Thema ELLY von Maike Wetzel ab 20.07.2019

Literaturhexle

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2. April 2017
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Klappentext:
Elly ist weg. Eines Tages verschwindet die Elfjährige spurlos aus dem Leben ihrer Familie. Die Eltern und Ellys ältere Schwester bleiben zurück und versuchen trotz des Verlustes weiterzumachen. Doch die drei können nicht loslassen, Elly bleibt allgegenwärtig, in Gedanken, Taten und Schuldgefühlen. Jeder spielt den Tag, nach dem nichts mehr war wie zuvor, unablässig im Kopf durch. Die Suche nach Elly hört nicht auf, alle Beteiligten schaffen sich ihren eigenen Ersatz für das Verlorene. »Elly« erzählt eine eindringliche und berührende Geschichte über den Sog von Trauer und Hoffnung darüber, wie eine Familie durch das Verschwinden der Tochter jegliche Gewissheiten verliert. Maike Wetzels Roman besticht durch seine fesselnde Atmosphäre und sprachliche Brillanz. So entsteht das facettenreiche Bild einer Familie, deren Sehnsucht nach dem Verlorenen die Wirklichkeit verdrängt.

Wir lesen hier ab 20 Juli gemeinsam
diesen nur 148 Seiten starken, kleinen Roman, der aber gewiss viel Gesprächsstoff bieten wird.


Da sich überwiegend zügige Leser angemeldet haben, würde ich vorschlagen, dass wir zu Beginn eines Beitrages die Seitenzahl angeben, um nicht zu Spoilern. Als Richtschnur würde ich 50-Seiten-Abschnitte vorschlagen, aber wenn es vorher Bedarf gibt: Nur zu!
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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1. Kapitel
Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Sichtweisen jeweils in der Ich-Perspektive erzählt, so dass man erstmal einen kurzen Moment überlegen muss, wer eigentlich spricht. Durch die Ich-Perspektive ist das Erzählte dicht an den Leser*innen dran, da wir fast ausschließlich die Innensicht, die Gedanken der Erzählenden unmittelbar erfahren - sehr intensiv.
Zu Beginn spricht Ellys Schwester, die die Geschichte als Theaterstück beschreibt. Ihre Sichtweise, dass sie und ihre Eltern die wieder gekehrte Elly wie Vampire ausweiden, hat mir eine Gänsehaut verursacht. Wird die Erinnerung an Elly ausgehöhlt? Kreisen alle Gedanken, ihre Leben nur noch um sie? Doch dann wird alles weggefegt. Muss man die Erinnerung an Elly aufgeben, um weiter leben zu können?

Königin
Die Perspektive hat mich zuerst verwirrt. Wer spricht hier? Es hat eine Weile gedauert, bis mir bewusst wurde, dass Ines die Schwester der verschwundenen Elly ist und dass sie versucht Almut in Elly zu verwandeln - psychologisch verständlich, aber auch befremdlich. Wir erfahren das Geschehen aus Almuts Perspektive, die sich allmählich aus dieser Abhängigkeit löst, Fragen stellt und letztlich Ines allein zurücklässt.
Die Sprache ist unglaublich intensiv - kurze, knappe Sätze, die aber messerscharf wirken.
"Ines legt die Stirn in Falten. Zum ersten Mal ermuntert sie mich, weiter zu sprechen. ich erzähle ihr alles. Meine Stimme Bebt. Ines schweigt. Ich fühle mich nackt. Ines ist so sicher, so stark. Sie braucht keine Worte, um mir das klarzumachen. Ich spüre ihre Überlegenheit, sie richtet mir die Haarwurzeln auf. Sie ist eine Königin." (17)
Die Metaphern sind ungewöhnlich, aber man weiß sofort, was gemeint ist:
"Ines hockt neben mir auf ihrem Bett und feilt sich die Nägel. Das Geräusch schabt an meinem Augenhintergrund." (31)

Ein Roman, der sofort einen Sog entfaltet... und jetzt lese ich weiter ;)
 

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Es ist zwar gerade etwas einsam hier, aber ich beschreibe schon mal, was ich beim nächsten Abschnitt gedacht habe. Für den Rest warte ich dann auf euch ;)

Unter Null (S.41-60)
Jetzt spricht Ines selbst und erzählt von dem Tag, an dem Elly verschwunden ist – sie ist einfach nicht angekommen…ein furchtbarer Gedanke, dass die Schwester oder das eigene Kind einfach verschwindet.
Ines beschreibt, wie der Verlust Ellys auch die Familie zerreißt:
„Jetzt gleiten meine Eltern und ich stumm aneinander vorbei.“ (49)
Nur morgens beim Aufwachen fühlt sie sich für einen Moment frei, bis die Erinnerung wieder einsetzt, dass Elly verschwunden ist.

Es gibt aber einige seltsame Aussagen. Warum haben die Mädchen so wenig Kontakt, die Eltern keinen mit den Verwandten im Ort? Warum luden sie nie jemanden in ihr Kinderzimmer ein, obwohl es kein Verbot gab?

Dann kommt die Mutter – Judith – zu Wort: Sie erzählt von ihren ersten Malen…das erst Mal, als sie ihre Töchter gesehen hat, ihren Mann – Hamid, wie sie sich kennengelernt haben.

Und mit Elly wird es keinen ersten Moment mehr geben, nur noch letzte. Es tut fast körperlich weh, wenn man selbst Kinder hat, das zu lesen. Oder Sätze wie:
„Elly ist weg. Alles, was wir hatten, wird unscharf, was wir mit ihr erlebten, fault. Wir verrotten von innen. Das Gift schäumt bis in unseren Mund hinauf.“ (55)
Aber auch in den Aussagen der Mutter gibt es seltsame Erinnerungen: Warum hat sie Elly den Finger so fest ins Bein gedrückt, dass ein Abdruck zurückbleibt? Nur weil diese sie geärgert hat, das ist irgendwie nicht stimmig.
Vier Jahre sind vergangen, seit Elly verschwunden ist und die Mutter hat sich völlig gehen gelassen – fettige Haare, immer der gleiche Pullover und das Misstrauen der anderen wächst, die Eltern selbst hätten Elly vertrieben oder umgebracht. Gibt es einen Anhaltspunkt dafür?
Judith hält sich nur mit Pillen am Leben…

Unter Null (S.60-79)
Wieder kommt Ines zu Wort, die weiß, dass nur der Glauben daran, dass Elly lebt, deren Tod nicht endgültig besiegelt. Sie beschreibt aus ihrer Sicht, die „Freundschaft“ zu Almut im Krankenhaus – eine Episode, die sich ein Jahr nach Ellys Verschwinden abgespielt hat. Kein Wort darüber, dass sie aus Almut Elly machen wollte.

Sie beschreibt auch, wie alles verfällt – das Haus, ihre Eltern selbst, die sich weigern, woanders neu anzufangen. Ines ist auch wütend auf Elly, da sie ihr alles wegnimmt. Ines hat kein Recht darauf, fröhlich zu sein und sie hat Alpträume, in denen Elly vorkommt. Verständlich, sie kann einem wirklich leid tun.
Schließlich kommt auch der Vater Hamid kurz zu Wort, der sich fragt, was sie falsch gemacht hätten, ob Elly sie bestraft??
 

ulrikerabe

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Königin
Die Perspektive hat mich zuerst verwirrt. Wer spricht hier? Es hat eine Weile gedauert, bis mir bewusst wurde, dass Ines die Schwester der verschwundenen Elly ist und dass sie versucht Almut in Elly zu verwandeln - psychologisch verständlich, aber auch befremdlich. Wir erfahren das Geschehen aus Almuts Perspektive, die sich allmählich aus dieser Abhängigkeit löst, Fragen stellt und letztlich Ines allein zurücklässt.
Die Sprache ist unglaublich intensiv - kurze, knappe Sätze, die aber messerscharf wirken.
"Ines legt die Stirn in Falten. Zum ersten Mal ermuntert sie mich, weiter zu sprechen. ich erzähle ihr alles. Meine Stimme Bebt. Ines schweigt. Ich fühle mich nackt. Ines ist so sicher, so stark. Sie braucht keine Worte, um mir das klarzumachen. Ich spüre ihre Überlegenheit, sie richtet mir die Haarwurzeln auf. Sie ist eine Königin." (17)
Die Metaphern sind ungewöhnlich, aber man weiß sofort, was gemeint ist:
"Ines hockt neben mir auf ihrem Bett und feilt sich die Nägel. Das Geräusch schabt an meinem Augenhintergrund." (31)

Ein Roman, der sofort einen Sog entfaltet... und jetzt lese ich weiter ;)
Mich hat dieses Kapitel am Anfang auch sehr verwirrt. Es wird aus der Perspektive eines Mädchens erzählt, die mit dem Schicksal Ellys zunächst einmal überhaupt nichts zu tun hat. Es ist der Beginn einer sehr destruktiven Beziehung zwischen zwei Mädchen, von denen eines die ältere Schwester Ellys ist, wie sich herausstellt. Eigentlich ein sehr interessanter Ansatz, wenn auch ein wenig befremdlich.
 

Querleserin

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Elly (S.83-124)
Ein unerwartete Wendung. Ines erzählt, dass Elly anscheinend gefunden wurde - jahrelang gefangen gehalten, traumatisiert, taucht sie wieder auf. Damit wird der Bezug zum ersten Kapitel hergestellt:
"Sie ist viel älter, ihre Augen sind dunkel. Wir starren sie an." (9)
Mich hat gleich ein seltsames Gefühl beschlichen - es scheint unglaublich zu sein, dass Elly tatsächlich nach vier Jahren auftaucht - ohne sich an ihre Eltern zu wenden...oder sie ist wirklich traumatisiert. Ganz zurückgezogen lebt sie und Ines fällt auf, dass ihr Wesen ganz verändert ist. Ist das wirklich Elly?
Für die Mutter besteht kein (?) Zweifel, oder will sie es nicht anzweifeln? Im Gegensatz zu Ines, die zunehmend daran zweifelt, dass dieses Mädchen wirklich ihre Schwester Elly ist, während auch der Vater will, dass alles wieder wird wie früher.
Inzwischen geht Elly wieder in die Schule und scheint dort aufzutauen - allerdings verhält sie sich anders als erwartet - als Ines es erwartet...als eine Psychologin die Eltern darauf aufmerksam macht, dass dieses Mädchen nicht ihre Tochter sein könne, weigern sie sich es anzunehmen. Sie verdrängen die offensichtliche Tatsache, dass Elly eine Betrügern ist.
 

ulrikerabe

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Ich habe das Buch jetzt ab Kapitel "Unter Null" in einem durchgelesen.

Anfangd dachte ich noch, dass Ellys Verschwinden eventuell mit einem Hassverbrechen zusammenhängen könnte. Der Vater ist tunesischer Abstammung. Genaugenommen spielt das für die Handlung aber keine Rolle.
Ich finde, dass die Gefühle der Mutter sehr lebensnah geschildert werden. ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es einer Muuter geht, deren Kind verschwindet. Ich finde es auch nicht so absonderlich, dass die Polizei zunächst einen Verdacht gegenüber den Eltern hegt. Das ist durchaus der Realität entsprechend, dass Gewalt gegen Kindern überdurchschnittlich in der Familie vorkommt.
Ein bisschen mühsam fand ich den Wechsel der Perspektiven der Erzähler. Da hab ich manches mal nochmal zurückgeblättert.

Im Kapitel "Elly" dreht sich die Geschichte. Vielleicht bin ich Serien- und Thriller geschädigt. Aber mein erster Gedanke war, wo bleibt der DNA Test.
Ich glaube die Eltern wollen der Realität nicht ins Auge sehen, nicht eingestehen, dass sie das eigene Kind icht erkennen könnten. Das wiederum halte ich für absolut nachvollziehbar.
 

ulrikerabe

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Das ist wirklich eine gewaltige?Verdrängungsleistung. Wie hast du die falsche Elly empfunden? Und das Ende?
Ich bin sehr ambivalent, was das Buch im Ganzen betrifft. Einerseits erzeugt die Geschichte um die falsche Elly einiges an Emotionen. Diese junge Frau bräuchte eindeutig Hilfe, einerseits hatte ich Mitleid mit ihrem Schicksal, andererseits geht sie so planmäßig vor, dass es mir bald wieder verging. Und dann fehlt mir der Glauben, dass sich dieses Geschichte so ereignen könnte, wie gesagt, wo bleibt der DNA Test. Wäre das nicht das erste was zu machen ist, bevor man vermeintliche Angehörige verständigt.

Der Schluss wiederum, den hätte ich so nicht gebraucht. Diese "Auflösung" ist mir auch zu nebulos. Da wäre mir fast lieber gewesen, nicht zu erfahren, was mit Elly passiert ist.

Mir erschließt sich auch nicht, warum die Autorin zu Anfang Almut in den Mittelpunkt stellt und dann aber dieses Linie nicht weiterverfolgt. Ich hätte es sehr interessant gefunden, wenn jedes Familienmitglied aus der Sicht von Außenstehenden beschrieben worden wäre. Aber so ist es nichts Ganzes und nichts Halbes.
 

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Der Schluss wiederum, den hätte ich so nicht gebraucht. Diese "Auflösung" ist mir auch zu nebulos. Da wäre mir fast lieber gewesen, nicht zu erfahren, was mit Elly passiert ist.
Das ging mir genauso, in der Schwebe gelassen wäre besser gewesen. So scheint sie angefahren worden zu sein, in den Kofferraum gepackt und irgendwo abgelegt, oder?

Mir erschließt sich auch nicht, warum die Autorin zu Anfang Almut in den Mittelpunkt stellt und dann aber dieses Linie nicht weiterverfolgt. Ich hätte es sehr interessant gefunden, wenn jedes Familienmitglied aus der Sicht von Außenstehenden beschrieben worden wäre. Aber so ist es nichts Ganzes und nichts Halbes.
Da gebe ich dir Recht. Zunächst eine Außensicht auf Ines, aber es fehlt eine auf die Eltern - wenn konsequent aus der Familienperspektive erzählt - hätte man den Teil mit Almut weglassen können - oder es ist als Annäherung an das Thema Elly gedacht. Ich fand die Sprache gut - die hat mich angesprochen - das die Eltern die offensichtliche Wahrheit verdrängen, hat mich eher befremdet. Ich hatte bis zum Schluss das Gefühl, sie haben etwas mit Ellys Tod zu tun. Vielleicht hat der Vater sie angefahren? Aber das ist rein spekulativ.
 

ulrikerabe

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Das ging mir genauso, in der Schwebe gelassen wäre besser gewesen. So scheint sie angefahren worden zu sein, in den Kofferraum gepackt und irgendwo abgelegt, oder?
So hätte ich den Schluss auch verstanden. Wobe ich nicht nachvollziehen kann, wie das auf einer stark befahrenen Straße möglich ist, ein Kind anzufahren und in den Kofferraum zu packen, samt Fahrrad?
Angeblich gab es ja Zeugen, die den Vorfall m it der Sporttasche beobachtet haben. Den Unfall hätte dann keiner gesehen?

Ich weiß es ist kein Krimi, daher bedarf es auch keiner Lösung des "Falles". Aber gerade deswegen wäre ich mit einem offenen Ausgang zufriedener gewesen.

Aber du hast recht: Die Sprache fand ich auch sehr schön.
 
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KrimiElse

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Literaturhexle

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dass sie und ihre Eltern die wieder gekehrte Elly wie Vampire ausweiden, hat mir eine Gänsehaut verursacht. Wird die Erinnerung an Elly ausgehöhlt
Ich habe spontan gedacht, dass Elly wieder klein sein soll, damit man anfangen kann, wo man aufgehört hat. Aber sie saugenden Vampire sind schon ein krasses Bild.
Die Sprache ist unglaublich intensiv - kurze, knappe Sätze, die aber messerscharf wirken.
Das ist beachtlich. Im ersten Moment dachte ich: Uups, was eine schwierige Lektüre! Stimmt aber nicht. Die messerscharfen Sätze fließen gut verständlich.
Ich spüre ihre Überlegenheit, sie richtet mir die Haarwurzeln auf. Sie ist eine Königin." (1
Beängstigend. Offensichtlich gehört die Familie einer Sekte an, zu der auch die traumhafte Schule gehört, zu der Ines Almut/Elly locken will. Die Mutter sagte ja : "Wir sind keine von denen", oder so ähnlich.

Ines kann einem Angst machen! Auch wie sie die Wunde Almuts präparieren.... da hat es jemand faustdick hinter den Ohren.
 

Literaturhexle

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Es ist zwar gerade etwas einsam hier, aber ich beschreibe schon mal, was ich beim nächsten Abschnitt gedacht habe. Für den Rest warte ich dann auf euch ;)

Unter Null (S.41-60)
Jetzt spricht Ines selbst und erzählt von dem Tag, an dem Elly verschwunden ist – sie ist einfach nicht angekommen…ein furchtbarer Gedanke, dass die Schwester oder das eigene Kind einfach verschwindet.
Ines beschreibt, wie der Verlust Ellys auch die Familie zerreißt:
„Jetzt gleiten meine Eltern und ich stumm aneinander vorbei.“ (49)
Nur morgens beim Aufwachen fühlt sie sich für einen Moment frei, bis die Erinnerung wieder einsetzt, dass Elly verschwunden ist.

Es gibt aber einige seltsame Aussagen. Warum haben die Mädchen so wenig Kontakt, die Eltern keinen mit den Verwandten im Ort? Warum luden sie nie jemanden in ihr Kinderzimmer ein, obwohl es kein Verbot gab?

Dann kommt die Mutter – Judith – zu Wort: Sie erzählt von ihren ersten Malen…das erst Mal, als sie ihre Töchter gesehen hat, ihren Mann – Hamid, wie sie sich kennengelernt haben.

Und mit Elly wird es keinen ersten Moment mehr geben, nur noch letzte. Es tut fast körperlich weh, wenn man selbst Kinder hat, das zu lesen. Oder Sätze wie:
„Elly ist weg. Alles, was wir hatten, wird unscharf, was wir mit ihr erlebten, fault. Wir verrotten von innen. Das Gift schäumt bis in unseren Mund hinauf.“ (55)
Aber auch in den Aussagen der Mutter gibt es seltsame Erinnerungen: Warum hat sie Elly den Finger so fest ins Bein gedrückt, dass ein Abdruck zurückbleibt? Nur weil diese sie geärgert hat, das ist irgendwie nicht stimmig.
Vier Jahre sind vergangen, seit Elly verschwunden ist und die Mutter hat sich völlig gehen gelassen – fettige Haare, immer der gleiche Pullover und das Misstrauen der anderen wächst, die Eltern selbst hätten Elly vertrieben oder umgebracht. Gibt es einen Anhaltspunkt dafür?
Judith hält sich nur mit Pillen am Leben…

Unter Null (S.60-79)
Wieder kommt Ines zu Wort, die weiß, dass nur der Glauben daran, dass Elly lebt, deren Tod nicht endgültig besiegelt. Sie beschreibt aus ihrer Sicht, die „Freundschaft“ zu Almut im Krankenhaus – eine Episode, die sich ein Jahr nach Ellys Verschwinden abgespielt hat. Kein Wort darüber, dass sie aus Almut Elly machen wollte.

Sie beschreibt auch, wie alles verfällt – das Haus, ihre Eltern selbst, die sich weigern, woanders neu anzufangen. Ines ist auch wütend auf Elly, da sie ihr alles wegnimmt. Ines hat kein Recht darauf, fröhlich zu sein und sie hat Alpträume, in denen Elly vorkommt. Verständlich, sie kann einem wirklich leid tun.
Schließlich kommt auch der Vater Hamid kurz zu Wort, der sich fragt, was sie falsch gemacht hätten, ob Elly sie bestraft??
Querleserin, du hast das wieder mal prima zusammen gefasst! Der Text ist wie eine Rasierklinge: er seziert die Emotionen, legt die Gefühle frei, die die Angehörigen empfinden. Dabei sind es die ehrlichen Innensichten, die ganz unverstellt geschildert werden.

Du hast Recht: Wer Kinder Hat, versteht nur zu gut, was da ab geht:
[zitat]ich wünschte, ich wäre nie Mutter geworden. Die damit verbundene Gefahr, den Schmerz, die Angst, halte ich nicht aus. Es gibt keine ersten Momente mehr. Wenn dein Kind geht, hört alles auf . (S. 57)[/zitat]
 

Literaturhexle

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Wobe ich nicht nachvollziehen kann, wie das auf einer stark befahrenen Straße möglich ist, ein Kind anzufahren und in den Kofferraum zu packen, samt Fahrrad?
Angeblich gab es ja Zeugen, die den Vorfall m it der Sporttasche beobachtet haben. Den Unfall hätte dann keiner gesehen?
Das ist der Grund, warum.ich das Ende gar nicht verstanden habe. Muss wohl nochmal nachlesen...
Die Verdrängung der Eltern kann ich mir nur damit erklären, dass vor der Wiederentdeckung Ellys alles zu Grunde ging. Die Familiensituation scheint sich ja wieder stabilisiert zu haben. Dadurch ist allen Beteiligten ein Kuckuckskind lieber als gar kein Kind.
Sie wollen es nicht wissen: Nicht sein kann, was nicht sein darf.
 

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Seltsam empfinde ich auch, dass der Samstagabend der Mutter allein gehört .da geht sie nicht nur mit Freundinnen aus, sondern auch mit Männern, die sie offenbar datet. So ganz glücklich scheint das Familienleben wohl doch nicht zu sein.
Das hat mich auch sehr befremdet! Glücklich scheint sie nicht gewesen zu sein- zu viele Unstimmigkeiten, nicht zuletzt ihre Tablettenabhängigkeit.