5. Leseabschnitt: Kapitel 24 bis Ende (S. 409 bis Ende)

ulrikerabe

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Molina begibt sich auf die Spuren, reist nach Memphis, liest was Ray gelesen hat, geht zu den Orten der Ereignisse aus 1968.

In dem Abschnitt kommt noch eine Änderung des Blickwinkels dazu. So wie der Autor vorher versucht mit den Augen Rays zu sehen, dessen Gedanken zu denken, verschiebt sich alles in Richtung Martin Luther King. Hier wird das Buch auch zum Aufschrei gegen Rassismus.

Dieser letzte Abschnitt liest sich wieder sehr viel flüssiger, als der vorhergehende. Er ist konzentriert auf das Attentat und ist viel weniger philosophisch.

In diesem Artikel wird geraten einfach ein paar Kapitel auszulassen:https://www.sueddeutsche.de/kultur/antonio-muoz-molina-schwindende-schatten-rezension-1.4361271
Kann man machen, wenn man sich nur für Ray und King interessiert.

Mich hat die Geschichte Molinas, seine Art zu schreiben, immerhin so so angesprochen, dass ich mir "Winter in Lissabon" zugelegt habe :)
 

Anjuta

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Ich habe gerade das Buch beendet. Der letzte Teil bringt nochmal eine Neuerung. Wir verlassen den bisherigen Schauplatz des Geschehens und begleiten den Autor auf Recherchereise nach Memphis, an den Ort des Attentats. Dabei ist deutlich erkennbar: Recherchearbeit ist für ihn das Zusammentragen von "Informationsteilchen" (497). Es ist eine fast museale Arbeit, in der Molina auch vollkommen Nebensächliches aufgreift und an den Leser weitergibt, wenn er es denn in einen Zusammenhang bringen kann mit seinem Rechercheobjekt. Und das tut er sehr oft in rein aufzählender, hintereinander stellender Weise. So erfahren wir etwa auf S. 499 innerhalb eines einzigen Abschnitts so sensationelle Dinge wie:
- Ray trug sein Geld in der Hosentasche statt im Portemonnaie,
- er strich sich übermäßig viel Brillantine ins Haar ,
- er singt unter der Dusche
- die Blutlache Kings breitete sich weit aus,
- Ray ließ Straßenkarten aus dem ganzen Südosten im Hotelzimmer zurück(und zwar Gratisexemplare, wie man sie in Tankstellen bekommt).
Ich gebe zu, dass dieses museale Recherchieren und das literarische Weitergeben davon für mich sperrig und mühsam daherkommt. Ich sehne mich nach Sinnstiftung, nach klärenden Gedanken und Ideen zum Geschehen und habe nicht so viel Vergnügen an dieser Detailvielfalt und -verliebtheit. Gleichwohl erkenne ich an, dass diese Details mich auch im Lesefluss gehalten haben. Molinas Schreibstil hat irgendetwas, dem ich noch auf den Grund kommen möchte. Ich lasse mir deshalb ein paar Tage Zeit für das Fazit und die Rezension.
 
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Renie

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Dieser letzte Abschnitt liest sich wieder sehr viel flüssiger, als der vorhergehende. Er ist konzentriert auf das Attentat und ist viel weniger philosophisch.
Das habe ich auch so empfunden. Insbesondere der Martin Luther King-Teil war sehr gelungen. Zeitweise fühlte ich mich an Jesus Christus erinnert. Martin Luther King, der von den Massen der Unterdrückten als Heilsbringer angesehen wird. Dann ähnelten seine Gedankengänge und Zweifel kurz bevor er erschossen wird an die Nacht vor Jesus' Verhaftung. Ich kann mich vage erinnern, dass Jesus ebenfalls Zweifel hatte und Zwiesprache mit Gott gehalten hat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Parallelen fallen mir auf. Das ist wirklich gut gemacht von Molina.
Tatsächlich kam in diesem Teil sogar Spannung auf. Während King über sein Leben reflektierte, habe ich ständig auf den Schuss gewartet. Und es gab einige Gelegenheiten, in denen es hätte knallen können. :cool:
Und wenn man bedenkt, wieviel Inhalt Molina in einige wenige Minuten packt. Zum Ende hin schreibt er:
"Ich habe im Halbdunkel gesessen und mich gewissenhaft bemüht, die Zeit einer einzigen Minute vor sechsundvierzig Jahren zu rekonstruieren, mir vorzustellen versucht, was damals im Bewusstsein eines anderen vorgegangen ist."
Das ist ihm voll und ganz gelungen. Diese Minute hat mich gepackt und für einiges entschädigt, was ich in den vorherigen Leseabschnitten lesen musste.:)
 

parden

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Ich gebe zu, dass dieses museale Recherchieren und das literarische Weitergeben davon für mich sperrig und mühsam daherkommt. Ich sehne mich nach Sinnstiftung, nach klärenden Gedanken und Ideen zum Geschehen und habe nicht so viel Vergnügen an dieser Detailvielfalt und -verliebtheit.
Mich nervte das einfach nur noch - was will der Autor damit beweisen? Dass er gut recherchiert hat, wird auch an anderen Stellen deutlich.
 

parden

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13. April 2014
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Insbesondere der Martin Luther King-Teil war sehr gelungen. Zeitweise fühlte ich mich an Jesus Christus erinnert. Martin Luther King, der von den Massen der Unterdrückten als Heilsbringer angesehen wird. Dann ähnelten seine Gedankengänge und Zweifel kurz bevor er erschossen wird an die Nacht vor Jesus' Verhaftung. Ich kann mich vage erinnern, dass Jesus ebenfalls Zweifel hatte und Zwiesprache mit Gott gehalten hat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Parallelen fallen mir auf. Das ist wirklich gut gemacht von Molina.
So unterschiedlich können Empfindungen sein. Ich fand den Teil mit Martin Luther King einfach nur schrecklich - noch eine Schleife, und eine Endlosschleife noch dazu. Dieser Perspektivwechsel hätte für mich nicht sein müssen, und gerade diese 'Gedankengänge und Zweifel' fand ich nahezu anmaßend. Da interpretiert ein Autor: wie könnte es sein wenn... - und genauso gut hätte es ganz anders sein können. Außerdem wurde hier eben nicht 'nur' von der einen Minute vor dem Schuss geschrieben, sondern gleichzeitig noch ein Ausflug in die wichtigsten Lebensstationen Kings unternommen. Molina widmet - zumindest wenn er nicht gerade mit seiner Nabelschau als Autor beschäftigt ist - den Roman dem MÖRDER von King, und in einem Kapitel wird der Friedensnobelpreisträger dann auch noch 'mal eben' abgehandelt. Weil der Autor eben so akribisch recherchiert, dass das Opfer auch noch zur Abrundung mit in den Roman muss. Mann, bin ich genervt von dem Roman...

Um das quälende Leseerlebnis mal zu unterbrechen, habe ich mir eine Dokumentation über Martin Luther King angeschaut - und siehe da: ich war berührt. Etwas, was dem Roman in seiner ganzen epischen schachtelsatzfülligen Länge nicht gelungen ist...

 

parden

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Wie gesagt: Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich bin einfach nur froh, dass es jetzt endlich ein Ende hat. Über die Rezension mache ich mir am Wochenende Gedanken... Einen weiteren Molina wird es für mich definitiv nicht geben... Allen Fans und denen, die es werden möchten, wünsche ich aber schöne Lesestunden. :)
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Das habe ich auch so empfunden. Insbesondere der Martin Luther King-Teil war sehr gelungen.

Mir ging es auch so, dass mir der letzte Leseabschnitt wieder etwas besser gefallen hat. Nicht so sehr, dass er meinen Gesamteindruck noch mal sehr verbessert hat, aber zumindest fiel mir das Lesen in den letzten Kapiteln nicht ganz so schwer wie in den vorherigen Leseabschnitten. Ich war überrascht, dass es nun noch um Martin Luther King ging. Das war es vermutlich aber auch, was mich aus meiner Leselethargie ein wenig herausreißen konnte.

Wie gesagt: Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich bin einfach nur froh, dass es jetzt endlich ein Ende hat.

Mein Urteil ist nicht so drastisch wie deins, aber ich bin, ehrlich gesagt, auch ziemlich froh, dass ich das Buch jetzt erst mal zur Seite legen kann. Über weite Strecken hat mich der Roman einfach nur gelangweilt.
 
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