vermutet aber trotzdem eine ungewollte Schwangerschaft oder die Schergen verletzter Nebenbuhlerinnen hinter der Vergiftung.

Dann wird Tablettenmädchen ermordet aufgefunden. Das versetzt die Gemeinschaft in Unruhe, denn "normale" Morde kommen eigentlich niemals vor. Schnell scheint man sich einig zu sein, dass MM den Mord begangen haben muss - aus Rache für die Tat an der Erzählerin.
Jene stellt das schockiert im Imbiss fest, als sie Pommes holen will: Alle Menschen gehen ihr aus dem Weg bzw. ignorieren sie...
Wieder reagiert die Erzählerin falsch und schweigt. Sie scheint damit die bestehenden Gerüchte zu bestätigen. Sie ist geschockt! Jetzt spürt sie, dass der Stempel des MM bereits fest an ihr dran klebt.

Dennoch sehe ich in dieser Szene eine Art Initialisierung. Die Tatsache, dass sie nicht mehr nur "ein schwieriger Fall" ist, sondern nun durch den Mord zu einer Gebrandmarkten wurde, wirkt so, als ob sie aufwacht aus ihrer bequemen Trance. Die Szene im Imbiss könnte einen Wendepunkt in ihrer Persönlichkeit und im Roman darstellen.
Ich bin gespannt!
Wunderbare Zusammenfassung! Ich fand die Beschreibung der Vergiftung, der Ausleitung (= Austreibung?) und der Zeit danach sehr eindringlich beschrieben. Trotz der Bandwurmpassagen hat sich der Stil ein wenig geändert - auch wenn ich das jetzt gar nicht genauer erklären kann.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Tablettenmädchen ist für mich bisher die undurchsichtigste Figur des Romans. Ich kann sie und ihre Motive wirklich nicht einschätzen, aber vielleicht habe ich da auch nur etwas unkonzentriert gelesen.
In diesem LA wird sich die Erzählerin immer mehr ihrer neuerdings entwickelten Sonderposition bewusst, insbesondere bei der Imbissbudensituation. Sie fühlt sich dem überhaupt nicht gewachsen und ihre Irritation wird sehr deutlich gemacht von der Autorin.
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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Die Mutter pflegt die Tochter zwar aufopfernd, vermutet aber trotzdem eine ungewollte Schwangerschaft oder die Schergen verletzter Nebenbuhlerinnen hinter der Vergiftung.
... und wieder finde ich es ganz schlimm, traurig und enttäuschend, aber auch ärgerlich, wie wenig sie ihre Tochter kennt, wie wenig sie ihr vertraut, wie wenig sie Dich für sie interessiert und wie wenig Halt und Rückendeckung sie ihr gibt.
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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und schweigt. Sie scheint damit die bestehenden Gerüchte zu bestätigen.
... das hat mich schon die ganze Zeit über kirre gemacht. Dieses Schweigen, dieses stoische und abgestumpfte Nicht-reagieren und sich Nicht-positionieren. Damit hat sie von Anfang an die Gerüchteküche befeuert. Sie hat es nicht bemerkt und als ihre beste Freundin die damit konfrontiert hat, hat sie es nicht geglaubt und einfach stur und uneinsichtig weitergemacht. Die hätte ja keine große Reden schwingen müssen. Keine Rechtfertigungen. Einfach nur kurze klare statements.
 

SuPro

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als ob sie aufwacht aus ihrer bequemen Trance. Die Szene im Imbiss könnte einen Wendepunkt in ihrer Persönlichkeit und im Roman darstellen.
... dass sie jetzt möglicherweise aufgewacht ist und endlich etwas kapiert hat, liegt tatsächlich nahe. Es ist zumindest zu hoffen. Aber ich würde nicht soweit gehen, zu vermuten, dass das ein Wendepunkt in ihrer Persönlichkeit sein könnte. Um etwas in der Persönlichkeit zu verändern braucht es schon mehr. Ein Wendepunkt im Roman könnte nun erfolgen. Das vermute und hoffe ich auch. Ein Wendepunkt, weil sie etwas verstanden hat, woraufhin sie möglicherweise und hoffentlich ihr Verhalten ändert.
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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Ich kann sie und ihre Motive wirklich nicht einschätzen, aber vielleicht habe ich da auch nur etwas unkonzentriert gelesen.
... ich glaube, dass sie psychiatrisch krank ist. Paranoid, vllt. sogar schizophren.
Und aus diesem Grund kann man sie und ihre Motive nicht wirklich bzw. nicht auf den ersten Blick, verstehen.

In ihrem Denken ist etwas im wahrsten Sinn des Wortes, und nicht im abwertenden Sinn gemeintes!, „ver-rückt“.
Mit nüchternem Sachverstand ist dieses Denken nicht mehr nachzuvollziehen.
Was sicher dahintersteckt, sind massive Ängste aufgrund der schrecklichen Gesamtsituation und eine massive Überforderung, damit zurechtzukommen.
In solchen Situationen wählt die Psyche manchmal aus Schutz das „ver-rückt“ werden.
So lässt es sich dann etwas besser ertragen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Um etwas in der Persönlichkeit zu verändern braucht es schon mehr. Ein Wendepunkt im Roman könnte nun erfolgen
Genau auf so etwas hatte ich spekuliert! Es riecht irgendwie nach wach werden.
... ich glaube, dass sie psychiatrisch krank ist. Paranoid, vllt. sogar schizophren.
So würde ich das auch sehen. Ich bin gespannt, ob du das im nächsten Abschnitt bestätigst, oder ob du aus einem Brief noch mehr erkennen und herauslesen kannst.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Diesen Abschnitt habe ich in einem Rutsch gelesen. Unglaublich, dass politische Morde normal und akzeptabel sind, während ein unpolitischer Mord alle in Panik versetzt. Die Welt ist aus den Fugen geraten.

Bemerkenswert finde ich auch, was die Erzählerin alles nicht bemerkt. Sie kommt als Letzte darauf, dass sie von TM vergiftet wurde, merkt nicht, dass ihr Schweigen die Gerüchteküche nur befeuert und kriegt in der Pommesbude auch erst spät mit, was da läuft. Denkt sie eigentlich nie über ihre Mitmenschen und deren Sicht der Dinge nach?

Dass sie die Pommes nimmt und nicht bezahlt, hat bestimmt noch Folgen. Damit bestärkt sie den Eindruck, die Geliebte des MM zu sein. Wie will sie da wieder rauskommen?
 

SuPro

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Diesen Abschnitt habe ich in einem Rutsch gelesen. Unglaublich, dass politische Morde normal und akzeptabel sind, während ein unpolitischer Mord alle in Panik versetzt. Die Welt ist aus den Fugen geraten.

Bemerkenswert finde ich auch, was die Erzählerin alles nicht bemerkt. Sie kommt als Letzte darauf, dass sie von TM vergiftet wurde, merkt nicht, dass ihr Schweigen die Gerüchteküche nur befeuert und kriegt in der Pommesbude auch erst spät mit, was da läuft. Denkt sie eigentlich nie über ihre Mitmenschen und deren Sicht der Dinge nach?

Dass sie die Pommes nimmt und nicht bezahlt, hat bestimmt noch Folgen. Damit bestärkt sie den Eindruck, die Geliebte des MM zu sein. Wie will sie da wieder rauskommen?
... Dieses Verleugnen und Verdrängen, das du hier anführst, sind meines Erachtens Schutzmechanismen der Protagonistin. Am Ausmaß dieses Verleugnens und Verdrängens kann man das Ausmaß ihrer inneren Angst, Unsicherheit und Ambivalenz abschätzen…
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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... Dieses Verleugnen und Verdrängen, das du hier anführst, sind meines Erachtens Schutzmechanismen der Protagonistin. Am Ausmaß dieses Verleugnens und Verdrängens kann man das Ausmaß ihrer inneren Angst, Unsicherheit und Ambivalenz abschätzen…
Das meiste habt ihr schon geschrieben, was @SuPro beschreibt, habe ich auch so empfunden. Sie kann einfach nicht "aus ihrer Haut", das Schweigen, das letztlich alles noch schlimmer macht, ist ihre Art und Weise auf die ungerechtfertigten Vorwürfe zu reagieren. Sie nimmt sie hin, ohne sich zu wehren, zieht sich in sich zurück, eine Eigenschaft, die sie auch vorher schon an den Tag gelegt hat: Im-Gehen-lesen, flüchten in andere Jahrhunderte, Ausblenden der Realität.
Schockierend, dass man in dieser Gesellschaft auch nicht ins Krankenhaus gehen darf, auch die jüngere Schwester von Tablettenmädchen, die ebenfalls von ihr vergiftet wurde, begibt sich nicht ins Krankenhaus, obwohl sie "zu drei Vierteln im Grab lag" (285).
Obwohl die das Mutter-Tochter-Verhältnis immer noch angespannt ist, hat die Ich-Erzählerin doch ein Urvertrauen zu ihrer Mutter:
"Ich krallte mich in den Saum ihres Nachthemds, hangelte mich daran entlang und bewegte mich zentimeterweise auf ihren Bauch zu, ich wusste, jetzt wäre ich sicher, jetzt wäre ich nicht mehr allein." (287)
Und die Mutter möchte die Ich-Erzählerin sogar ins Krankenhaus bringen, da sie nicht vorhat,
"ihre Tochter sterben zu lassen, nur weil gesellschaftliche Konventionen ihr verboten, einen Krankenwagen zu rufen." (295)
Sie lässt sich jedoch von den frommen Frauen überzeugen, es nicht zu tun, da sie die Situation ihrer Tochter dadurch noch verschlimmern könnte.
Wie ihr schon geschrieben hat, verschlimmert sie die Situation selbst, als sie in der Pommesbude falsch reagiert und diese mitnimmt, statt sie zu bezahlen oder stehen zu lassen. Immerhin ist ihr bewusst, dass sie falsch reagiert.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Sie nimmt sie hin, ohne sich zu wehren, zieht sich in sich zurück, eine Eigenschaft, die sie auch vorher schon an den Tag gelegt hat: Im-Gehen-lesen, flüchten in andere Jahrhunderte
In dieser Gesellschaft kann einem das Reden aber auch vergehen, weil man ohnehin nicht gehört wird und es nur eine Wahrheit gibt. Einmal hatte es die Erzählerin bei ihrer Mutter mit der Wahrheit versucht- und ist voll vor sie Wand gefahren. Bei uns kribbelt es: nun sag doch was! Aber dort? In dieser Realität? Ich glaube, da wäre ich auch still geworden. Der Mensch lernt ja dazu.

Die Mutter ist auch keine schlechte Mutter. Sie will ihre Kinder beschützen. Auch dem vermeintlichen Milchmann am Telefon sagt sie gehörig die Meinung!
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Diesen Abschnitt habe ich in einem Rutsch gelesen. Unglaublich, dass politische Morde normal und akzeptabel sind, während ein unpolitischer Mord alle in Panik versetzt. Die Welt ist aus den Fugen geraten.

Bemerkenswert finde ich auch, was die Erzählerin alles nicht bemerkt. Sie kommt als Letzte darauf, dass sie von TM vergiftet wurde, merkt nicht, dass ihr Schweigen die Gerüchteküche nur befeuert und kriegt in der Pommesbude auch erst spät mit, was da läuft. Denkt sie eigentlich nie über ihre Mitmenschen und deren Sicht der Dinge nach?

Dass sie die Pommes nimmt und nicht bezahlt, hat bestimmt noch Folgen. Damit bestärkt sie den Eindruck, die Geliebte des MM zu sein. Wie will sie da wieder rauskommen?
Ich konnte auch nicht aufhören zu lesen. Unglaublich, wie verquer das Denken und die Einstellung zu Gewalt in der Gemeinschaft ist. Tablettenmädchen ist verrückt, vergiftet Menschen, soll zurückgepfiffen werden, aber von einem Verweigerergericht. Mir war nicht klar, wie groß die Macht der IRA in manchen Gegenden gewesen ist. Mord ja, aber nur durch die Verweigerer, weil dann Schande von der Gemeinschaft fern gehalten wird oder welchen Grund man auch immer vorschiebt. Dem ordnet sich wohl jeder unter oder wird bestraft. Aber ein normaler Mord wird geächtet...
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Obwohl die das Mutter-Tochter-Verhältnis immer noch angespannt ist, hat die Ich-Erzählerin doch ein Urvertrauen zu ihrer Mutter:
Ja, dasselbe ich auch so, andernfalls wäre sie nicht jedesmal so fürchterlich vertrauensselig und später enttäuscht von ihrer Mutter.

Immerhin ist ihr bewusst, dass sie falsch reagiert.
Das ist ihr meiner Meinung nach die ganze Zeit bewusst, spätestens seit Älteste Freundin sie mit der Nase auf ihre Situation stieß. Aber immer erst nach dem unmittelbaren Erleben, nie hat sie bisher in der Situation selbst klug reagieren können. Mir ist nicht ganz klar, ob sie vielleicht sogar „nur“ als erzählendes Ich die Tragweite zu erfassen vermag.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ha ha ha - was hab ich gerade gelacht über diese Szene :D

[zitat]Das dritte Mal wachte ich aus einem Traum über Proust auf, oder eher aus einem Albtraum über Proust, in dem sich herausgestellt hatte, dass er in Wirklichkeit ein verachtungswürdiger Siebzigerjahre-Schriftsteller war, der sich als Jahrhundertwende-Schriftsteller ausgegeben hatte, was offenbar der Grund dafür war, dass er im Traum verklagt wurde, und das, glaube ich, von mir.[/zitat]
Herrlich, oder. :D