Thema "Das Licht ist hier viel heller" von Mareike Fallwickl ab 15.01.2020

Literaturhexle

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Wir lesen hier den neuen Roman von Mareike Fallwickl:

Interessanterweise beginnt der Roman mit Kapitel 10 und endet bei 0. In kleinen LR werden keine festen Einteilungen gemacht, es scheint mir aber dennoch hilfreich, wenn wir uns eine Struktur vorgeben. Deshalb schlage ich folgende Leseabschnitte vor:

1: Kapitel 10 - 9 (Beginn bis 73)
2: Kapitel 8 - 7 (74 bis147)
3: Kapitel 6 - 5 (148 bis 234)
4: Kapitel 4 - 3 (235 bis 301)
5: Kapitel 2 - 0 (302 bis Ende)

Bitte schreibt die Ziffer des LA über euren Beitrag, um Spoiler für diejenigen zu verhindern, die noch nicht so weit sind.

@Querleserin @FrancieNolan @SuPro @KrimiElse
 

SuPro

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Wir lesen hier den neuen Roman von Mareike Fallwickl:

Interessanterweise beginnt der Roman mit Kapitel 10 und endet bei 0. In kleinen LR werden keine festen Einteilungen gemacht, es scheint mir aber dennoch hilfreich, wenn wir uns eine Struktur vorgeben. Deshalb schlage ich folgende Leseabschnitte vor:

1: Kapitel 10 - 9 (Beginn bis 73)
2: Kapitel 8 - 7 (74 bis147)
3: Kapitel 6 - 5 (148 bis 234)
4: Kapitel 4 - 3 (235 bis 301)
5: Kapitel 2 - 0 (302 bis Ende)

Bitte schreibt die Ziffer des LA über euren Beitrag, um Spoiler für diejenigen zu verhindern, die noch nicht so weit sind.

@Querleserin @FrancieNolan @SuPro @KrimiElse
... ich wäre so gern dabei, aber ich „muss“ absagen. Bin noch voll mit Middlemarch beschäftigt. Viel Spaß Euch!
 

Literaturhexle

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LA 1 (Zusammenfassung)

Wenger (Ich-Erzähler) lebt ziemlich verwahrlost in einer kleinen Wohnung. Er trinkt viel und nimmt Drogen. Er war verheiratet mit Patrizia, die nun mit einem Fitnesstrainer im ehemals gemeinsamen Haus lebt, zusammen mit Zoey und Spin, den fast erwachsenen ehelichen Kindern. Wenger war einst ein berühmter Schriftsteller, jetzt bekommt er nichts mehr aufs Papier. Sein Agent Sebastian wartet auf ein zugesagtes Essay, was Wenger als unter Niveau empfindet. Er ist unglücklich, empfindet das aber als Schwäche. Seine Schwester Elisabeth kümmert sich um ihn, kocht und macht Einkäufe. Aber auch zu ihr ist er schnippisch, lässt sie nicht an sich heran, empfindet ihre Zuwendung sogar als lästig.
In der Post findet er einen an seinen Vormieter adressierten Brief, den er liest. Es schreibt eine zutiefst verletzte Frau, die dem Adressaten Vorwürfe macht. Wenger fühlt sich auf seltsame Art angesprochen. Es kommt ein weiterer Brief.

Perspektivwechsel:
Zoey (Ich-Erzählerin) muss an der Geburtstagsparty ihrer extrovertierten Mutter teilnehmen, zu der auch Wenger eingeladen ist. Gemeinsam mit Spin sorgt sie mittels einer Lüge dafür, dass Wenger wutentbrannt auf den neuen Partner der Mutter losgeht. Am nächsten Tag beschäftigen sich Presse und Internet mit dem skandalösen Vorfall.
Zoey ist in Jonathan verliebt, der aber eine andere Freundin hat. Zoey hat eine Beziehung zu Stefan, den sie nicht liebt. Ein zufälliges Treffen mit Jonathan, der kein größeres Interesse zeigt, wühlt sie auf.
Alle 14 Tage müssen Zoey und Spin ihren Vater übers Wochenende besuchen. Die Begegnung ist ziemlich kühl und wortkarg. Zoey findet einen Brief der anonymen Frau und liest ihn heimlich.
 

FrancieNolan

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LA1/erster Eindruck: Inhaltliches lasse ich mal weg, und ich möchte nochmal sagen, dass es mein erstes Buch der Autorin ist.

Es gefällt mir sehr gut, wobei es schon ein gewisses Auf und Ab war, denn weder sind die Charaktere besonders sympathisch, noch ist die Story neu oder besonders spannend. Sprachlich finde ich es ambitioniert, aber manche Sätze kommen mir auch vor wie aus der Autorenschule - nicht, dass ich eine kenne, aber ich stelle mir vor, dass man da solche Umschreibungen lernt und bin mir nicht sicher, ob es mir nicht stellenweise auch etwas zu viel war. Gesellschaftspoltitisch gesehen finde ich es dann aber wieder sehr treffend, was uns hier an „Familienleben“ (bzw.gescheiterter Familie) präsentiert wird...Chloe zumindest schließt man dann wohl doch ins Herz, weil sie so deutlich jung und verletzt ist, dafür ganz schön „Durchblick“ hat, und die Erwachsenen ganz besonders in ihrer Elternrolle wirklich Totalversager sind!
Sogar der grobklotzige Wenger (passender Name) als „Antiheld“ findet letztlich mein Gefallen, und als Veganerin musste ich natürlich über die Darstellung derselben schmunzeln - auch wenn ich „Veganerwitze“ allgemein zu billig und abgedroschen finde, ist die hiesige Beschreibung in der „#-Variante“ wirklich sehr gelungen, und überhaupt gefallen mir die Deutungen der Autorin über Selbstoptimierungswahn, Orientierungssuche und Social media allg. sehr gut, der hintergründige Humor macht die todtraurige Grundstimmung erträglich, und die Briefe - wow, vor allem den ersten fand ich stark und sehr geheimnisvoll, ich weiß noch nicht, was da wohl hinterstecken könnte, in jedem Fall ein weiterer tief enttäuschter Mensch...mich hat der Auftakt richtig neugierig gemacht, und ich werde versuchen bald weiter zu lesen, bin allerdings auch sehr gespannt, was Ihr so schreibt.
Ich habe vieles markiert, vlt komme ich da nochmal drauf zurück, für heute werde ich das Ganze mal sacken lassen. (Ich will heute noch NSA auslesen, dann habe ich den Kopf auch besser frei.;-))
 

Literaturhexle

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Sprachlich finde ich es ambitioniert, aber manche Sätze kommen mir auch vor wie aus der Autorenschule - nicht, dass ich eine kenne, aber ich stelle mir vor, dass man da solche Umschreibungen lernt und bin mir nicht sicher, ob es mir nicht stellenweise auch etwas zu viel war.
Mir gefällt die Sprache sehr gut. Vater und Tochter haben einen unterschiedlichen Sound. Bei manchen Sätzen muss ich innehalten:
[zitat]So ist das mit ihm. Er ist eine Tür, und ich probiere einen Schlüssel nach dem anderen, einen ganzen verfickten Schlüsselbund hab ich, und keiner passt. Nicht ein einziger.[/zitat]
Das hat sich einiges aufgebaut in dieser Familie. Wahrscheinlich schon vor der Trennung. Wenger empfindet seine Kinder auch eher als lästig, sie "saugen die Kraft aus den Knochen ". Bestimmt erfahren wir die Ursachen für das Scheitern der Familie noch.
die Briefe - wow, vor allem den ersten fand ich stark und sehr geheimnisvoll, ich weiß noch nicht, was da wohl hinterstecken könnte,
Ja, die Briefe empfinde ich ähnlich wie du. Sie sind sehr poetisch und geheimnisvoll abgefasst. Manches könnte auch auf unseren Anti-helden zutreffen, deshalb lassen sie ihn auch nicht kalt. Er lauert ja geradezu auf den zweiten...
Werden sie ihn aus seiner Lethargie wecken?

Wenger schämt sich seiner Situation, kommt aber aus eigener Kraft aus dem Sumpf nicht raus. Er hat Angst, dass die Schwester ihn umarmen könnte...- deshalb ist er garstig. Er fühlt sich als Versager.

Auch Zoey fühlt sich verlassen. Sie ist noch so jung, schläft mit einem Typen, den sie nicht liebt. Als sie das Feuer im Kindergarten beschreibt, sagt sie, dass sie den Eindruck hat, sich selbst immer nur zuzuschauen...

Die Mutter macht es sich leicht: neuer Typ, neues Glück! Einen Hauch schlechtes Gewissen hat sie schon, "muss aber jetzt an sich denken".
Warum haben die Kinder das mit den verkauften Büchern erzählt? Wollten Sie, dass.Reto mal eins auf sie Nase kriegt :D?
 
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FrancieNolan

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[zitat]Vater und Tochter haben einen unterschiedlichen Sound. [/zitat]
Ja, das stimmt, das gefällt mir auch gut. Ich hoffe, es klingt nicht allzu negativ, was ich oben geschrieben habe, es gab halt nur streckenweise sehr viele solcher Sätze, wie Du sie zitiert hast, hintereinander, vlt war es mir dann zuviel. Vlt ist es sogar was anderes, was mich manchmal stört, wir werden sehen.

Die Tochter hat das mit den Büchern ja unmittelbar nach dem von Dir zitierten Satz erzählt, d.h., ich glaube nicht, dass sie direkt und in diesem Moment die Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern, wohl aber ihren Vater an sich provozieren/verletzen wollte, da sie ja den „Schlüssel nicht findet zu ihm“, auf positive Art funktioniert die Beziehung nicht, sie fühlt sich abgestoßen, also rächt sie sich. Da die Bücher vorher ja versteckt wurden, steckte vlt aber schon der Plan dahinter, die beiden Männer ggeinander auszuspielen. Die Kinder finden ja auch als Personen überhaupt keine Beachtung, das finde ich auch richtig gut dargestellt.
 

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Eine kleine erzähltechnische Korrektur - die Wenger-Kapitel werden in der Er-Form, aber aus seiner personalen Perspektive erzählt. Da die Zoey- Kapitel aus der Ich-Perspektive erzählen, erscheint sie uns rein erzähltechnisch erst mal näher ;)
Ich finde die Sprache wunderbar, aber ich mag auch innovative Metaphern und Vergleiche. Die Autorin geht damit nicht sparsam um, trotzdem empfinde ich es noch nicht als zu viel. Vieles habt ihr schon angesprochen, ihre Kommentare zu Social Media Spinde messerscharf beobachtet.
„Alles geht ungefiltert raus. Niemand bringt es in eine Form, die lesbar wäre. Es wird ins Internet geschmissen wie Plastikmüll in einen Fluss, da dümpelt es dann in der Drecksbrühe, jeder kann es sehen.“ (42)
Und ihre Bemerkungen zum neuen Deutsch,@Literaturhexle, hätte in unsere Diskussion von Middlemarch gepasst ;)
„(...) sie redet von Scrollen und Leadgenerierung, von Metatags, Contentboxen und Benchmarks. Reines Englisch scheint das allerdings auch nicht mehr zu sein, eher eine Zwischensprache, ein Zwitterwesen mit englischen Gliedmaßen, die immer mehr werden, sich dem deutschen Körper anpassen, sich der deutschen Grammatik unterwerfen, ein Wesen mit einem alten indogermanischen Herzen, das in einem neun Takt schlägt. Einem Beat.“ (41)
Das meine ich mit innovativen Metaphern, das kann ich mit direkt vorstellen, sehr originell.
Wenger ( aus dem die Autokorrektur gleich weniger macht ;) ) ist ein echter Anti-Held, bei dem nichts mehr „steht“ - der Anfang hat mich ehrlich gesagt etwas abgeschreckt, aber es wurde dann etwas besser. Dass er vom Brief erregt wird -hmm- da fehlt mir die männliche Perspektive.
Der Brief selbst ist poetisch, eine zutiefst verletzte Seele. Ich bin gespannt, welche Geschichte sich dahinter verbirgt.
Etwas nostalgisch habe ich mich bei folgender Aussage gefühlt:
„Wenger ist so alt, dass ein Brief noch Bedeutung hat für ihn, weil es ein echtes Schriftstück ist, in das jemand Worte eingewebt hat und das Tage gebraucht hat statt Sekunden, um anzukommen.“ (18)

Einige Bemerkungen noch: Sollte das Bücherverstecken nicht die Party aufmischen?
Alle aus der Familie haben ihren Namen verändert, außer Wenger...hat das noch eine Bedeutung? Warum ist Zoey mit jemandem zusammen, den sie nicht liebt? Um Jonathan zu vergessen, ihm zu zeigen, ich brauche dich nicht? Das gelingt ihr kaum, sie tut mir Leid, andererseits wirkt sie auch durchtrieben.
Jetzt lese ich weiter ;)
 

Literaturhexle

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Da die Bücher vorher ja versteckt wurden, steckte vlt aber schon der Plan dahinter
Sollte das Bücherverstecken nicht die Party aufmischen?
Also für.mich sah das nach einem Plan Aus, Wenger zu provozieren, der wie erwartet auf Reto losgeht.
Für andere Leute sind Bücher in der Regel langweilig. Die Kinder wissen allerdings, wie wichtig sie ihrem Vater sind und Reto scheinen sie auch nicht zu mögen. Das hat schon was Hintertriebenes.
 
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Literaturhexle

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die Wenger-Kapitel werden in der Er-Form, aber aus seiner personalen Perspektive erzählt. D
Stimmt! Danke! Mir kam beides wie ein Ich vor ;)
Ich finde die Sprache wunderbar, aber ich mag auch innovative Metaphern und Vergleiche.
Ja, da haben wir schon häufiger Überschneidungen im Geschmack gehabt.
Und ihre Bemerkungen zum neuen Deutsch,@Literaturhexle, hätte in unsere Diskussion von Middlemarch gepasst ;)
Da müsste ich in der Tat auch dran denken. Wenn man sie jugendliche Sprache betrachtet, wird es da kein Halten mehr geben. Ob es uns gefällt oder nicht :confused:.
Etwas nostalgisch habe ich mich bei folgender Aussage gefühlt:
Es ist zum Piepen, wenn wir unserem 21 jährigen Sohn sagen müssen, wo die Adresse und wo der Absender hinkommt.... Das kommt in dessen Lebenspraxis so selten vor, dass er fragen muss (bei handgeschriebenen Briefen natürlich nur).
 
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Es ist zum Piepen, wenn wir unserem 21 jährigen Sohn sagen müssen, wo die Adresse und wo der Absender hinkommt.... Das kommt in dessen Lebenspraxis so selten vor, dass er fragen muss (bei handgeschriebenen Briefen natürlich nur).
Das glaube ich dir gern. Meine Tochter schreibt sich gerade mit einer Freundin Briefe, obwohl sie sich täglich in der Schule sehen. Das ist "retro" oder "old school". Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt rückwärtsgewandte Trends, so hat eine Diskussion in meinem Abiturkurs gezeigt, dass die jungen Leute bei heiklen Themen lieber telefonieren statt what´s App zu schreiben, da werde man schneller missverstanden. Es gibt Hoffnung...
 
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Literaturhexle

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LA 2/ Zusammenfassung

Durch den personalen Erzählstil können wir tief in Wenger hineinschauen: Er entwickelt sich dadurch zu einem richtigen Ekelpaket. Er ist ein Rüpel auf der Straße, denkt sehr herabsetzend über Frauen im Allgemeinen, seiner Ehefrau hat er das Studium seinerzeit nicht gegönnt - Wäh! Aber nun der Reihe nach.

Um zu verhindern, dass sein Agent zu ihm nach Hause kommt, fährt er selbst nach München. In Gedanken spielt er die kommenden Dialoge durch, die wohl immer nach demselben Schema ablaufen. Er treibt aber auch in die Vergangenheit, wodurch wir mehr über Wenger erfahren. Patrizia war eine Studentin, er selbst hielt an der Hochschule Vorträge. Zum Schreiben war er eher zufällig während des Nachtdienstes als Portier in einem Bordell gekommen. Für Wenger sind Frauen Objekte, er vermittelt den Eindruck, dass er sie nur ins Bett bekommen will. Jede Frau wird gleich kategorisiert, inwiefern sie in sein Beuteschema passt, er hält sich selbst für ziemlich unwiderstehlich. Seine Gefühle der jungen Patrizia gegenüber (S. 85) fand ich schockierend:
[zitat]Das brachte er nie zur Sprache, und auch nicht, wie neidisch er darauf war, dass sie studierte und er nicht. Wie der Neid in ihm wütete und biss und wie er es später für eine gute Idee hielt, sie zu schwängern, damit sie das Studium nicht würde abschließen können.[/zitat]

Vieles an Wenger ist absolut berechnend und obenflächlich.
Seinem Agenten gesteht er die Schreibblockade, der gibt ihm den Rat, sich zur Ruhe zu setzen. Finanziell scheint das möglich zu sein. So ganz ist Wenger damit nicht einverstanden. Er möchte Patrizia zurück (nicht aus Liebe, sondern wegen verletzter Eitelkeit) und wieder Erfolg haben.

Der nächste Brief der Ich-Erzählerin Marlen ist sehr bewegend:
[zitat]Ich kratze die Geschichten aus meinem Leben, die eingeteilt sind in ein Davor und ein Danach.[/zitat]
Sie schildert das Kennenlernen zwischen sich und Wengers Vormieter. Sie war Buchhändlerin. Sie führte ihn in die Literatur ein:
[zitat]Ich verliebte mich in die Möglichkeit, gemeinsam mit dir die Literatur zu entdecken.[/zitat]
Er ist verheiratet, hat zwei Kinder. Seine Wohnung wird ihr gemeinsames Liebesnest. Viele Bücher werden erwähnt. Die Schreiberin ist eine zutiefst verletzte Seele. Sie schreibt:
[zitat] Mit Worten habe ich dich zu mir geholt, mit Worten verabschiede ich mich. Sobald ich diesen Brief in einen Umschlag stecke, und zur Post bringe, geht die Geschichte fort von mir. Meine Gefühle sind Geister wie ich.[/zitat]
Sie liest nichts mehr. Nichts. Für mich klingt das alles sehr nach einem tragischen Abschied.

Durch Zoeys Schilderungen bekommen wir einen fundierten Eindruck ins Familienleben der Wengers. Die Mutter lebt nur noch für ihre Follower in der Öffentlichkeit. Sie möchte so gerne mit ihrer Tochter abgelichtet werden, weil sie so stolz auf ihren eigenen durchtrainierten und -gestylten Body ist. Davon fühlt sich Zoey bedrängt und genervt, weicht ihr aus.

Zoey fand eine alte Polaroid Kamera. Sie fotografierte damit Einzelteile von sich selbst, als müsste sie sich selbst noch kennenlernen. Sie entdeckt eine Liebe zur Fotografie, von der aber nur ihr Bruder etwas weiß. Sie nimmt einen Assistentenjob bei Fred an, zweimal die Woche. (Der Mutter erklärt sie, sie sei während dieser Zeiten beim Pilates.)Das Geld spart sie für eine besondere analoge Kamera. Zunächst verläuft die Zusammenarbeit mit Fred gut, sie kann einiges von ihm lernen, darf seine Dunkelkammer benutzen.

Eine Begegnung mit Reto halte ich für wichtig. Er scheint sich in ihre Teenagerseele hineinfühlen zu können, sie fühlt sich von ihm verstanden (S. 117)

Nun passiert etwas Schlimmes: Zoey begleitet Fred auf eine Veranstaltung, wo Fotos gemacht werden. Es wird spät. Fred verspricht, sie nach Hause zu fahren. Auf dem Weg zum Auto bedrängt er sie. Sehr eindringlich werden diese Szenen geschildert: Niemand in der Nähe, sie kann vor lauter Schock nicht schreien... Zum Glück gelingt ihr die Flucht in ein nahe gelegenes Wäldchen. Bezeichnend, dass weder Vater noch Mutter telefonisch erreichbar sind (Wenger drückt den Anruf sogar weg!). Spin kommt mit seinem Freund Mario. Die beiden haben eine sehr, sehr enge, geschwisterliche Beziehung. Die Eltern waren von jeher unzuverlässig und egoistisch.

Wenger überlegt, welche seiner Verflossenen er anrufen könnte, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Er kommt auf Beate.
Vorher besucht ihn aber Patrizia, sie ist schockiert vom Zustand seiner Behausung und bittet ihn auch der Kinder wegen mehr auf sich zu achten. Er bekommt einen Energieschub und räumt auf. Dann ruft er Beate an.

Der nächste kurze Brief handelt von nicht eingehaltenen Grenzen. Das Thema passt zu Zoeys schlimmem Erlebnis und hat offensichtlich mit dem Übertreten sexueller Grenzen zu tun.
[zitat]Vielleicht war ich selbst schuld, irgendwie?[/zitat]
Zumindest hat sich das Gegenüber geschämt... Furchtbar.

Zoey geht zu Fred, sie will ihren Rucksack zurück, der im Auto geblieben war. Sie hat Angst. Fred verhält sich jovial, als sei nichts passiert. Sie bekommt den Rucksack und ein Geschenk: Die wertvolle Kamera Hasselblad 500c, auf die sie gespart hat, sowie 300 Euro extra. Schweigegeld?
Anschließend geht Zoey zu ihrem Freund Stefan. Sie haben einvernehmlichen, jedoch ziemlich unterkühlten Sex. Ihr ist das zuwider, sie zieht die Reißleine: "Wir müssen Schluss machen."
Stefan versteht es nicht (kann er auch nicht), akzeptiert aber die Grenze. In Zoey hallen die Worte des Briefes wieder: "Wo hat der Mensch seine Grenze...", "Vielleicht war ich selbst schuld, irgendwie...".

Zum ersten Mal antwortet sie einer Nachricht von Jonathan, indem sie auf eine Kindheitserinnerung Bezug nimmt.
 
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Literaturhexle

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Ich empfinde den Roman als absolut fesselnd. Wieder gelingt es der Autorin, verletzte Seelen zu zeigen, ihr Inneres. Dazu verwendet sie eine Sprache, die mich fasziniert. Ich muss aufpassen, dass ich keinen dieser herausragenden Sätze verpasse, die so viel Tiefe ausdrücken...
Da relativ viel passiert, helfen mir unsere Zusammenfassungen, den Überblick zu behalten.
Interessant sind die parallelen Bezüge zwischen der Briefschreiberin und Zoey. Vergessen habe ich zu erwähnen, dass Wenger in deren Buchladen mal eine Lesung abgehalten hat, wodurch ihm klar wird, um welche Buchhandlung es sich handeln muss. Dieser Berührungspunkt der beiden Leben könnte noch Bedeutung bekommen.
Gespannt lese ich weiter ;)
 

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Eine sehr schöne Zusammenfassung, @Literaturhexle, in der ich mich wiederfinde. Wenger empfinde ich auch als Ekel, der Frauen für seine Bedürfnisse nutzt. Zumindest bei Beate scheint das auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Seine Untreue ist auch der Grund für die Trennung von Patricia, sie hat ihn irgendwann vor die Tür gesetzt - verständlich.
Dass Wenger ihren Abschluss verhindern wollte, scheint aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus zu erwachsen, was die Sache nicht besser macht.
" Die Kritiker geilten sich auf an Wengers Herkunft, er selbst kam nie darüber hinweg. Er war sich sicher, dass sie in jedem Buch nach der Gosse suchten, aus der er stammte." (77) Das nagt an ihm, entschuldigt aber nicht sein Handeln.
Zum Brief: Die Sprache der Briefe ist wirklich unglaublich intensiv, dicht und metaphernreich. Dass die Schreiberin Buchhändlerin ist und Max Wenger kennt, spielt bestimmt noch eine Rolle, das sehe ich auch so, @Literaturhexle.
Ein Satz zur ihrer Beziehung mit dem Vormieter Max´ hat mir besonders gut gefallen: "Wir trafen uns in einer Welt, die nicht existiert. Bücher bieten eine bessere Zuflucht als jeder Mensch, ihre Geduld ist nicht endlich." (99)
Es ist ein Fantasiewelt, in der sie die Ehefrau und Kinder ausblenden...
"Die Sehnsucht schneidet in mich hinein wie eine Papierseite, ein Skalpell, sehr tief." (100) - eine zutiefst verwundete Seele!
Die Zoey-Kapitel sind immer mit Hashtag überschrieben, um die unterschiedliche Sprache zu betonen. Die Szene mit dem Bikini zeigt in aller Deutlichkeit, dass Zoeys Mutter keine Ahnung hat, was ihre Tochter möchte und sie immer nur in Bezug zu sich selbst wahrnimmt - als Werbeträgerin.
Interessanterweise findet Zoey mithilfe eines analogen Gerätes - einer Fotokamera - zu sich selbst, indem sie sich fotografiert, sieht sie sich bewusst: "Das bin ich. Ich bin wirklich da. Ich kann mich sehen." (104)
Ein Kontrastpunkt zur digitalen Welt ihrer Mutter, von der sie sich bewusst abgrenzt, daher macht sie Fotos von alten Menschen auf Bauernhöfen - authentisch, nichts retuschiert und geschönt.
Ihren Vater beschreibt sie als "terrible".
Die Szene mit Fred ist wirklich grauenvoll, man möchte am liebsten schnell weiterlesen, obwohl sie sich befreien kann, fühlt sie sich dennoch beschmutzt, denn ihre Grenze wurde gewaltsam überschritten. Ich denke auch, dass die Briefschreiberin ähnliches erlebt haben muss.
Schrecklich, dass sie sich die Schuld gibt und dafür schämt, dass jemand ihre Grenze überschritten hat. Wie daraus Verletzungen werden, die wie "Stacheln, eingewachsen in deine Haut" (137) sind.
Fandet ihr den Energieschub Wengers nachvollziehbar? Für mich kam er ein bisschen plötzlich, allerdings wird es auch langweilig, wenn er nicht in die Gänge kommt ;) Nett ist zumindest, dass er sich bei seiner Schwester bedankt - die erste freundliche Geste!
Die Art und Weise, wie Zoey mit Stephan Schluss macht, mit dem sie nur zusammen ist, um Jonathan eifersüchtig zu machen, erinnert an ihren Vater - das ist schon kaltschnäuzig, allerdings nach ihrem Erlebnis mit Fred auch nachvollziehbar. Das kann Stephan aber nicht wissen. Habe schon weitergelesen...
 
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LA 3: S.148-234
Wenger hat sich entschieden, Beate zum Essen einzuladen, und alles läuft wie erwartet. Flirten, an alte Zeiten anknüpfen, falsche Kompliment, nach Hause fahren und "vögeln". Während sie schläft, meldet er sich bei Tinder an - der Dating-App für Menschen, die nur Sex haben wollen. Seine Sicht auf die Briefschreiberin ist wenig schmeichelhaft, er glaubt, sie sei geflohen, weil sein Vormieter seine Frau nicht habe verlassen wollen.
Am nächsten Abend "beißt" eine junge Frau, Melanie, 27, auf Tinder an, die auf "dad bod" - Daddy-Bodys (?) steht. Diese Jugendsprache und die Abkürzungen sind wirklich gewöhnungsbedürftig, ich finde mich tatsächlich in Wengers Unverständnis wieder ;)
Die Begegnung ist völlig skurril, was will das Mädchen von ihm? Und dann der Moment, in dem Wenger ihr Gewalt antun möchte, eben jene Grenze überschreiten, von der Marlen gesprochen hat.
"Er möchte ihr dieses blöde Grinsen aus dem Gesicht wischen, mit seiner Handfläche, weil es doch das ist, was sie lieben, sie und ihre ganze Generation wischen, wischen. Er wünscht sich, dass sie alles tut, was er will und nach mehr verlangt." (166)
Doch es gelingt dem jungen Mädchen rechtzeitig zu gehen und Wenger sich zu beherrschen und die Begegnung ist der entscheidende Kick, der ihn wieder zum Schreiben bringt.
Im nächsten Brief erfahren wir etwas mehr von der Grenzüberschreitung, es handelt sich eindeutig um einen Missbrauch. Marlen fühlt sich markiert, sie findet nicht ins Leben zurück. Im Brief ist mir erneut das Motiv "Licht" aufgefallen, es kommt unglaublich oft vor.
"Morgens um halb vier ist das Licht so schwach, es könnte erlöschen für immer." Ich denke, am Ende des Romans ist das ein Punkt, über den ich gern noch reden würde.
Gleichzeitig spielt das Machtverhältnis zwischen Frau und Mann eine Rolle, das sich im Roman körperlich manifestiert.
"sind die Männer tatsächlich die Mächtigeren, weil sie körperlich überlegen sind?" (171) Ist es so simpel?
An Zoeys 18.Geburtstag ist ihre Mutter beruflich unterwegs, das Skypen und ihr Geschenk sind eine Katastrophe: ein gemeinsames Wellness-Wochenende, das Zoey in Trixies Welt einführen soll. Mit Kameras und und und - ich kann ihren Ärger nachvollziehen. Ihre Frage "Hat sie mich nicht gesehen, hat sie mich kein einziges Mal gesehen?" ist berechtigt.
Es gibt eine Szene, die mich berührt hat. Die Erinnerung an die Norovirus-Erkrankung, als sich Barbara, ihr Kindermädchen, aufopferungsvoll um die beiden Geschwister gekümmert hat, während ihre Mutter im Hotel (!) geschlafen hat.
Wie viele Nächte habe ich mit meinen Kindern im Bad verbracht..., sind das nicht die Momente, die uns zusammenschweißen? Kein Wunder, dass Zoey ihren Geburtstag mit Barbara und Spin verbringt. Und das Fotoalbum sagt alles - ein wunderschönes Geschenk!
Abends schmeißt sie ein Party im Sommerhaus, sie haben schließlich sturmfrei. Sie erkennt, dass ihr Bruder homosexuell ist und eine Beziehung mit Mario hat. Es freut sie, auch wenn sie traurig ist, dass sie nicht mehr Spins einzige Bezugsperson ist. Kurz darauf schläft sie mit Jonathan, der offenkundig nur an ihrem Körper interessiert ist, denn er kehrt danach seelenruhig an Majas Seite zurück - Zoey bleibt stumm...und fällt in ein Loch.
Auch sie liest die Briefe Marlens und glaubt, dass auch diese einen "Clash" - eine (versuchte) Vergewaltigung erlebt hat und deshalb geflohen ist. Für Zoey ist dies der Auslöser, sich als Artist zu bewerben. Sie will ihren Weg gehen.
Anlässlich ihres Geburtstages lädt Wenger seine Kinder in ein Nobelrestaurant - das Gespräch ist ein Krampf und er erkennt, dass er nicht über seine Kinder weiß. Wir erfahren, dass er selbst als Kind geschlagen wurde und kein Vorbild für die Vaterschaft gehabt hat. Es gibt einen Moment, als sie gemeinsam lachen, da denkt man, jetzt haben sie eine Chance. Wenger entschuldigt sich sogar, doch als er sein Frauenbild offenbart, kippt die Stimmung, da er Frauen, die sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind, selbst dafür verantwortlich macht. Nach dem Motto. erst reizen sie, dann beschweren sie sich. Ein heikles Thema für Zoey und eine Sichtweise, die Wenger nicht sympathischer macht. Dass er von seinem neuen Projekt erzählt, macht die Sache nicht besser, denn es gibt immer zwei Versionen der Geschichte, wie Zoey anmerkt, nicht nur die männliche.
"Das schweigen, das sich ausbreitet, ist so angefüllt mit all den Dingen, die sie nicht aussprechen, dass es Wenger vorkommt wie Lärm. So ein lautes Schweigen hat er überhaupt noch nie gehört." (213) Ob die Beziehung zu seinen Kindern noch zu retten ist?
Im nächsten Brief erzählt Marlen, dass die freundliche Berührung eines Mannes sie völlig aus der Bahn geworfen hat und es gibt ein weiteres Puzzlestück. Ein Mann wollte ihre Buchhandlung kaufen, er hat jenen Satz gesagt: "Sie sind doch nur eine Frau." (215). Gleichzeitig vermisst sie ihren Geliebten.
Zoey hat unterdessen die Matura bestanden und ihre "Beziehung" mit Jonathan beschränkt sich weiterhin auf Sex. Er denkt nicht daran, Maja zu verlassen. Zoey sehnt sich so sehr nach seiner Nähe, dass sie das Spiel mitspielt und er "hört nicht", dass sie ihn liebt. Nur in der Dunkelkammer fühlt sie sich wohl. Ich war überrascht, dass sie sich gewagt hat, dorthin zurückzukehren. Aber sie ist vorsichtig und achtet darauf, nicht allein mit Fred zu sein.
Am Ende dieses Leseabschnitts hat Spin seinen großen Auftritt im Theater, sein Vater ist nicht anwesend. Aus Wut zündet Spin danach die Bücher in Zoeys Zimmer an und verbrennt selbst fast dabei. Im Krankenhaus nähert sich Zoey ihrer Mutter an. Das gefällt mir an dem Roman, dass die Figuren nicht schwarz-weiß gezeichnet sind. Auch Patrizia hat ihre menschlichen Seiten.
Genug geschrieben ;)
 
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Ich bin völlig gefordert von der Dichte des Romans. Es passiert soviel Bedeutendes.
Wo ist Wenger schon wieder, als es drauf ankommt?!? Als seine Tochter verfolgt wurde, hat er sie weggedrückt. Nun erscheint er nicht im Theater. Was ein lausiger Vater!

Spin sehnt sich nach der Anerkennung des Vaters. Sie hat für Söhne eine große Bedeutung. Als er fragt: "Wo ist Papa?" ,benutzt er seit langem wieder die Anrede aus der Kindheit - wahrscheinlich weil er sich ähnlich verletzt fühlt. So sehr, dass er sich rächen muss und die Bücher verbrennt, die zum Wenigen zu gehören scheinen, was Wenger liebt.

Dass sich Zoey wieder ins Fotostudio traut, hat mich erstaunt. Aber ich verstehe ihr Argument "dass sie sich Raum zurückerobern muss". Wahrscheinlich muss man sich selbst beweisen, dass man keine Angst mehr hat... Hoffentlich geht das gut!
Die Dunkelkammer wird zum Refugium der Geborgenheit - ein kleiner Raum mitten im Feindesland.

Zoey lässt sich auf eine rein sexuelle Beziehung mit Jonathan ein. Wie kann sie in so jungen Jahren so leichtfertig mit Sexualität umgehen? Er benutzt sie doch nur! Die Beziehung zu Stefan war auch recht seltsam. Mir tut das leid, weil sie noch so jung ist! Gerade mal 18!

Der Vermieter scheint nicht der Täter gewesen zu sein (das dachte ich zuerst). Marlen hat Angst. Sie fühlt sich als waidwundes Reh, kann nicht mal harmlose Berührungen ertragen. Sie tut mir leid. Ich gehe von aus, dass es bei ihr nicht bei einer VERSUCHTEN Vergewaltigung geblieben ist...

Mal sehen, was die Autorin noch alles parat hält. Langweilig wird es jedenfalls nicht!
 
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LA 4: Kurze Zusammenfassung
Wenger schreibt an seinem neuen Roman und bleibt offline, daher hat er Spins Auftritt vergessen.
Einen schönen Satz über die Wirkung von Literatur: [zitat]Es ist Fiktion, es ist ein Märchen, so erfunden wie jeder Gott. Es schmerzt beim Lesen nur dann, wenn etwas anklingt, wenn dieser Splitter tief innen sich rührt, wenn eine Stimme sagt,Ja, so ist es, ich fühle es doch die ganze Zeit, ich weiß.(235)[/zitat]
Er schickt das Manuskript an seinen Verleger, der ihm Rückmeldung, noch sei der Roman unvollständig, da die Begegnung eines Politikers, der ein Mädchen sexuell belästigt hat, nur aus der männlichen Perspektive geschildert wird. Dann hat Wenger die zündende Idee, er tippt die Briefe ab - die weibliche Perspektive!
Im nächsten Brief manifestiert sich die Bedrohung. Marlens Laden wird verwüstet, mehrmals, dahinter steckt wohl derjenige, der ihren Laden kaufen will.
Zoey macht derweil Urlaub mit Spin, Mario und Liv, Jonathan hat ihr kurzfristig eine Absage erteilt. Zum ersten Mal fotografiert sie vor anderen, outet sich und es wird in einem Rückblick deutlich, dass auch er sie nicht so sieht, wie sie ist: eben nicht cool und gleichgültig, sondern sensibel und verletzbar.
Ebenso wie Spin, der von Marios Liebeserklärung überfordert ist. Zoey bestärkt ihn darin, dass er wert sei, geliebt zu werden und erzählt ihm von Fred!Die Dichte und Aktualität des Romans ist wirklich beeindruckend, aus Zoeys Sicht wir der Körperkultur und die Uniformität angeprangert, dass alle direkt nach ihrem aAussehen kategorisiert werden. Oder die Bemerkungen zur Individualisierung der Liebe, heute kann fast jede jeden wählen, @Literaturhexle, wie viel hat sich seit Middlemarch verändert!
Wenger offenbart sein Denken, indem er in der Oper denkt, für Frauen sei die Unterwerfung das Natürliche und daran sieht man, dass sich im Denken mancher Männer leider nicht viel verändert hat. Hat er die Briefe wirklich verstanden oder sie benutzt, damit sich das Buch verlegt wird?
Und dann lesen wir im nächsten Brief, was wir bereits geahnt haben. Fallwinkel schont uns nicht - grauenvoll, was Marlen zustößt. Das Verhalten der Polizei hat regelrecht Aggressionen bei mir ausgelöst - männliches Denken in Reinkultur. Soll sie halt nicht so aufreizend sein. Sorry, aber da könnte ich kotzen:mad:. Ein Nein bleibt ein Nein, da kann Frau noch so sehr geflirtet haben. Grenzen bleiben Grenzen, aber das in den Köpfen zu verankern, wird noch lange dauern...oder nie gelingen?
Unglaublich ist auch der Verrat ihres Geliebten, wie kann er sie allein lassen in solch einer Situation???
Zoey: Nachdem Jonathan sich nicht mehr bei ihr gemeldet hat, leidet sie, sie vermisst ihn und kann nichts mehr essen. Erst in ihrem Projekt #distorted findet sie zurück zu sich selbst, bis sie in der Dunkelkammer ein Bild von sich entdeckt, das Fred von ihr kurz vor dem Clash gemacht hast. Sie zerreißt es, zerstört die geschwenkte Kamera und lässt die Dunkelkammer hinter sich.
Eine Erinnerung zeigt, wie sie und Jonathan Freunde geworden sind. Diese verstreuten Rückblicke sind sehr erhellend, wie Blitzlichter ;)
In ihrer Wut fährt Zoey zu ihrem Vater und findet das Manuskript, sie erkennt, dass er die Briefe abgeschrieben hat und wirft ihm an den Kopf, dass er keine Ahnung hat, wie sich eine Frau fühlt. Ihre Anspielungen versteht er nicht, das Gespräch scheitert...