Thema "Der Klang der Zeit" von Richard Powers

Literaturhexle

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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Klang der Zeit: Roman (Literatur) von Richard Powers
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Wieder haben sich zwei Leserinnen zusammen gefunden, um sich hier über ein Buch auszutauschen.

Richard Powers ist ein großer amerikanischer Autor. Mit seinem neuesten Werk "Die Wurzeln des Lebens" steht er auf der Longlist des Bookerpreises.

Das Werk "Der Klang der Zeit" ist bereits 2004 in Deutschland erschienen. Hier die Inhaltsangabe laut Amazon:

In Richard Powers grandiosem Roman Der Klang der Zeit ist das legendäre Konzert eine wichtige Schlüsselszene. Nicht nur treffen sich hier die Eltern der Hauptfiguren zum ersten Mal und finden über ihre Liebe zur Musik zueinander, der Gegensatz zwischen trennendem Rassismus und versöhnender Kunst, unter der Marian Anderson zu leiden hatte, wirft von Beginn an auch einen bedrohlichen Schatten auf die Beziehung zwischen dem deutsch-jüdischen Emigranten David Strom und der Afroamerikanerin Delia Daley. Auch wenn David und Delia alles tun, um ihre drei Kinder vor dieser Bedrohung zu schützen, erweist sich die destruktive Kraft rassistischer Vorurteile letztlich stärker als die Kraft der Musik, aus unterschiedlichen Stimmen harmonische Kompositionen zu formen. Am Ende zerbricht die Familie und die Musik, die durch die Geschichte weht, wird zum Abgesang auf eine Utopie: die Überwindung des Rassismus durch den Einklang von Schwarz und Weiß.

@MRO1975 @Literaturhexle
Weitere Mitleser willkommen!

Aufgrund weiterer Leseverpflichtungen ;) werden wir den rund 750 Seiten starken Roman über einen längeren Zeitraum lesen.
 
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S. 5 ff. Dezember 1961

Das Eingangskapitel gewährt Vor- und Rückblicke zugleich. Jonah gewinnt seinen ersten bedeutenden Gesangswettbewerb. Der Erzähler Joey erzählt aus der Ich-Perspektive, allerdings rückblickend aus einer Zukunft 40 Jahre später. Ein interessanter Kniff! Denn dadurch kann Joey viele Dinge aus der Zeit vor und nach dem Wettbewerb andeuten und es werden viele Fragen aufgeworfen. Zur Zeit des Wettbewerbs ist die Mutter der beiden Jungen offenbar schon verstorben. Die Familie wird später wohl auseinander fallen und Jonah mit um die 50 versterben. Die Diskriminierung ist 1961 allgegenwärtig. Jonah als Sieger des Wettbewerbs wird teils gefeiert, muss sich aber wegen seiner Hautfarbe auch anfeinden lassen.
 
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S. 12 ff. Winter, um 1950

Die Perspektive wechselt zum allwissenden Erzähler. Es wird geschildert, wir die Jungen aufwachsen. Sie werden von ihrer Mutter ausgebildet - mit viel Musik. Überhaupt wird in der Familie unheimlich viel gesungen. Dabei wird Jonahs Talent entdeckt.
 
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S. 21 ff. Das Gesicht meines Bruders

Jonah soll gesanglich ausgebildet werden und singt an einer Musikschule vor. Obwohl er eine herausragende Leistung darbietet, wird er nicht angenommen. Dieses Mal angeblich nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern weil sein Vater Jude ist....

Später singt er Remenyi vor und bekommt ein Stipendium.

Immer wieder die Frage: Was seid ihr eigentlich? Die genetische Abstammung von einem Juden und einer Afroamerikanerin ist für viele Mitmenschen verstörend, wohl weil sie nicht wissen, in welche Schublade sie die Jungen stecken sollen.
 
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S. 37 ff. Ostern 1937

Schon wieder ein Zeitsprung und wechselnde Erzählperspektiven.

Dreh- und Angelpunkt ist ein öffentlicher Auftritt von Marian Anderson, der man, weil sie schwarz ist, den Auftritt auf der besten Bühne Amerikas verboten hat. Der Auftritt wird zu einem politischen Ereignis. Marian Anderson wird dabei eine Rolle aufgebürdet, die sie eigentlich nicht tragen will - sie will nur singen.

Dalia Daley und David Strom sind beide an diesem Tag dabei - sie sind sich aber noch nicht begegnet. Dalia arbeitet hart als Krankenpflegerin und besucht parallel eine Gesangschule. Ihr Vater hätte es lieber gesehen, wenn sie die erst schwarze Rechtsanwältin oder Ärztin geworden wäre, Dalia will aber ebenfalls nur singen.

David ist aus Europa geflohen, dem Tod drei Mal entkommen, wie er sagt.

Der Ton ist insgesamt skeptisch. Obwohl der Auftritt ein politisches Statement ist, wird durchweg klargemacht, dass sich an der Rassentrennung noch lange nichts ändern wird. Das muss ja auch Jonah noch viele Jahre später erleben.
 
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Ich danke dir für die Zusammenfassung. Sie wird uns mit Sicherheit hilfreich sein, weil das Buch doch sehr viel an Details bereithält, die später wieder gebraucht werden könnten.

Das letzte Kapitel über das Konzert 1939 war zwar etwas lang, hat aber die Atmosphäre vor dem Lincoln Memorial sehr gut eingefangen. Positiv ist, dass es auch damals schon viele Menschen gab, die die Rassentrennung verurteilt haben. Leider hält sie sich jedoch bis heute :(

Ich freue mich, dass im Folgenden der Ich-Erzähler wieder loslegt. Die Familiengeschichte reizt mich bislang mehr.
 

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Das letzte Kapitel über das Konzert 1939 war zwar etwas lang, hat aber die Atmosphäre vor dem Lincoln Memorial sehr gut eingefangen. Positiv ist, dass es auch damals schon viele Menschen gab, die die Rassentrennung verurteilt haben. Leider hält sie sich jedoch bis heute :(
Ich fand das Kapitel auch lang, aber wie du schon sagtest, die Stimmung ist gut eingefangen. Ich denke, bislang macht der Autor immer noch eine Art Bestandsaufnahme und hoffe, dass es nun bald mit der Familiengeschichte weitergeht.

Mich hat auch sehr bewegt, wie offen die Feindseeligkeit gegen Schwarze ausgelebt wurde. Dalia erlebt die Diskriminierung täglich bei ihrer Arbeit. Frau Anderson wird ein öffentlicher Auftritt verwehrt. An anderen Orten darf sie zwar singen, bekommt aber kein Hotelzimmer, weil sie schwarz ist.

Ich sehe zudem eine Parallele zwischen Dalia und Frau Anderson. Beide wollen die ihnen zugedachte Rolle als schwarze Vorreiterin eigentlich nicht. Nur Frau Anderson kann sich dieser Rolle nicht entziehen. Mal sehen, inwieweit das noch eine Rolle spielt.
 

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Dalia erlebt die Diskriminierung täglich bei ihrer Arbeit. Frau Anderson wird ein öffentlicher Auftritt verwehrt. An anderen Orten darf sie zwar singen, bekommt aber kein Hotelzimmer, weil sie schwarz ist.
Das ist ein dermaßen ambivalentes Verhalten, dass es weh tut!
Die haben ja in den 60ern Schwarze noch gerne als Kindermädchen verpflichtet, das musste dann aber unbedingt ein EIGENES Klo haben... Hallo?!? Mein Kind vertraue ich ihnen an, obwohl sie ansteckend/dreckig sind:confused:?
Diese Vorurteile sitzen dermaßen fest... Schlimm ist das!
 

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Das ist ein dermaßen ambivalentes Verhalten, dass es weh tut!
Die haben ja in den 60ern Schwarze noch gerne als Kindermädchen verpflichtet, das musste dann aber unbedingt ein EIGENES Klo haben... Hallo?!? Mein Kind vertraue ich ihnen an, obwohl sie ansteckend/dreckig sind:confused:?
Diese Vorurteile sitzen dermaßen fest... Schlimm ist das!
Das stimmt! Das ist so widersprüchlich, aber das scheint keiner wahrzunehmen.
 

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S. 59 ff. Mein Bruder in Alt Heidelberg

Joey erzählt weiter von der Kindheit der Jungen. Jonah hat ein Stipendium bekommen und geht ins Internat. Joey bleibt zunächst zu Hause und genießt den Einzelunterricht bei seiner Mutter. Als Jonah über die Ferien nach Hause kommt, überredet er Joey auch aufs Internat zu gehen und tatsächlich bekommt auch Joey ein Stipendium. Was die Jungs an de Schule erleben müssen, ist schlimm. Von den anderen Schülern werden sie ausgegrenzt. Sie haben keine Freunde. Jonahs außergewöhnliches Talent ist zudem Gegenstand von Neid und Missgunst. Die einzige Freundin, die die beiden gewinnen können, ist Kimberly - offenbar ein Albino. Sie nehmen sie in ihre einzigartige „Rasse“ auf. Jonah und Kimberly schwören sich als 13jährige, das sie heiraten wollen. Joey ist ebenfalls heimlich in Kimberly verliebt...
 
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Interessant fand ich, dass Joey sich allein zu Hause sehr einsam fühlte und die Eltern ihn dazu überreden wollten, auch nach Boston zu gehen, um dieser Einsamkeit zu entgehen.

Als er dann aber dort ist, merkt er, dass er im Grunde zur Rettung des Bruders angereist ist... ;)
Die Annäherung an Kimberly ist schön beschrieben. Die ZWEI Gegensätze: das Weiße und das Schwarze... Wie die Jungs an ihren Lippen hängen, wenn sie ihr Wissen preisgibt.

Bitter, dass die farbige Mutter im Auto hintensitzen muss, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und dann für die Kinderfrau (!) der Familie gehalten wird. Das tut beim Lesen weh, aber die Jungen haben sich daran schon gewöhnt.

Ich komme immer besser in das Buch hinein. Es ist wunderbar geschrieben:rolleyes:
Ich habe mir das EBook gegönnt, so kann ich meine nächtlichen Unruhezeiten damit verbringen ;)
 
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Interessant fand ich, dass Joey sich allein zu Hause sehr einsam fühlte und die Eltern ihn dazu überreden wollten, auch nach Boston zu gehen, um dieser Einsamkeit zu entgehen.

Als er dann aber dort ist, merkt er, dass er im Grunde zur Rettung des Bruders angereist ist... ;)
Ja, er ist der geborene Begleiter seines Bruders. Das ist keine einfache Lebensrolle.
 
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Bitter, dass die farbige Mutter im Auto hintensitzen muss, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und dann für die Kinderfrau (!) der Familie gehalten wird. Das tut beim Lesen weh, aber die Jungen haben sich daran schon gewöhnt.
Diese Selbstverständlichkeit, mit der diese absurden Verhaltensweisen hingenommen bzw. befolgt werden, ist wirklich erschreckend. Das kann man wahrscheinlich nur hinnehmen, wenn man es nicht anders kennt und die bittere Notwendigkeit solcher Sicherheitsmaßnahmen erlebt hat.