1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 20

MRO1975

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11. August 2018
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Der erste Abschnitt hat mir gut gefallen. Die Geschichte entwickelt sich schnell und ist leicht lesbar geschrieben.

Pinch erlebt offenbar eine glückliche Kindheit. Er wächst bei seiner Mutter Natalie und seinem Vater Bear in Rom auf. Bear ist ein berühmter Künstler und echter Egozentriker. Er schöpft das Leben in vollen Zügen aus. Sehr bildstark finde ich die Metapher, dass er die Steinpilzsoße über den ganzen Teller mit dem Fleisch gießt und nicht nur auf den Rand tröpfelt (S. 27). Bear geht in seiner Arbeit völlig auf und liebt seine Familie „wie verrückt“. Aber im Zweifel muss sich seine Familie seiner Kunst unterordnen. Dies wird in mehreren Episoden deutlich, etwa als Natalie ihrer Kunst nachgehen will, aber von Bear unterbrochen wird, weil dieser spontan von der Muse geküßt wird und Natalie ihm Modell sitzen muss, oder wenn er stunden- oder tagelang arbeitet und dafür seine Familie vernachlässigt.

Bear ist voller ungezügelter Leidenschaften. Er verliebt sich offenbar regelmäßig in junge Frauen und verlässt für diese seine jeweils aktuelle Familie. Auf diese Weise hat bereits Natalie ihre Vorgängerin abgelöst und sie erleidet das gleiche Schicksal. Bears Frauen und Kinder scheinen ihm diesen Lebenswandel zu verzeihen, zumindest herrscht kein böses Blut. Bear wird von seinen Kindern besucht. So besucht Birdie, die Tochter aus einer früheren Beziehung, Bear in Rom und wohnt dort mit Natalie und Pinch. Pinch besucht später seinen Vater in New York und wohnt dort bei der aktuellen Familie. Alles dreht sich um Bear.

Nachdem Bear Natalie verlassen hat, lebt Pinch mit seiner Mutter allein. Er beginnt zu malen, „er sehnt sich nach dem Applaus anderer Leute“ und malt hauptsächlich, um andere (seine Lehrer, Klassenkameraden, seinen Vater) zu beeindrucken. Als er seinem Vater eines seiner Bilder zeigt, sagt ihm dieser allerdings, dass aus ihm nie ein Maler werden würde.

Dieses Urteil wird ja der Ausgangspunkt für die weitere Geschichte sein. Findet ihr, dass Bear richtig gehandelt hat? Ich halte Bear in seiner Exzentrität für sehr glaubwürdig, er ist mir komischerweise sogar sympatisch. Da geht es mir wohl wie seinen Exfrauen. Ich neige daher dazu, ihm zu glauben, dass das Bild nichts Besonderes und Pinch kein geborener Künstler ist. Dafür gibt es auch Anhaltspunkte in der Geschichte. Pinchs Antrieb als Künstler ist fragwürdig. Er strebt nach Anerkennung. Das unterscheidet ihn stark vom Vater, der ihm einmal sagte: „Mein wahres Leben findet statt, wenn ich arbeite. Ganz und gar. Der Rest - alles andere [also die Anerkennung, der Applaus] - ist bloß Schwindel.“ (S. 87) Außerdem scheint Pinch den Stil seines Vaters zu imitieren, indem er Vergrößerungen von Körperteilen malt. Es liegt daher für mich nahe, dass Bear recht hat. Hätte er sein Urteil dennoch besser verpacken müssen, um Pinch nicht zu verletzen? Das hätte Pinch aber künstlerisch nicht wirklich geholfen. Außerdem ist Verkleidung und Verstellung definitiv nicht Bears Stil.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Thematisch dreht es sich im ersten Abschnitt für mich auch darum, was Kunst ausmacht. Dazu fielen mir spontan verschiedene Definitionen ein, die ich mal im Studium gelernt habe.

Die Episode um die Töpferei als Kunst wirft die Frage auf, ob Kunst von Können im Sinne einer besonderen (handwerklichen) Fähigkeit kommt. Das war früher sicher der Fall, als Gemälde allein der Abbildung der Realität dienten. Heutzutage gibt es dafür Fotos. Dadurch öffnete sich für die Kunst die Möglichkeit, sich dem Abstrakten zuzuwenden; sie konnte sich von der Erfüllung einer Funktion lösen. Funktionalität hat daher in der Kunst heute auch einen anderen Stellenwert.

Was Kunst ist, wird auch häufig mit den Schlagworten „Anerkennung durch Anerkannte“ beantwortet. Auch das findet man im Buch wieder. Natalie versucht als Künstlerin dadurch anerkannt zu werden, dass Bear sie unterstützt und anerkennt. Sie bekommt eine Ausstellung, weil der Galerist erhoffte, dass Bear kommt. Pinchs Urteil über die Ausstellung in New York ist für den Galeristen irrelevant, solange Bear die Auffassung nicht teilt. Pinchs Karriere als Künstler ist vorbei, weil Bear ihn nicht anerkennt.

Ich finde das alles sehr anregend. Außerdem ist es schön verpackt und nicht so verkopft, wie in manch anderen Kunstromanen.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Was Kunst ist, wird auch häufig mit den Schlagworten „Anerkennung durch Anerkannte“ beantwortet
Dieses Schlagwort kannte ich noch nicht. Es erscheint mir sehr treffend.
Ich muss dabei daran denken, dass die Kunst von Frauen lange überhaupt nicht anerkannt wurde und auch heute noch können Frauen für ihre Kunst weit weniger Geld erzielen als Männer. Da spielen diese Prozesse (Anerkennung von Mächtigen, das sind vor allem Männer) mit hinein.

Ich finde diesen Bear (ein Bär von einem Mann) eigentlich nicht sympathisch. Ein Narzisst wie er im Buche steht.
Rachmann beschreibt dessen Persönlichkeit sehr anschaulich auf indirekte Weise aus der Sicht seiner "Opfer". Bei diesen Schilderungen von Interaktionen leide ich manchmal richtig mit. Auf der einen Seite diese Naturgewalt von einem Menschen und auf der anderen Seite die unsichere Natalie, die ihm nichts entgegenzusetzen hat.

Das Cover verstehe ich so, dass diese pastos aufgetragenen, leuchtend bunten Farben, die drohen die Schrift zu überdecken, für den überbordenden Charakter des Künstlers Bear steht.

Ich finde den Roman bisher auch sehr anregend und gut geschrieben.
 

Helmut Pöll

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Als er seinem Vater eines seiner Bilder zeigt, sagt ihm dieser allerdings, dass aus ihm nie ein Maler werden würde.
Diese Schlüsselszene wurde auch in der Lesung diskutiert. Auf die Frage, ob Bear seine Sympathiebekundungen und die zur Schau gestellte Zuneigung für andere ernst meine, oder ob er ein Heuchler sei, meinte Rachman, dass Bear seine Zuneigung ernst meine, aber nur kurz.

Mit anderen Worten, er spielt die Rolle des Zentralgestirns, um das alle anderen zu kreisen haben. Familie eingeschlossen. Letztlich ist er völlig unempathisch, um nicht zu sagen antisozial und zu "normalen" Beziehungen, die auf einem Austausch auf Augenhöhe basieren, nicht fähig.

Aber um konkret auf die Bildszene mit seinem Sohn zurückzukommen. Er hat ein Kind gegenüber, das man besser ermutigt hätte. Bear hätte ihm Tipps geben können, anstatt seinen Sohn abzukanzeln. Ich denke zu diesem Zeitpunkt kann niemand sagen, ob er nicht doch Talent zum Malen hat. Hat Bear Angst, dass da unter Umständen etwas heranreifen könnte, was seinen Sonnenkönig-Status gefährden könnte? Er liebt seine Kinder sicher auf seine Art, aber nur solange sie ihm keine Konkurrenz sind.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich muss dabei daran denken, dass die Kunst von Frauen lange überhaupt nicht anerkannt wurde und auch heute noch können Frauen für ihre Kunst weit weniger Geld erzielen als Männer. Da spielen diese Prozesse (Anerkennung von Mächtigen, das sind vor allem Männer) mit hinein.
Da ist etwas Wahres dran. Ich habe kürzlich Eine Gleißende Welt von Siri Hustvedt gelesen. Dort ist diese Wahrheit Thema. Um es der Welt zu zeigen, veröffentlicht die dortige Protagonistin ihre Werke hinter einer Maske (3 Männer). Ihr Triumph wird ihr allerdings genommen. Ein hervorragendes Buch, aber keine leichte Lektüre.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Hat Bear Angst, dass da unter Umständen etwas heranreifen könnte, was seinen Sonnenkönig-Status gefährden könnte? Er liebt seine Kinder sicher auf seine Art, aber nur solange sie ihm keine Konkurrenz sind.
Das habe ich auch überlegt. Aber Bear kommt für mich so authentisch rüber, dass ich ihn nicht für einen Heuchler halte.

Bislang finde ich alle Figuren sehr überzeugend, sie haben viel Tiefgang und wirken echt. Das gefällt mir.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Ich habe eine andere Ausgabe als Ihr und lese ein "Rohmanuskript" - das steht zumindest drauf. Dies ist ein Vorabdruck. Der Text wird mit Eurem identisch sein. Habt Ihr auch das sehr persönliche Anschreiben von Tom Rachman an die Leser, gleich am Anfang des Buches, indem er seine Einstellung zum Vatersein beschreibt? Dieser sehr persönliche Text macht den gesamten Roman zu einem persönlichen. Ich lese daher mit anderen Augen.
Gleich mit den ersten Sätzen des 1. Kapitels entdecke ich eine symbolhafte Szene: Bear steigt aus der Badewanne und stützt sich dabei mit einer Hand auf Pinches Kopf ab - als ob er ihn niederdrücken will. Unter diesem Eindruck habe ich weitergelesen und hatte nicht den Eindruck - wie @MRO1975 - dass Pinch eine glückliche Kindheit erlebt. Er strebt permanent nach der Anerkennung seines Vaters - wie die Mutter im Übrigen auch. Und beide scheinen unter diesem Druck zu leiden. Pinch ist mir als Kind zu ernsthaft. Mir fehlt das Unbeschwerte, wovon sein Vater ja zu genüge hat. Unter dem Deckmantel des egozentrischen Künstlers scheint er sich ja alles rauszunehmen. Vater oder Ehemann ist er nur dann, wenn es ihm gerade in den Kram passt. Und immer muss die Kunst als Entschuldigung herhalten.
Dieses Urteil wird ja der Ausgangspunkt für die weitere Geschichte sein. Findet ihr, dass Bear richtig gehandelt hat?
Aus Bears Sicht wahrscheinlich schon. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er keinen Maler neben sich duldet. Ob Pinch Talent hat, spielt dabei keine Rolle. Als Pinch noch jünger war, konnte Bear die Ambitionen seines Sohnes als Kindereien abtun. Doch nachdem Pinch sich intensiver mit der Malerei beschäftigt hat, könnte sich Konkurrenz anbahnen. Und ehe Bear vom Thron gestoßen wird, hält er seinen Sohn klein, indem er ihm Talentlosigkeit bescheinigt.
 

Renie

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ei diesen Schilderungen von Interaktionen leide ich manchmal richtig mit. Auf der einen Seite diese Naturgewalt von einem Menschen und auf der anderen Seite die unsichere Natalie, die ihm nichts entgegenzusetzen hat.
Das geht mir ganz genauso. Dieses Streben nach Bears Anerkennung und die Enttäuschungen, die Natalie und Pinch erleiden tun schon weh.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hätte er sein Urteil dennoch besser verpacken müssen, um Pinch nicht zu verletzen?
Ja, das hätte er! Im Alter von 15 Jahren sind die meisten jungen Menschen sehr unsicher. Unser Pinch insbesondere. Aber das interessiert den Egomanen Bear nicht. Es ist ihm egal, wie eine Nachricht beim Gegenüber ankommt. Hauptsache er sagt, was er denkt. Was seine Intention ist, ob er wirklich fehlendes Talent sieht oder aber Angst vor einem Konkurrenten hat...- das vermag ich (noch) nicht zu beurteilen.
Ich finde diesen Bear (ein Bär von einem Mann) eigentlich nicht sympathisch. Ein Narzisst wie er im Buche steht.
Genau den Begriff habe ich gesucht: Narzisst. Ein Lebemann, der sein Leben lebt, alles andere rankt sich um ihn und seine Stimmungen. Keine Empathie, kein Interesse an anderen Menschen, keine Rücksicht.
Letztlich ist er völlig unempathisch, um nicht zu sagen antisozial und zu "normalen" Beziehungen, die auf einem Austausch auf Augenhöhe basieren, nicht fähig.
Genau so ist er! Völlig auf seine "Kunst" fixiert.
Aber bemerkenswert, wie glaubwürdig Rachman seinen Charakter angelegt hat. Man nimmt ihm seine Liebe tatsächlich ab. Sie währt aber nur kurz. Das macht ihn manchmal wirklich sympathisch, wenn er wie ein Kind durch den Raum wirbelt. Aber er ist erwachsen, hat Verantwortung. Ein Narzisst, genau so, wie der Autor im Interview sagte.
Hat Bear Angst, dass da unter Umständen etwas heranreifen könnte, was seinen Sonnenkönig-Status gefährden könnte?
Das war mein erster Gedanke. @MRO1975 sieht Indizien, dass der Junge wirklich talentfrei ist. Man muss wohl weiterlesen, um die Wahrheit zu erfahren.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das Wesen der Kunst wird ja häufig im Roman erwähnt. Die Definitionen finde ich sehr interessant, zumal ich nicht viel über Kunst weiß.
[zitat]Kunst ist ein anderes Wort für Meinung S.41[/zitat]
[zitat]In der Kluft zwischen dem, was ein Gegenstand ist, und dem was auf dem Bild ist, liegt die Kunst S.56 [/zitat]
An anderer Stelle: etwas, das einen Nutzen erfüllt, kann keine Kunst sein.

Pinch ist im ersten Teil eine tragische Figur. Er hat eine schwere Kindheit mit diesen unterschiedlichen Eltern, die nichts erklären, nicht ernsthaft mit ihm sprechen. Wichtige Beobachtungen, wie die Heuchelei rund um den Lehrer Cecil oder die Tatsache, das Bear seine Frau Natalie verlassen hat, macht er selbst. Niemand spricht mit ihm.
Vorbilder muss er sich selbst suchen. Da er Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen hat, ahmt er seinen Vater nach, macht ihn zu seinem Helden. Pinch wünscht sich wie jeder Mensch Anerkennung - gerade von Bear. Dieser mutiert in Abwesenheit zum Helden. Jedes Wort ist heilig. Mir tut der Junge richtig leid, zumal seine Mutter auch keine Kraft hat und seelisch verletzt scheint. Noch fehlt Pinch das Rückgrat. Ich wünsche ihm, das er seinen eigenen Weg noch finden wird!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Als Pinch noch jünger war, konnte Bear die Ambitionen seines Sohnes als Kindereien abtun.
Es ist doch tragisch: aus einer seiner Launen heraus erklärt der Vater dem Sohn die Grundzüge seiner Maltechnik. Der Sohn inhaliert sie und strebt Jahre lang danach, sie umzusetzen.
Als er den Vater sein daraus resultierendes Werk zeigt, kann dieser sich an nichts mehr erinnern und gibt sein niederschmetterndes Urteil bekannt.
Bear ist ein Spieler. Er spielt mit der Kunst, mit seinen Frauen und auch mit seinen Kindern. Ein unberechenbarer Charakter.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich habe nun die Schlüsselszene, in der Bear seinen Sohn abkanzelt auch gelesen. Während Bear das Bild seines Sohnes betrachtet bettelt Pinch darum, bei seinem Vater bleiben zu dürfen. Mit dem Satz:" ein Maler bist du nicht und wirst auch nie einer werden" sorgt Bear dafür, dass er sich seinen Sohn vom Leib halten kann. Das war mein Eindruck.
Angst vor Konkurrenz kann ich bei dieser Figur nicht erkennen. Er kanzelt ja sogar Picasso ab.

Die Art wie Bear seine Mitmenschen manipuliert wird immer wieder dargestellt. So hat er keine Zeit für
Pinch während der ihn in den USA besucht. Reagiert aber scheinbar empört. "Das nervt jetzt aber wirklich: Du fährst schon bald zurück und ich muss mich um diesen Unsinn in der City kümmern!"
Normal müsste ja der Sohn empört sein, aber Bear dreht es geschickt um.
Das ist nur ein Beispiel von vielen, in denen gezeigt wird, wie manipulativ Bear ist. Er scheint mir - wie @Helmut Pöll schreibt, nicht fähig zur Empathie. Beziehungen zu anderen Menschen werden nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet, welchen Nutzen er daraus für sich ziehen kann.

Gleich mit den ersten Sätzen des 1. Kapitels entdecke ich eine symbolhafte Szene: Bear steigt aus der Badewanne und stützt sich dabei mit einer Hand auf Pinches Kopf ab - als ob er ihn niederdrücken will.

Dieser Satz ist mir auch aufgefallen. Ich habe daran gedacht, dass er seinen Sohn quasi instrumentalisiert, ihn also quasi benutzt für seine eigenen Zwecke, ohne sich zu überlegen, wie das auf seinen Sohn wirkt. Er nimmt seinen Sohn nicht wirklich wahr, was wiederum für das Selbstwertgefühl des Jungen niederschmetternd ist.

Mir tut der Junge richtig leid, zumal seine Mutter auch keine Kraft hat und seelisch verletzt scheint. !

Ja und dazu kommt noch, dass er auch keine guten gleichaltrigen Freunde findet, die ihn stützen könnten. Pinch hat es nicht leicht. Ich bin auch gespannt wie es weitergeht mit ihm.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Der Schreibstil des Buches ist locker und leicht. Bin gut in die Geschichte gekommen.

Das Statement von Bear am Ende dieses Abschnitts hat mich entsetzt. Wie kann man seinem Sohn so eine niederschmetternde Ansicht unterbreiten? Verstehe nicht viel von Kunst, aber in diesem Genre findet sich doch fast für alles der ein oder andere Liebhaber. Wenn ihm das Werk nicht gefällt, hätte er dies anders formulieren müssen, ihn nicht komplett demotivieren. Ich hatte das Gefühl es tut dem Jungen gut ein Ziel zu haben, auch wenn dies bedeutet seinem Vater nachzueifern. Einem Vater, der sich im Grunde nur um sich selbst sorgt. Er hat ein berauschendes Wesen, schafft es die Menschen zu manipulieren. Es wirkt so, als ob da mehr Schein als Sein wäre. Menschlich gesehen steht Bear bei mir nicht hoch im Kurs.

Natalie wirkt auf mich, als ob ihr Bears Schatten in dem sie stand, nicht gut getan hat. Wie wäre ihr Leben ohne diesen Mann wohl verlaufen?

Der Autor schafft es für mich, diese Welt einzufangen, mir eine Vorstellung davon zu liefern, die bisher sehr glaubhaft wirkt. Ich kann mich in Natalies Enttäuschung hineinversetzen, aber auch mit Pinch mitfiebern, als er seine ersten Werke kreiert. Ich finde, dass macht ein gutes Buch aus, das Gefühl dazuzugehören.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Ich finde diesen Bear (ein Bär von einem Mann) eigentlich nicht sympathisch. Ein Narzisst wie er im Buche steht.

Ihr habt im Prinzip schon alles Wesentliche geschrieben. Interessant sind die unterschiedlichen Ansichten darüber, ob Pinch eine glückliche Kindheit hatte. In meinen Augen kann er sich nicht frei entfalten, es erinnert mich an die Schilderungen der Kinder Thomas Manns, die absolut still sein mussten, wenn er arbeitete. So ist auch das Leben Natalies und Pinchs von Bear determiniert. Für mich ist das keine glückliche Kindheit.

Hat Bear Angst, dass da unter Umständen etwas heranreifen könnte, was seinen Sonnenkönig-Status gefährden könnte?

Das ist auch mein Gedanke, abwarten, wie es weitergeht!
Jedenfalls liest sich die Geschichte gut und ist trotz der Dominanz Bears, der auch präsent ist, wenn er weg ist, sehr anregend.
 

MRO1975

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11. August 2018
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In meinen Augen kann er sich nicht frei entfalten, es erinnert mich an die Schilderungen der Kinder Thomas Manns, die absolut still sein mussten, wenn er arbeitete. So ist auch das Leben Natalies und Pinchs von Bear determiniert. Für mich ist das keine glückliche Kindheit.
Ja, das finde ich auch interessant. Ich finde nach wie vor, dass Pinch keine verkorkste Kindheit hatte. Er wird von seinen Eltern geliebt und weiß das auch. Dass es auch Schattenseiten gab, akzeptiere ich. Glücklich ist für mich nicht gleichbedeutend mit perfekt. Wer hat schon eine perfekte Kindheit? Eltern sind halt auch nur Menschen.
 
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Querleserin

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30. Dezember 2015
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Er wird von seinen Eltern geliebt und weiß das auch.
In Bezug auf seine Mutter stimme ich dir zu, aber nicht in Bezug auf Bear. Pinch ist immer in Hab-Acht-Stellung. Wann hat der Vater Zeit für mich, wann darf ich ihn stören, nimmt er mich wahr?
Er liebt seinen Vater abgöttisch - und für ihn ist er ein Gott - unnahbar, aber nicht wirklich als Mensch erfahrbar. Das finde ich sehr belastend und ich glaube, dass es für Pinch Auswirkungen auf seine Entwicklung haben wird, da er nie wirklich gesehen wird. Mir ist der Protagonist zutiefst unsympathisch, ein selbstverliebter, selbstherrlicher Künstler, der nur sich und seine Bedürfnisse wahrnimmt und nicht in der Lage ist, sich in das Seelenleben eines Kindes hineinzuversetzen.
Trotzdem ist die Lektüre interessant, für mich steht eher Pinch im Mittelpunkt.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Mir ist der Protagonist zutiefst unsympathisch, ein selbstverliebter, selbstherrlicher Künstler, der nur sich und seine Bedürfnisse wahrnimmt und nicht in der Lage ist, sich in das Seelenleben eines Kindes hineinzuversetzen.
Trotzdem ist die Lektüre interessant, für mich steht eher Pinch im Mittelpunkt.
Rachman ist bei der Diskussion auf diesen Punkt auch näher eingegangen. Er meinte die Art, wie wir heute Ausnahmetalente wahrnehmen, hat sich deutlich geändert. In früheren Zeiten sah man einem Künstler aller Verfehlungen nach, wenn nur sein Schaffen außergewöhnlich war. Heute ist das nicht mehr zwingend so, zumindest nicht mehr in diesem Ausmaß. Wir erwarten auch von Ausnahmetalenten, dass sie sich an die Regeln halten. Als Vater ist Bear schlicht und ergreifend ein Unglück, ein Totalausfall. @Querleserin
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Er meinte die Art, wie wir heute Ausnahmetalente wahrnehmen, hat sich deutlich geändert. In früheren Zeiten sah man einem Künstler aller Verfehlungen nach, wenn nur sein Schaffen außergewöhnlich war.n
Das finde ich einen sehr interessanten Gedanken. Das kann ich nur zustimmen. Ist es nicht so, dass sich mächtigen Menschen früher (und auch heute noch) mehr rausnehmen können als andere.

Was Künstler betrifft ,so gibt es da ja den Gedanken, dass die ungezügelte Leidenschaft und Egozentrik der Künstler eine Voraussetzung für ihre genialen Werke sei. . Mag sein. Dass dies aber für die Umgebung des Künstlers gefährlich sein kann, muss trotzdem zumindest klar ausgesprochen werden und nicht mit Nachsicht behandelt werden.
 

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