3. Leseabschnitt: Zweites Buch - Alt und Jung (S. 169 - 307)

SuPro

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Wieso findest du, nicht?
...sind Autor und Erzähler grundsätzlich nicht identisch? Das würde ich eigentlich anzweifeln wollen. Ich denke, dass es manchmal so ist und manchmal so. In meinen Augen wäre es seltsam, wenn es da eine literaturwissenschaftliche Standardregel gibt ... im Sinne von „das ist immer so oder nie so...“ aber ich kenne mich da tatsächlich nicht aus. Das ist jetzt nur aus dem Bauch heraus…

...und ja, hier bin ich tatsächlich geneigt Autorin und Erzählerin gleich zu setzen… Glaubst du nicht, dass es so ist?
 

nineLE

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...sind Autor und Erzähler grundsätzlich nicht identisch? Das würde ich eigentlich anzweifeln wollen. Ich denke, dass es manchmal so ist und manchmal so. In meinen Augen wäre es seltsam, wenn es da eine literaturwissenschaftliche Standardregel gibt ... im Sinne von „das ist immer so oder nie so...“ aber ich kenne mich da tatsächlich nicht aus. Das ist jetzt nur aus dem Bauch heraus…

...und ja, hier bin ich tatsächlich geneigt Autorin und Erzählerin gleich zu setzen… Glaubst du nicht, dass es so ist?
doch ich schon, aber nicht die Querleserin, siehe oben ihr Beitrag;), deshalb fragte ich sie, wieso meint sie nicht...?
 

Querleserin

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...sind Autor und Erzähler grundsätzlich nicht identisch? Das würde ich eigentlich anzweifeln wollen. Ich denke, dass es manchmal so ist und manchmal so.
Literaturwissenschaftlich gesehen unterscheidet man streng zwischen dem Autor und dem Erzähler, den der Autor ebenso wie die Geschichte erfindet. Autor --> Erzähler ---> fiktiver Leser --> tatsächlicher Leser. Diese "Kette" ist sozusagen die Grundregel der Interpretation, sonst könnte es keinen unzuverlässigen Erzähler geben. Natürlich versteckt sich hinter dem Erzähler oder einer Erzählerin auch die Autorin. Die biographischen Bezüge, die man in einem Roman untersucht, zeigen ja, dass man diesem Umstand Rechnung trägt. Und natürlich ist es umso verlockender, Erzähler und Autorin gleichzusetzen, da die Erzählerin in der Ich-Form erzählt. Und ich gehe davon aus, dass der Erzähler tatsächlich die Meinung Eliots widergibt, aber 100% sicher können wir nicht sein, es sei denn, es gäbe ein Dokument, in dem sie genau das so festgesetzt hätte ;). Daher unterscheidet die Literaturwissenschaft den Autor vom fiktiven Erzähler ;)
Letztlich ist das für unsere Diskussion aber unerheblich, meiner Meinung nach nutzt Eliot die Erzählerin als Sprachrohr für ihre eigene Meinung, auch wenn der Erzähler fiktiv ist ;)
 

SuPro

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Literaturwissenschaftlich gesehen unterscheidet man streng zwischen dem Autor und dem Erzähler, den der Autor ebenso wie die Geschichte erfindet. Autor --> Erzähler ---> fiktiver Leser --> tatsächlicher Leser. Diese "Kette" ist sozusagen die Grundregel der Interpretation, sonst könnte es keinen unzuverlässigen Erzähler geben. Natürlich versteckt sich hinter dem Erzähler oder einer Erzählerin auch die Autorin. Die biographischen Bezüge, die man in einem Roman untersucht, zeigen ja, dass man diesem Umstand Rechnung trägt. Und natürlich ist es umso verlockender, Erzähler und Autorin gleichzusetzen, da die Erzählerin in der Ich-Form erzählt. Und ich gehe davon aus, dass der Erzähler tatsächlich die Meinung Eliots widergibt, aber 100% sicher können wir nicht sein, es sei denn, es gäbe ein Dokument, in dem sie genau das so festgesetzt hätte ;). Daher unterscheidet die Literaturwissenschaft den Autor vom fiktiven Erzähler ;)
Letztlich ist das für unsere Diskussion aber unerheblich, meiner Meinung nach nutzt Eliot die Erzählerin als Sprachrohr für ihre eigene Meinung, auch wenn der Erzähler fiktiv ist ;)
... danke für diese Ausführungen, liebe Querleserin. Jetzt habe ich was dazugelernt!
Dann nehme ich diese literaturwissenschaftliche Regel jetzt einfach mal so hin
 

Querleserin

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Wandablue

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Erstes Resümee von LA 3:
Die Figuren gefallen mir alle sehr. In ihrer Gesamtheit kommen sie mir oft komisch vor.

Mr. Lydgate hängt sein Fähnchen nach seinem Vorteil. Nennt man das einen Opportunisten? Die Autorin belegt ihn als "Zwitter". Zum einen ist er sterbsam, will das Neue, Reformen, ist fleißig und in Maßen ehrgeizig, ist intelligent und anpassungwillig. Aber andererseits ist er auch einer, der über Leichen geht, wenn es sein muss. (Eine erste Einschätzung).

Der Pfarrer Mr. Farebrother ist der Gutmensch im Stück. Der notwendigerweise auf der Strecke bleiben müsste.

Interessant das Tauziehen zwischen Bulstrode und Viney.

Die Damen bleiben ein wenig zurück. Roasmond ist schön, aber langweilg, Mary ist gut und in gewisser Weise dumm.

Dann wechslen wir den Ort und kommen nach Rom und da verstehe ich nicht alles: Seltsam, dass Dodo die Schönheit nicht schätzen kann, nicht einmal intuitiv erkennen? Es gibt auch viele Unterhaltungen, deren Inhalt ich nur vage verstehe, die Sätze der Autorin sind total verschnörkelt und altertümlich. Ich kann nicht sagen, dass sie mich begeistern. Dankbar zu verzeichnen sind Phasenlosigkeiten. Die mir bei modernen Romane so auf die Nerven gehen.

Ich weiß nicht, ob mir das Buch gefällt. Die Figuren ja, aber die Sätze, das Verschwurbelte gefällt mir eher nicht so sehr.

Will ist oberflächlich und undankbar. Aber eben auch jung und empfindsam.
 

Wandablue

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Auch Will ist abhängig - von Casaubon - auch er will sich befreien... ob das wohl klappt?

Da habe ich momentan genau so große Zweifel wie Casaubon, der zwar trocken ist, aber doch eine gewisse Lebenserfahrung hat.

Ich finde es schön/angehmen/interessant, dass die erzählende Stimme versucht, auch den negativ angelegten Charakteren Gerechigkeit widerfahren zu lassen. So wird u.a. versucht, Lydgates Gewissensentscheidung zu begründen (obwohl Lydgate sich einfach in die Tasche lügt über seine Motivation).
 

Wandablue

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D. hat in ihrem Boudoir in Rom einen Weinkrampf

Ah, Dodo kommt mir recht überspannt vor.

Was ich wirklich zum Brüllen komisch fand:
Wie Naumann, Will’s deutscher Malerfreund, an ein Bild von D. kommt.
Von Anfang an wollte er sie malen. Nur sie! Und er wendet, schlau, charmant und gerissen wie er ist, einen echt guten Trick an, um C. nicht zu erzürnen: er schmeichelt sich bei ihm ein, indem er erst seine hochinteressante Physiogomie zu Papier bringen will. :D

Von diesen diplomatischen Winkelzügen kann man noch was lernen! ;-)

"Es war gefährlich, auf Wissen als Qualifikation für ein besoldetes Amt zu bestehen" - muss man im Zusammenhang sehen. Es ist in Middlemarch gefährlich, weil man dort eher parteiisch wählt und jeder jeden kennt und es einem übel genommen wird, wenn man gegen jemanden votet (na ja, ein bisschen allgemein ist es schon, ich denke, deshalb hat man die geheime Wahl eingeführt).

Allerdings beeinflusst sie uns auch und liefert uns ihre Interpretation -

ABER so was von!!
 

Wandablue

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etztlich ist das für unsere Diskussion aber unerheblich, meiner Meinung nach nutzt Eliot die Erzählerin als Sprachrohr für ihre eigene Meinung, auch wenn der Erzähler fiktiv ist

Genau. Hätte es nicht treffender ausdrücken können. Sie hat ja ein Publikum im Auge ... und das sind nicht wir!
 

ElisabethBulitta

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Da habe ich momentan genau so große Zweifel wie Casaubon, der zwar trocken ist, aber doch eine gewisse Lebenserfahrung hat.

Mir sind diese "Jungen" auch ein wenig suspekt. Oder was heißt "suspekt"? Ich habe das Gefühl, und das gilt auch für Fred, ihnen fehlt es noch ein bisschen an Realitätssinn.
 

MRO1975

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Freds Vater setzt seinen Schwager Mr.Bulstrode unter Druck, damit dieser gegenüber dem reichen Erbpnkel entsprechend aussagt. Interessant ist, dass er erst nachgibt, als Mr. Vincy seine Schwester erwähnt. Sie hat Mr.Bulstrode wohl in der Hand- die heimliche Macht der Frauen ;)
Interessant ist, dass Bulstrode den Brief am Anfang gar nicht schreiben wollte, weil er Fred tatsächlich zutraut, Geld auf ein etwaiges künftiges Erbe zu leihen. Seine Frau scheint ihn unter Druck gesetzt zu haben und er hat sich den Familienbanden gebeugt. Allerdings hat er seinen Brief köstlich formuliert. Viele Worte geschrieben, aber Nichts gesagt, auf das man ihn festnageln könnte. Hätte ein Jurist kaum besser gekonnt. :)
 

MRO1975

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Darauf kündigt sie an, den neuen Bewohner Lydgate vorzustellen, was sie mit aller Ausführlichkeit tut - ein Abschnitt, den ich teilweise etwas langatmig empfunden habe. Wir erfahren von seinem Ehrgeiz, seinen neuen Heilmethoden und dem Bestreben im neuen Krankenhaus zu arbeiten, was ihn letztlich dazu bringt für Tyker als Kaplan zu stimmen, da dies Bulstrodes Mann ist und er ist der Finanzier des Krankenhauses, wenn ich das richtig verstanden habe, obwohl Lydgate lieber für den Liberalen Pfarrer Farebrother gestimmt hätte - aber er gibt seinen Opportunismus offen zu.
Ich fand den Abschnitt über Lydgate auch etwas langatmig, kam aber nicht umhin, seine Forschung mit der von Casaubon zu vergleichen. L erforscht neue Methoden und will Licht in Unbekanntes bringen, ist zukunftsgewandt. C forscht in der Vergangenheit und hat außer Quellenstudium offenbar noch nichts Neues hervorgebracht. Unterschiedlicher könnten Forschungen wohl nicht sein.
 

MRO1975

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was ihn letztlich dazu bringt für Tyker als Kaplan zu stimmen, da dies Bulstrodes Mann ist und er ist der Finanzier des Krankenhauses, wenn ich das richtig verstanden habe, obwohl Lydgate lieber für den Liberalen Pfarrer Farebrother gestimmt hätte - aber er gibt seinen Opportunismus offen zu.
Lydgate muss sich hier das erste Mal beugen und gegen seine Überzeugung handeln. Die Zwänge in der Provinz sind offenbar nicht zu unterschätzen.
 

MRO1975

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Sehr interessant fand ich die Episoden in Rom, die beginnende Desillusionierung Doros. Sie wirkt viel natürlicher und sympathischer als im ersten Teil- arglos, leidenschaftlich und wird als sehr anziehend von Will wahrgenommen,der sich in sie verliebt.
Die Abschnitte fand ich auch interessant. Rom hat D offenbar gezeigt, was ihr bevorsteht. C verbringt einen Großteil seiner Zeit mit seinen Forschungen, an denen D nicht teil hat und sie ahnt, dass sie davon auch nichts verstehen wird. Hat irgendwer verstanden, was genau C eigentlich erforscht? Mir scheint das entgangen zu sein oder ich hab es nicht verstanden.
 

MRO1975

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Lydgate‘s innerer Zwiespalt im Anbetracht der Entscheidung zwischen den beiden Kandidaten wird äußerst nachvollziehbar und nachfühlbar dargestellt.
Die verschiedenen Fäden, die bei der Entscheidung an ihm ziehen, werden wirklich gut dargestellt. Am Ende ist wohl offen, wer der bessere Kaplan ist, evtl. sogar Tyke, der offenbar auch mehr Zeit hat. Trotzdem verbleibt das unangenehmes Gefühl, dass Lydgate sich für T entschieden hat, weil B es erwartet hat.