2. Leseabschnitt: Anfang des zweiten Teils bis Kap. 9 (S. 96 bis S. 196)

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Das hängt vermutlich davon ab, welches Verhältnis man zu seiner Familie hat. Von mir kann ich bspw. behaupten, dass ich gegenüber meiner Familie mit nichts hinter dem Berg halte. Wobei, wenn ich tief in mich gehe, es doch kleine Geheimnisse gibt, die ich nicht erzähle (später vielleicht :rolleyes:) Aber dennoch sieht meine Familie keinen anderen Menschen in mir, als der, der ich bin.
Und das ist der Knackpunkt bei der Familie Sorenson. Ich glaube, dass das Bild, das jeder von dem Anderen hat, ein Trugbild ist. Insbesondere bei Marilyn wird dies deutlich. Durch den Wechsel auf ihre Erzählperspektive lernen wir eine Marilyn kenne, die ihre Töchter und vermutlich auch David anders erleben, als wir es tun.
Klar! Was ich sagen wollte ist, dass ein jeder eine dosierte Informationspolitik dem jeweiligen gegenüber angepasst betreibt und das jeweilige Gegenüber sich die passenden Gedanken zum Handeln und Nichthandeln macht, um sich daraus ein Bild zur betreffenden Person zu basteln. Aber dieses Bild ist nie ein vollkommenes, es fehlen immer Teile, in der Größe ist dies natürlich variabel. :)
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich denke, es hängt damit zusammen, dass Violet eine saubere Weste behalten möchte, nicht die Schmach der unehelichen Geburt tragen will und das Kind von Anfang an irgendwie loswerden wollte. Abtreibung kommt bei Katholiken nicht infrage...

Das würde ich nicht pauschalieren. Kommt ja immer drauf an, wie gläubig und papsttreu mal als Katholik/in ist. Es hat vielleicht auch nicht nur mit der Konfession zu tun. In den USA gibt es einige Freikirchler und Protestanten, die auch sehr fromm oder fundamentalistisch sind.
Ich denke, bei Violet war es noch nicht mal vordergründig dieser religiöse Aspekt. Sie wollte das Kind halt einfach nicht, weil es nicht in ihre Lebensplanung gepasst hat. Und nun fällt es wieder auf sie zurück und Jonah passt erneut nicht in ihre Lebensplanung.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Das würde ich nicht pauschalieren. Kommt ja immer drauf an, wie gläubig und papsttreu mal als Katholik/in ist. Es hat vielleicht auch nicht nur mit der Konfession zu tun. In den USA gibt es einige Freikirchler und Protestanten, die auch sehr fromm oder fundamentalistisch sind.
Ich denke, bei Violet war es noch nicht mal vordergründig dieser religiöse Aspekt. Sie wollte das Kind halt einfach nicht, weil es nicht in ihre Lebensplanung gepasst hat. Und nun fällt es wieder auf sie zurück und Jonah passt erneut nicht in ihre Lebensplanung.
Du wirst recht haben, aber inzwischen hin ich fast am Ende und muss versuchen nix zu verraten von den ohnehin dünn gesäten Überraschungen.
 
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Reaktionen: Literaturhexle

Literaturhexle

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Sie wollte das Kind halt einfach nicht, weil es nicht in ihre Lebensplanung gepasst hat. Und nun fällt es wieder auf sie zurück und Jonah passt erneut nicht in
Den Schock kann ich nachvollziehen! Die Entscheidung gegen ein Kind ist immer schwer - sei es eine Abtreibung oder die Adoptionsfreigabe. Man geht davon aus, dass das endgültig ist und dann....

Im späteren Kapitel bekommen wir noch vage Informationen, wie es zu der Adootionsidee kam.
 

Literaturhexle

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Nicht unbedingt. Für mich hat das etwas mit Privatsphäre zu tun. Ich finde es absolut legitim, Dinge, die die Familie betreffen, nicht nach Außen zu tragen.
Da bin ich total deiner Meinung.
Aber ich spiele auch kein Theater. Wenn mein Kind Schulschwierigkeiten hat, muss ich der Nachbarin nichts von dessen grandiosen Leistungen erzählen. Wenn ich eine Ehekrise habe, muss ich öffentlich nicht die große Liebe zur Schau stellen. Ich habe eher in diese Richtung gedacht.
 

Sassenach123

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Stimmt, jeder lebt sein Leben, auch die Paare, die zusammen leben. Jede(r) hat seine Befindlichkeiten, und in meinen Augen gibt es kein wirkliches Miteinander, nicht wirklich Achtsamkeit und Verständnis für den anderen. Es erscheint von außen nur so, und Jonah ist vielleicht derjenige, der alles aufmischen wird...
Verstehe was du meinst, allerdings finde ich, dass Jonah mit seinen Eindrücken und Schlussfolgerungen den Nagel zwar auf den Kopf trifft, dennoch kaufe ich dies der Autorin nicht so ganz ab. Auf der einen Seite der schlaksige Teenager, dann jemand der klar hinter die Fassade solcher komplexen Strukturen schauen kann. Er analysiert zum Beispiel Wendy Verhalten so wie man es von einem erfahrenen Erwachsenen erwarten würde.
Allerdings funktioniert die Geschichte halt wohl nur so, vermute ich zumindest.
 

Sassenach123

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Mittlerweile finde ich doch gefallen an dem Roman.

Marylins Darstellung ihrer Gefühle, als sie sich Dr. Fletcher erklärte, haben mich nachdenklich gestimmt. " Den größten Spaß, den ich je hatte" sagte sie da, um sich im Grunde zu rechtfertigen für ihr Leben, dafür, dass sie sich für eine Familie entschieden hat. Doch eigentlich hat sie sich ihr Leben anders vorgestellt. David ist zwar Stolz auf sie, bewundert es sehr, wie sie sich um die Mädchen kümmert, aber er arbeitet seither noch mehr. Warum? Ist es eine Flucht? Will er in dieser Idylle nicht stören?
Warum Wendy Jonah aufgenommen hat, verstehe ich überhaupt nicht. Auf mich wirkt es so, als ob sie sich und Violet etwas beweisen möchte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Jonah gut tut bei ihr zu leben. Er findet es zwar cool, aber für einen Teenager vielleicht doch nicht unbedingt das richtige, zumindest was den offen zur Schau gestellten Alkoholkonsum und das ausleben des Sexualtriebes angeht. Aber vielleicht habe ich da einfach andere Vorstellungen.....
 

Sassenach123

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Mir ist bislang von allen Personen Wendy die Liebste. Sie hat aufgrund ihres Geldes den Bonus, machen und sagen zu können was sie will. Ich mag ihren Zynismus. Damit kompensiert sie natürlich ihre Einsamkeit, und mit Alkohol und den jungen Männern. Aber das kann ich gut nachvollziehen.

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist dass Violet und Wendy die Schwangerschaft und Geburt verheimlicht haben. Das ist so viktorianisch und erstaunlich. Wenn Violet sich nicht an ein Kind "ketten" wollte, warum macht sie das dann mit später mit Mann und zwei Kindern. Hubschraubermutter auf der einen Seite und für Jonah kann sie nicht mal Sympathie entgegen bringen. Ich mag sie nicht :)

Für Liza tut es mir leid, dass ich erst vor wenigen Tagen "Laufen" von Isabell Bogdan gelesen habe. Auch hier hat die Protagonistn eine Beziehung zu einem Mann mit Depressionen. Da kann Liza leider nicht mithalten.

Grace bekommt so wenig Beachtung. Nicht nur von der Familie, sondern auch von der Autorin. So wenige Zeilen für Grace. Ich hoffe Grace rappelt sich auf und bringt was weiter.

Ja, und Marilyn ist wohl ein bisschen das Kind ihrer Zeit. Katholisch, irisch, dauerschwanger. So viel Spaß wie sie damit hat ;) Von der irischen Lyrik zur Eisenwarenhandlung (wobei ich das wiederum ein bisschen atypisch für eine Frau finde).
Stimmt, bisher gab es nur wenig über Grace zu erfahren. Vielleicht bekommt sie in den nächsten Abschnitten eine größere Präsenz. Der Umschlag mit dem Geld wird ihre Probleme ja nicht lösen können......
 

parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Meine geringe Lesegeschwindigkeit hängt nicht damit zusammen, dass mir das Buch nicht gefällt, sondern mit der Tatsache, dass die Arbeitstage gerade derart anstrengend sind, dass ich gefühlt nur noch zum Schlafen nach Hause komme. Echt dämlich. Aber nun ist WE und zack, Abschnitt beendet.

Tatsächlich lässt sich der Roman sehr gut lesen, und mittlerweile kann ich die Personen trotz ihrer Vielzahl auch gut auseinanderhalten. Es stimmt, vieles bleibt sehr oberflächlich, aber ich glaube, dass Marilyn mit ihrer Entscheidung für die Kinder und gegen ihren Beruf mit einer Betonierung ihrer Rolle bezahlt hat. Die Entscheidung ist gefallen, und nun hat sie die Rolle zu spielen und zumindest so zu tun, als hätte sie dabei den größten Spaß der Welt. David blickt hinter die Fassade, weil er den Alltag mit ihr lebt, aber ich könnte mir vorstellen, dass Marilyn sich immer mehr hinter diese Fassade verzogen hat, bis sie sie sozusagen selbst glaubte. Allen - und sich schließlich auch selbst gegenüber - mimt sie die perfekte Ehefrau, Mutter und Hausfrau. Und wer will hinter solch einer perfekten Fassade schon zurückstehen? Die Töchter müssen doch zwangsläufig beweisen, dass sie ebenfalls mit allen Widrigkeiten gut zurechtkommen und egal was auch passieren mag, eine perfekte Fassade aufrecht halten.

Der Ginkobaum ist eine etwas müde Metapher, das finde ich allerdings auch. Er wirkt so stark und unbesiegbar, und doch sorgt der Honigpilz allmählich für sein trauriges Ende. Ein Sinnbild für die Ehe von Marilyn und David - an den Wurzeln nagen all die ungesagten und ungelebten Dinge. Selbst wenn @Renie noch nicht verraten hätte, dass die Ehe scheitern wird, würde es wohl spätestens jetzt jedem etwas 'geübten' Leser dämmern...

Der Roman mag an der Grenze zur Trivialliteratur kratzen, aber mir gefällt er trotzdem bislang ganz gut. Ich mag zuweilen Geschichten, die sich Zeit lassen und mich ganz allmählich in sich einlullen... :rolleyes: