1. Leseabschnitt: 1. und 2. Kapitel (Anfang bis S. 88)

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mich gruselt es beim lesen doch ein wenig, wenn ich mir vorstelle, dass ich einen Roboter wie Adam zu Hause hätte. Er wirkt wie eine Maschine, an kann ihn entsprechend programmieren, aber er agiert schon ganz zu Anfang nicht so, wie ich es erwarteten würde. Die Bemerkungen bezüglich Miranda die er Charles eintrichtert, wirken ja schon so, als ob er damit etwas bezwecken möchte. Sein Wunsch nicht abgeschaltet zu werden ebenso. Ist dies alles lediglich der Programmierung geschuldet? Oder steckt mehr dahinter?
Charles als Person finde ich suspekt. Er gibt Geld aus, was er sich nicht selbst erarbeitet hat, insgesamt ist seine gesamte Einstellung zu diesem Thema sehr merkwürdig. Aber egal, er hat ja nun einen Adam, auch wenn er lieber eine Eve gehabt hätte. Nur gut, dass es keine mehr gab, denn dann hätte die Handlung mit Miranda sicher nicht funktioniert, lach
 

MRO1975

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11. August 2018
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Die Bemerkungen bezüglich Miranda die er Charles eintrichtert, wirken ja schon so, als ob er damit etwas bezwecken möchte. Sein Wunsch nicht abgeschaltet zu werden ebenso. Ist dies alles lediglich der Programmierung geschuldet? Oder steckt mehr dahinter?
Da hast du Recht. Das hätte ich von meinem Androiden nicht erwartet und Charles wohl auch nicht.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Charles als Person finde ich suspekt. Er gibt Geld aus, was er sich nicht selbst erarbeitet hat, insgesamt ist seine gesamte Einstellung zu diesem Thema sehr merkwürdig.
Ja, Charles ist ein merkwürdiger Charakter. Auch die Sache mit dem Steuerbetrug und seine ganze Einstellung zum Arbeiten ist komisch. Sympathisch ist mir das nicht wirklich.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich finde es sehr interessant, dass wir uns im Jahr 1982 befinden und dennoch irgendwie in unserer Zukunft – denn bis wir im realen Leben solche Roboter haben, wird es wohl noch etwas dauern... Irgendwie erinnert mich das an das Genre Steampunk, wo ja auch die reale Geschichte mit technischen Entwicklungen, die es damals noch nicht gab, verbunden wird.

Dass Alan Turing noch lebt, ist ein interessanter Schachzug!
 
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Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich habe mich, als ich von 2000 bis 2005 Computervisualistik studiert habe, zwei Semester für "Künstliche Intelligenz" und "Robotik" eingeschrieben, habe mich damals viel mit der Frage beschäftigt, ob eine KI jemals Gefühle oder ein menschenähnliches Bewusstsein erlangen kann, und bin damals zu dem Schluss gekommen, dass es irgendwann so weit kommen wird, sobald künstliche "Gehirne" komplex genug sind, um autonom lernfähig zu sein.

Man wird einen Computer wohl nie "top down" programmieren können, menschlich zu denken – soll heißen, man kann ihm nicht starr und bis ins kleinste Detail vorgeben, wie er zu denken hat, denn sonst ist das scheinbar menschliche Denken nur simuliert, vorgetäuscht.

Ein Ansatz, der vielen KI-Forschern vielversprechender erscheint ("bottom up"), ist, dem Roboter / der KI ein komplexes Gehirn zu geben und ihn dann wie ein Kind selber lernen zu lassen, indem er seine Umwelt beobachtet, auf sie reagiert und besonders von menschlichen Bezugspersonen lernt.

Eine meines Hausarbeiten beschäftigte sich mit der Frage, ob die KIs, die im Film "A.I." dargestellt werden, eine realistische Zukunftsvision sind (ja und nein). Das künstliche Kind David in diesem Film ist im Grunde ein Beispiel für den zum Scheitern verurteilten "top down"-Ansatz (obwohl es im Film so dargestellt wird, als habe er quasi nach Umlegen eines Schalters echte Emotionen), während der Sexroboter Gigolo Jo eigentlich keine emotionale Intelligenz haben sollte, aber anscheinend doch selber welche entwickelt hat. (Er zeigt zum Beispiel Besorgnis für David.)

Diese Szene, in der Gigolo Jo darüber spricht, dass die Menschen die Roboter seiner Ansicht nach im Grunde hassen, während David sich sicher ist, dass seine "Mama" ihn liebt, fand ich besonders interessant:

Interessanterweise reagiert die "Mutter" in diesem Film erstmal ähnlich verunsichert und verstört auf die Präsenz des künstlichen Kindes in ihrer Wohnung, wie einige von uns wohl darauf reagieren würden, einen Adam in unserer Wohnung zu haben. Sie lernt, dieses Kind zu lieben, und verstößt es dann doch zugunsten ihres leiblichen Kindes.

Mal schauen, wie es mit Adam weitergeht!
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich frage mich, ob Adam wirklich etwas in Mirandas Vergangenheit gefunden hat, was ihm Grund zu der Vermutung gibt, sie könne schlecht für Charles sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, kann er das, was er gefunden hat, ja nicht 100%ig mit Miranda verknüpfen, sondern er hat nur aus den Details geschlossen, dass sie es war.

Mir fiel gerade noch etwas ein, dass ich während dem Studium in dem Sachbuch "Flesh and Machines" von Rodney Brooks gelesen habe: dieser Forscher geht davon aus, dass Menschen selber immer mehr künstliche Komponenten haben werden, weil man in der Zukunft sicher nicht mehr nur Prothesen einsetzen kann, sondern auch künstliche Organe usw, so dass die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer fließender werden. Wenn ich mich recht erinnere, spricht das seiner Ansicht nach dafür, dass wir keine Angst haben müssen, dass die Roboter in Zukunft die Welt übernehmen oder alle Menschen töten oder sowas, weil es kein "wir Menschen" und "die Maschinen" mehr gibt.
 

MRO1975

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Ich frage mich, ob Adam wirklich etwas in Mirandas Vergangenheit gefunden hat, was ihm Grund zu der Vermutung gibt, sie könne schlecht für Charles sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, kann er das, was er gefunden hat, ja nicht 100%ig mit Miranda verknüpfen, sondern er hat nur aus den Details geschlossen, dass sie es war.

Mir fiel gerade noch etwas ein, dass ich während dem Studium in dem Sachbuch "Flesh and Machines" von Rodney Brooks gelesen habe: dieser Forscher geht davon aus, dass Menschen selber immer mehr künstliche Komponenten haben werden, weil man in der Zukunft sicher nicht mehr nur Prothesen einsetzen kann, sondern auch künstliche Organe usw, so dass die Grenzen zwischen Mensch und Maschine immer fließender werden. Wenn ich mich recht erinnere, spricht das seiner Ansicht nach dafür, dass wir keine Angst haben müssen, dass die Roboter in Zukunft die Welt übernehmen oder alle Menschen töten oder sowas, weil es kein "wir Menschen" und "die Maschinen" mehr gibt.
So ähnlich beschreibt das Yuval Harari in Homo Deus auch und ich halte das für recht plausibel. Dass uns menschenähnlich Roboter im Haushalt helfen, dauert wahrscheinlich noch ewig. Aber Ersatzkörperteile oder Verbesserungen, die immer komplexer und intelligenter werden, gibt es teils schon oder wird es bald geben. Ab wieviel % Elektronik ist man eine Maschine und verliert seine Menschenrechte? Wohl nie!

Oder umgekehrt: ohne elektronische Helferlein wird man bald nicht mehr up to date sein und auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr mithalten? Wer möchte dann noch analog sein?
 

parden

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McEwan präsentiert hier ja ein geballtes Themenpaket. KI und viele philosophische Fragen drumherum. Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Die Verlegung der Erzählung in die Vergangenheit hat mich zunächst irritiert, aber nach den Beiträgen hier erscheint es plausibel, dass die Auswirkungen eines solchen Schrittes deutlicher werden, wenn sie in der eigentlich bekannten Vergangenheit angesiedelt werden. Normalerweie habe ich bei Science Fiction das Gefühl - joah, kann, muss aber nicht so kommen. Wenn aber die Vergangenheit so anders verläuft wie hier und das durch die geschilderte Technik logisch erscheint, kommt mir das gar nicht mehr sooo sehr wie eine Zukunftsfantasie vor. Und das macht das ganze irgendwie noch gruseliger.

Adam - einerseits faszinierend, durchaus, aber ab-so-lut gruselig. Manche Passagen in dem Roman sind mir persönlich zu technik-/wissenschaftslastig, da ich mich mit der Materie ansonsten nicht beschäftige. Die philosophischen Fragen, die sich dabei aber auch aufdrängen, finde ich überaus spannend.

Was sollte eigentlich diese Szene im Park mit dem misshandelten Kind - Mark? Wollte Charlie den Jungen tatsächlich mitnehmen? Wie leichtsinnig, diesem krassen Pärchen seine Visitenkarte dazulassen. Sicher hat das noch Folgen - einfach so schreibt McEwan diese Szene sicher nicht in seinen Roman...
 

Renie

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Charles als Person finde ich suspekt. Er gibt Geld aus, was er sich nicht selbst erarbeitet hat, insgesamt ist seine gesamte Einstellung zu diesem Thema sehr merkwürdig.
Auch wenn die Geschichte in 1982 spielt, ginge Charles als Kind unserer heutigen Zeit durch. Leider kenne ich viele Menschen in diesem Alter, die eine naive Gleichgültigkeit an den Tag legen, wenn es um ihr Leben und ihre Zukunft geht. Deren Leben wirkt ziellos. Sie leben vor sich hin, wollen Spaß haben (wozu die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leistet), kommen irgendwie klar. Verantwortung ist nichts für sie. Sie träumen den Traum der Selbstverwirklichung. Nur, wer sie sind, und was es zu verwirklichen gilt, ist ihnen nicht klar.
 

Sassenach123

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McEwan präsentiert hier ja ein geballtes Themenpaket. KI und viele philosophische Fragen drumherum. Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Die Verlegung der Erzählung in die Vergangenheit hat mich zunächst irritiert, aber nach den Beiträgen hier erscheint es plausibel, dass die Auswirkungen eines solchen Schrittes deutlicher werden, wenn sie in der eigentlich bekannten Vergangenheit angesiedelt werden. Normalerweie habe ich bei Science Fiction das Gefühl - joah, kann, muss aber nicht so kommen. Wenn aber die Vergangenheit so anders verläuft wie hier und das durch die geschilderte Technik logisch erscheint, kommt mir das gar nicht mehr sooo sehr wie eine Zukunftsfantasie vor. Und das macht das ganze irgendwie noch gruseliger.

Adam - einerseits faszinierend, durchaus, aber ab-so-lut gruselig. Manche Passagen in dem Roman sind mir persönlich zu technik-/wissenschaftslastig, da ich mich mit der Materie ansonsten nicht beschäftige. Die philosophischen Fragen, die sich dabei aber auch aufdrängen, finde ich überaus spannend.

Was sollte eigentlich diese Szene im Park mit dem misshandelten Kind - Mark? Wollte Charlie den Jungen tatsächlich mitnehmen? Wie leichtsinnig, diesem krassen Pärchen seine Visitenkarte dazulassen. Sicher hat das noch Folgen - einfach so schreibt McEwan diese Szene sicher nicht in seinen Roman...
Die Szene könnte tatsächlich noch wichtig werden, denn deine Aussage, dass McEwan nichts einfach so formuliert, teile ich voll und ganz mit dir. In meinen Augen hat Charles sich auch hier anders verhalten als man erwarten würde, dass denke ich häufiger beim lesen, wenn es um ihn geht......
 
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Renie

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In meinen Augen hat Charles sich auch hier anders verhalten als man erwarten würde, dass denke ich häufiger beim lesen, wenn es um ihn geht......
Das denke ich häufiger über Charles. Manchmal sehe ich ihn als oberflächlich, ich-bezogenen Typen, der in den Tag hineinlebt. Und dann gibt es wieder Momente, in denen ich bei ihm etwas Tieferes entdecke, insbesondere, wenn er über sein Leben reflektiert und feststellt, dass sich etwas ändern muss. Aber so richtig greifen kann ich ihn nicht. Insofern sind seine Handlungsweisen für mich auch nicht vorhersehbar.
 

kingofmusic

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So, ich starte nun heute auch mit diesem Buch - ich bin wirklich gespannt, was auf mich wartet. Eure Kommentare lese ich erst, wenn ich hier selber was zu schreibe :).
 
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kingofmusic

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Wow, ich bin begeistert...Hab zwar erst das 1. Kapitel durch, aber schon hier zeigt sich die Brillanz von Ian McEwan.
Besonders gelungen finde ich die Beschreibung der "Unsicherheit" von Charles sich selbst und seinem Tun gegenüber, seinen zarten aufkeimenden Gefühlen für Miranda und dem Wesen von Adam - sprachliche Finesse trifft hier auf eine spannende Story.
Ich stelle mir gerade vor, wenn es 1982 (da war ich 7 :) wirklich schon all die technischen Errungenschaften von heute gegeben hätte - wo würde die Technik dann heute stehen? Fliegende Autos?
Na ja, ich freue mich auf´s Weiterlesen, auch wenn ich am Ende des 1. Kapitels ´ne ziemliche Gänsehaut bekommen habe, als Adam Charles vor Miranda "warnt" - ich sehe den gläsernen Mensch quasi vor mir *grusel*
 

kingofmusic

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Die Geschichte ist ein regelrechter Pageturner - die "alternativen Fakten" wie der verlorene Falklandkrieg kommen so täuschend echt rüber, dass man sie als "wahr" empfinden könnte, wenn man es nicht besser wüsste. Allerdings auch sehr interessant, wie McEwan Technik- und Computergeschichte mit in die Handlung einbaut.
Was die Szene im Park betrifft: spielt er hier auf die Sorglosigkeit mancher Eltern an, die ihre Kids "loswerden" wollen und sich nur bedingt um sie kümmern? Mir fällt es schwer, das einzuordnen...
Falls es jemals zu einem weiteren Weltkrieg kommen sollte (von dem wir ja alle hoffen, dass es erst gar nicht so weit kommt!!!), wird es wohl (wie hier schon an anderer Stelle angedeutet) ein Cyber-Weltkrieg werden, dem aber auf Grund unserer technisierten Welt auch viele Menschen zum Opfer fallen werden - ein gruseliger Gedanke...
 

Renie

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Ich stelle mir gerade vor, wenn es 1982 (da war ich 7 :) wirklich schon all die technischen Errungenschaften von heute gegeben hätte - wo würde die Technik dann heute stehen? Fliegende Autos?
Zumindest würden wir Eltern uns nicht darüber aufregen, dass heutzutage die Kinder und Jugendlichen nur am Handy hängen, weil wir es damals selbst gemacht hätten. (Sorry, das passt kaum zum Thema, schoss mir nur gerade durch den Kopf, weil der Handy-Krieg zwischen Eltern und Kindern ein Dauerproblem in meiner Familie ist. :D)