Das sehe ich auch so. Es ist ein großes Kunststück, Emotion so verhalten zu transportieren. Da steckt ganz viel Gefühl in Michel, es ist unter der Oberfläche ganz genau zu spüren. Er hat vielleicht auch nie gelernt, Gefühle auszudrücken und genau dieses Unvermögen vermittlet Chalandon ganz großartig.Dieser schmale Grad, zwischen zu unterkühlt und zu gefühlsvoll gelingt oft nicht - aber hier ist es bisher perfekt gelungen -für meinen Geschmack.
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Das ist endlich mal wieder Literatur vom Feinen! (Zur Erklärung: mit meinen letzten Büchern war ich nicht allzu glücklich )
Ich bin tief beeindruckt von diesen ersten zwei Kapiteln und wage die Prognose, dass dieses Buch für mich ein Highlight wird.
Ja, man kann mit diesem gebeutelten Mann wunderbar mitfühlen und stolpert ständig über schöne Sätze!Da ist eine ganz besondere Liebe zu seiner Frau. Und auch umgekehrt, Ceciel, die sein Kohleherz liebte. Ach, diese Bilder!
Wie es scheint, völlig zu Recht! Sehr gut ausgesucht!Da dieses Buch für mich ein Herzensbuch war,
Oh ja, genau so geht es mir beim Lesen.Die Schreibe von Sorj Chalandon ist wirklich einzigartig. Der Mann kann Stimmungen transportieren, die bis ins Mark gehen.
Schön, dass alle hier genau wie ich so begeistert vom Buch und ganz besonders von der Sprache sind. Ich habe gestern vieles einfach liegen gelassen (das wird mir nächste Woche auf die Füße fallen, aber egal), um weiter lesen zu können.Das ist endlich mal wieder Literatur vom Feinen! (Zur Erklärung: mit meinen letzten Büchern war ich nicht allzu glücklich )
Wie auch @Leseglück bemerkt, ist die Sprache fantastisch: ganz ruhig berichtet der Ich-Erzähler seine Erinnerungen an seinen Bruder. Da steckt so viel tiefes Gefühl in den Sätzen. Mancher davon hallt nach:
[zitat]Noch nie war ich so stolz.[/zitat]
[zitat]Am Ende wurde auch mein Bruder vom Schacht verschluckt, wie alle hier[/zitat]
[zitat]Seine Söhne waren seine Welt.[/zitat]
[zitat]Da stand Stolz gegen Stolz.[/zitat]
und so weiter....
Der Erzähler bricht nach Paris auf, er erträgt die Blicke der Überlebenden nicht mehr. Viel hat er schon erlebt: seine intakte Familie wurde durch den Tod des Bruders und kurze Zeit später durch den des Vaters zerstört. Die Mutter flieht in Folge, verlässt den Hof/die Scholle. Michel bleibt allein bei dem alten Mechaniker-Ehepaar, die ihm ein neues Zuhause bieten.
Ich bin tief beeindruckt von diesen ersten zwei Kapiteln und wage die Prognose, dass dieses Buch für mich ein Highlight wird.
Das fand ich auch toll, die Bilder (positiv und negatv) im Zusammenhang mit der Kohle und dem Revier.Dabei ist Michel absolut empfindungsfähig. Da ist eine ganz besondere Liebe zu seiner Frau. Und auch umgekehrt, Ceciel, die sein Kohleherz liebte. Ach, diese Bilder!
Ich bin völlig angetan von deiner Zusammenfassung und unterschreibe sie komplett!Die Geschichte haut mich gerade fast um. Unglaublich, wie die Arbeitsbedingungen in den 1970er Jahren noch gewesen sind, wie verantwortungslos die Obrigkeit (der Französische Staat, denn wenn ich es richtig verstanden habe war die Grube Staatseigentum, oder?) mit ihren Arbeitern umging. Die äußerst dramatische Entwicklung, die so sacht und alltäglich beginnt, die Bewunderung von Michel für seinen großen Bruder Joseph, sein Stolz am Abend vor dem Unglück, hält mich völlig im Bann. Und obwohl man bereits zu Beginn des Romans weiß, dass Jojo nicht überlebt bange ich gemeinsam mit der Familie vor dem Tor der Zeche, hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Mutlosigkeit.
Der ganze erste Abschnitt ist für mich geprägt von Abschied für Michel. Abschied vom Bruder, von seiner Lebenslust, von Vater, von der Mutter, später von seiner Frau und nach deren Tod von seinem bisherigen Leben, um sich an der Zeche zu rächen.
Am Ende des ersten Abschnitts liegt das Augenmerk auf denn Ursachen für das Unglück, auf der Ungerechtigkeit, die den toten Kumpel und ihren Familien widerfährt (von Unternehmensseite, von den Behörden aber auch aus den Reihen der Bergbaukolonie durch Neid auf das nur durch Tränen verdiente Geld). Diese Art des kapitalistischen Denkens, diese schreiende Ungerechtigkeit sind wir heute so offensichtlich (und ich auch damals) nicht gewohnt, man fühlt sich fast ein wenig an die Anfangszeiten der industriellen Revolution mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen erinnert. Aber das war wohl damals das Markenzeichen des Bergbaus unter Tage, oder?
Ich bin übrigens im ehemaligen Osten aufgewachsen, in unserer Nähe wurde Bergbau unter Tage betrieben, und ich bilde mir ein, dass es hier nicht so schlimm gewesen ist. Aber ich war damals noch klein und es kann sein, dass ich mich irre.
Stilistisch ist das Buch für mich eine meisterhaft gelungene Mischung aus journalistischer Berichtserstattung und erzählendem Romanstil.
Alles ist überschattet von Trauer, Härte, Zorn und Wut, ohne dass dies tatsächlich aus jedem Satz sprudelt, sondern unter der Wehmut und der Verzagtheit von Michel, dem Bruder des getöteten Joseph, brodelt. Ich habe selten sprachlich derart klar und auf den ersten Blick sachlich-kalte Sätze mit soviel versteckten Emotionen, die geweckt werden und deutlich spürbar sind, gelesen. Das ist einfach nur grandios.
Mir gefällt ausgezeichnet, dass man sich den Hergang der Unglücks im Bergwerk 1974, den Lebensweg von Michel, so voller Trauer und manchmal sogar Dumpfheit, und das Sterben seiner geliebten Frau Cécile erst allmählich erarbeiten muss. Was sich ganz am Anfang des Buches ein wenig wie eine fast normale Familiengeschichte liest schlägt rasant um in ein Kammerspiel voller Trauer, Frust und Einsamkeit. Ganz kurze Sätze, die am Ende von Abschnitten teils als Cliffhänger die Normalität durchbrechen und zerstören sorgen dafür, dass man auch als Leser schnell keine Ruhe mehr findet und fast angstvoll weiter liest.
Ich habe anfangs einen kleinen Moment gebraucht, um die verschiedenen Zeitstränge zu ordnen, bis ich mich an Chaladons Stil, thematisch und nicht zeitlich zu bündeln, gewöhnt habe. Das ist für mich etwas ungewöhnlich, gefällt mir aber sehr, dass er sich nicht der aktuell so angesagten stilistischen Methode mit zwei oder drei Zeitebenen und dem Kapitelweisen Springen unterwirft, sondern gemäß den Kapitelüberschriften über Themengebiete in ganz unterschiedlichen Zeitebenen (zwei Hauptebenen) schreibt.
Ich habe übrigens vor vielen Jahren an einer TU Bergakademie studiert (im Aufbaustudium) und kenne daher ein paar Bergbaubegriffe, aber sehr hilfreich ist mir das hier gewesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bergmannssprache
Hier sieht man beispielsweise, was mit hydraulischem Schildausbau gemeint ist und kann sich manches in den extra Artikeln anschauen, wenn man möchte.
Erstaunlich für mich ist es übrigens, dass man zum Grubenunglück in der Zeche Saint-Amé ziemlich intensiv suchen muss, um ein paar Informationen zu bekommen.
Das kann ich mir gut vorstellen! Da ist dieses Buch für dich sicher noch ein schöneres Geschenk als für uns andere.Als Kind eines Bergmanns und Kind des Ruhrgebiets fühle ich mich da sehr ergriffen und bewegt
zB in der Art wie Michel das "Hasenbrot", das ihm sein Bruder von unter Tage mitgebracht hat, zelebriert. Das ist einfach klasse.
Ich hatte auch ein Deja vue (?):Das Hasenbrot hat mir übrigens immer gut geschmeckt, es war schön durchgezogen, matschig und saftig.
Oh wow, du kennst das und es gibt das Hasenbrot noch in anderen Bereichen (woher kommt der Begriff eigentlich? Haben das die Hasen bekommen, wenn die Kinder nicht wollten?)...ich hatte das Wort zuvor noch nie gehört. Als Erwachsene hört es sich für mich nicht lecker an, aber Kindheitserinnerungen sind eine völlig andere Kategorie, und im Roman kommt genau das auch so genial rüber.Ich habe als Kind immer mal wieder ein "Hasenbrot" gegessen. Es war das Brot das mein Opa von der Feldarbeit abends wieder mit nach Hause gebracht hatte. Ich dachte immer, dass so ein Brot nur bei uns im Dorf so genannt wurde.
Das Hasenbrot hat mir übrigens immer gut geschmeckt, es war schön durchgezogen, matschig und saftig.