LA 3: S.148-234
Wenger hat sich entschieden, Beate zum Essen einzuladen, und alles läuft wie erwartet. Flirten, an alte Zeiten anknüpfen, falsche Kompliment, nach Hause fahren und "vögeln". Während sie schläft, meldet er sich bei Tinder an - der Dating-App für Menschen, die nur Sex haben wollen. Seine Sicht auf die Briefschreiberin ist wenig schmeichelhaft, er glaubt, sie sei geflohen, weil sein Vormieter seine Frau nicht habe verlassen wollen.
Am nächsten Abend "beißt" eine junge Frau, Melanie, 27, auf Tinder an, die auf "dad bod" - Daddy-Bodys (?) steht. Diese Jugendsprache und die Abkürzungen sind wirklich gewöhnungsbedürftig, ich finde mich tatsächlich in Wengers Unverständnis wieder
Die Begegnung ist völlig skurril, was will das Mädchen von ihm? Und dann der Moment, in dem Wenger ihr Gewalt antun möchte, eben jene Grenze überschreiten, von der Marlen gesprochen hat.
"Er möchte ihr dieses blöde Grinsen aus dem Gesicht wischen, mit seiner Handfläche, weil es doch das ist, was sie lieben, sie und ihre ganze Generation wischen, wischen. Er wünscht sich, dass sie alles tut, was er will und nach mehr verlangt." (166)
Doch es gelingt dem jungen Mädchen rechtzeitig zu gehen und Wenger sich zu beherrschen und die Begegnung ist der entscheidende Kick, der ihn wieder zum Schreiben bringt.
Im nächsten Brief erfahren wir etwas mehr von der Grenzüberschreitung, es handelt sich eindeutig um einen Missbrauch. Marlen fühlt sich markiert, sie findet nicht ins Leben zurück. Im Brief ist mir erneut das Motiv "Licht" aufgefallen, es kommt unglaublich oft vor.
"Morgens um halb vier ist das Licht so schwach, es könnte erlöschen für immer." Ich denke, am Ende des Romans ist das ein Punkt, über den ich gern noch reden würde.
Gleichzeitig spielt das Machtverhältnis zwischen Frau und Mann eine Rolle, das sich im Roman körperlich manifestiert.
"sind die Männer tatsächlich die Mächtigeren, weil sie körperlich überlegen sind?" (171) Ist es so simpel?
An Zoeys 18.Geburtstag ist ihre Mutter beruflich unterwegs, das Skypen und ihr Geschenk sind eine Katastrophe: ein gemeinsames Wellness-Wochenende, das Zoey in Trixies Welt einführen soll. Mit Kameras und und und - ich kann ihren Ärger nachvollziehen. Ihre Frage "Hat sie mich nicht gesehen, hat sie mich kein einziges Mal gesehen?" ist berechtigt.
Es gibt eine Szene, die mich berührt hat. Die Erinnerung an die Norovirus-Erkrankung, als sich Barbara, ihr Kindermädchen, aufopferungsvoll um die beiden Geschwister gekümmert hat, während ihre Mutter im Hotel (!) geschlafen hat.
Wie viele Nächte habe ich mit meinen Kindern im Bad verbracht..., sind das nicht die Momente, die uns zusammenschweißen? Kein Wunder, dass Zoey ihren Geburtstag mit Barbara und Spin verbringt. Und das Fotoalbum sagt alles - ein wunderschönes Geschenk!
Abends schmeißt sie ein Party im Sommerhaus, sie haben schließlich sturmfrei. Sie erkennt, dass ihr Bruder homosexuell ist und eine Beziehung mit Mario hat. Es freut sie, auch wenn sie traurig ist, dass sie nicht mehr Spins einzige Bezugsperson ist. Kurz darauf schläft sie mit Jonathan, der offenkundig nur an ihrem Körper interessiert ist, denn er kehrt danach seelenruhig an Majas Seite zurück - Zoey bleibt stumm...und fällt in ein Loch.
Auch sie liest die Briefe Marlens und glaubt, dass auch diese einen "Clash" - eine (versuchte) Vergewaltigung erlebt hat und deshalb geflohen ist. Für Zoey ist dies der Auslöser, sich als Artist zu bewerben. Sie will ihren Weg gehen.
Anlässlich ihres Geburtstages lädt Wenger seine Kinder in ein Nobelrestaurant - das Gespräch ist ein Krampf und er erkennt, dass er nicht über seine Kinder weiß. Wir erfahren, dass er selbst als Kind geschlagen wurde und kein Vorbild für die Vaterschaft gehabt hat. Es gibt einen Moment, als sie gemeinsam lachen, da denkt man, jetzt haben sie eine Chance. Wenger entschuldigt sich sogar, doch als er sein Frauenbild offenbart, kippt die Stimmung, da er Frauen, die sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind, selbst dafür verantwortlich macht. Nach dem Motto. erst reizen sie, dann beschweren sie sich. Ein heikles Thema für Zoey und eine Sichtweise, die Wenger nicht sympathischer macht. Dass er von seinem neuen Projekt erzählt, macht die Sache nicht besser, denn es gibt immer zwei Versionen der Geschichte, wie Zoey anmerkt, nicht nur die männliche.
"Das schweigen, das sich ausbreitet, ist so angefüllt mit all den Dingen, die sie nicht aussprechen, dass es Wenger vorkommt wie Lärm. So ein lautes Schweigen hat er überhaupt noch nie gehört." (213) Ob die Beziehung zu seinen Kindern noch zu retten ist?
Im nächsten Brief erzählt Marlen, dass die freundliche Berührung eines Mannes sie völlig aus der Bahn geworfen hat und es gibt ein weiteres Puzzlestück. Ein Mann wollte ihre Buchhandlung kaufen, er hat jenen Satz gesagt: "Sie sind doch nur eine Frau." (215). Gleichzeitig vermisst sie ihren Geliebten.
Zoey hat unterdessen die Matura bestanden und ihre "Beziehung" mit Jonathan beschränkt sich weiterhin auf Sex. Er denkt nicht daran, Maja zu verlassen. Zoey sehnt sich so sehr nach seiner Nähe, dass sie das Spiel mitspielt und er "hört nicht", dass sie ihn liebt. Nur in der Dunkelkammer fühlt sie sich wohl. Ich war überrascht, dass sie sich gewagt hat, dorthin zurückzukehren. Aber sie ist vorsichtig und achtet darauf, nicht allein mit Fred zu sein.
Am Ende dieses Leseabschnitts hat Spin seinen großen Auftritt im Theater, sein Vater ist nicht anwesend. Aus Wut zündet Spin danach die Bücher in Zoeys Zimmer an und verbrennt selbst fast dabei. Im Krankenhaus nähert sich Zoey ihrer Mutter an. Das gefällt mir an dem Roman, dass die Figuren nicht schwarz-weiß gezeichnet sind. Auch Patrizia hat ihre menschlichen Seiten.
Genug geschrieben