4. Leseabschnitt: Kapitel 22 bis Ende (S. 235 - Ende)

Literaturhexle

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2. April 2017
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So, ich bin durch und bleibe ähnlich verwirrt wie während der gesamten Lektüre. Meine Hoffnung, dass sich am Ende ein großes Ganzes ergibt, eine überraschende Auflösung, hat sich nicht erfüllt.

Die schwache Moral vielleicht, auf die Shylock hinweist, dass die Christen kein Recht haben, die Juden zu verdammen, weil die christliche Religion die jüngere und zudem auf einem Juden als Gottessohn begründet ist (S.278).

Das ganze Theater rund um die inszenierte Beschneidung spitzt sich nochmal ziemlich lächerlich zu. Plurabelle "verliebt " sich in den alten Shylock- ohne Worte!

Ernsthaft wird die Geschichte noch einmal, als Shylock an die Fähigkeit zum Mitleid/der Vergebung an Strulovitsch appelliert. Aber natürlich war ihm vorher schon klar, dass er keinen Erfolg haben würde.
Zuvor (S.250) weitere Stereotype, dass Juden nicht gleichzeitig dem Gesetz und der Schönheit verbunden sein können: es reißt nicht ab!

Plurabelle kommt höchst theatralisch mit dem Brief... Hier wird der Leser noch einmal gefoppt, denn der Inhalt ließ mich, die keine Kenntnis vom Original hat, enttäuscht zurück.
Beatrice, für die diese ganze Inzenierung abgehalten wurde, kehrt in den Schoß der Familie zurück. D'Anton bekommt sein Bild.
Friede, Freude, Eierkuchen.
Es gibt keine Sieger. Alles nur Theater?

Wenn das Buch jetzt ein Appell gegen den Antisemitismus sein soll, habe ich ihn nicht verstanden. Der innere Vorhang hat sich mir nicht gehoben. Ein bisschen neugierig bin ich auf den Original-Kaufmann geworden. Ich schließe auch nicht aus, dass ich eine weitere Adaption lesen werde (gerne wieder mit euch), denn die Grundidee des Hogwarth Projektes fasziniert mich schon und es verdient eine zweite Chance ;)
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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So, auch ich bin durch und alles andere als begeistert. Mich hat das Buch gelangweilt und teilweise auch "genervt". Das Bild des "modernen" Juden Strulovitch, der eigentlich das Judentum in seinem Alltag nicht mehr lebt, dann aber das Leben seiner Tochter mit der sehr mauen Begründung des "Fortbestandes" (s.S. 194, von was so genau?) "jüdisch" bestimmen will und einen "Riesenbohei" um die Beschneidung macht, die inzwischen aus hygienisch-medizinischen Gründen zur Normalität ohne dogmatisch-religiöse Bedeutung geworden ist und auch bei seinem Gegner d'Anton schon durchgeführt wurde, ohne dass dieser darüber ein Wort verliert, ist für mich ungemein negativ und ich frage mich, warum ich eine solche negative Neubewertung des Judentums brauche. Wenn es eine differenziertere Neubewertung geworden wäre: bitte! Aber so: Shylock, nein danke!
So jetzt habe ich mich hier schon in Rage geschrieben und das Fazit vorweggenommen. Aber jetzt steht es nunmal hier.
Ich bin gespannt, wie ihr auf dieses klar negative Urteil reagieren werdet.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Ich habe es auch geschafft. Ein höchst verwirrendes Ende.
Strulovitch bleibt nach diesem Coup von D'Anton als Gelackmeierter zurück. Spott und Kränkung ist alles was er davon hat, er fühlt sich als Verlierer und D'Anton bekommt als Siegerpreis (?) die gewünschte Skizze. Béatrice kehrt zur Familie zurück.

Auch hier hat das Thema Beschneidung als Zeichen des religiösen Bunds ein breites Feld eingenommen. Aber warum? Ich weiß, es gibt viel Diskussion darüber, auch in der jüdischen Welt zweifeln inzwischen manche Familien diese Praxis an und wollen ihre Söhne nicht mehr beschneiden lassen. Aber die Beschneidung allein ist doch kein Auslöser für Antisemitismus.
Warum aber Strulovitch als moderner Jude plötzlich so viel Wert darauf legt, dass Bèatrice die Regeln des Glaubens befolgt und unbedingt nur jüdisch heiraten soll, hat sich mir nicht erschlossen.
Plurabelle ist noch seltsamer, als all die Zeit davor. Sie verliebt sich in Shylock - mehr als abwegig.
Shylock bleibt der Mahner im Hintergrund und weiß doch, dass er keinen Erfolg damit haben wird.
Überhaupt hat sich der ganze Handlungskomplex um Plurabelle und ihre exzentrischen Wünsche ziemlich seltsam angefühlt und ich fand ich Parallelen zu Shakespeares Original oft sehr bemüht und weit hergeholt.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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So, auch ich bin durch und alles andere als begeistert. Mich hat das Buch gelangweilt und teilweise auch "genervt". Das Bild des "modernen" Juden Strulovitch, der eigentlich das Judentum in seinem Alltag nicht mehr lebt, dann aber das Leben seiner Tochter mit der sehr mauen Begründung des "Fortbestandes" (s.S. 194, von was so genau?) "jüdisch" bestimmen will und einen "Riesenbohei" um die Beschneidung macht, die inzwischen aus hygienisch-medizinischen Gründen zur Normalität ohne dogmatisch-religiöse Bedeutung geworden ist und auch bei seinem Gegner d'Anton schon durchgeführt wurde, ohne dass dieser darüber ein Wort verliert, ist für mich ungemein negativ und ich frage mich, warum ich eine solche negative Neubewertung des Judentums brauche. Wenn es eine differenziertere Neubewertung geworden wäre: bitte! Aber so: Shylock, nein danke!
So jetzt habe ich mich hier schon in Rage geschrieben und das Fazit vorweggenommen. Aber jetzt steht es nunmal hier.
Ich bin gespannt, wie ihr auf dieses klar negative Urteil reagieren werdet.

Vielleicht muss man einfach feststellen, das Jacobsons Versuch nicht gelungen ist.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich habe nun auch den letzen Abschnitt zu Ende gelesen.

Plury verliebt sich in Shylock? Das verstehe ich nicht. Genau so wenig wie die erotischen Anspielungen bezüglich Strulovitch/Beatrice und Shylock/Beatrice.

Nach all den Überlegungen zur Beschneidung,.stellt sich nun heraus, dass D'Anton schon beschnitten ist (wenn auch nicht aus religiösen Motiven).
Der Autor fragt uns, ob uns diese Wendung gefällt. (nach meinem Eindruck). S. 283 "Lachte da jemand? Gab es Applaus?"
Ich dachte an dieser Stelle: weder noch.
Das Ende ist nicht gerade spektakulär.

Auf der Anderen Seite endet alles weniger dramatisch als im Original. Eigentlich ist alles weniger dramatisch als im Original, was ich eigentlich gut finde. Zwar ist auch hier der Jude (Strulovitch) am Ende der Dumme. Allerdings kommt seine Tochter zu ihm zurück, er verliert sein Vermögen nicht und er muss nicht zum Christentum übertreten.
Entsprechend hatte er auch weniger von D'Anton gefordert (ich sehe es weiter so, dass hier im Roman die Vorhaut für das Herz im Original steht).

Schön fand ich, das Shylock hier die Verteidigungsrede hält, die im Original während des Prozesses an ihn gerichtet war. Shylock ist also weiter viel versöhnlicher als im Original.Weniger boshaft und rachsüchtig.
Ist er inzwischen, nach all den Jahren geläutert. Sieht er andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Christen, außer Rache?

Den Schluss habe ich nicht ganz einordnen können. Beatrice ist wieder zuhause. Aber sie ist ihrem Vater gegenüber nicht positiv gestimmt. Sie letzten Sätze des Romans: Wenn er sie jetzt fragte, was sie gerade dachte, würde sie antworten: "Ich werde mich an eurer ganzen Rotte rächen".
Wie versteht ihr das?
Oder seit ihr es leid zu interpretieren und zu deuten?

Ich finde bei diesem Roman muss man viel interpretieren: wo sind die Parallelen zum Original? Wie sind die Stereotypen zu deuten? Wer ist Shylock usw... Das macht zum Teil Spaß (aber nur wenn man sich darüber austauschen kann wie wir es tun) zum Teil ist es auch etwas verwirrend.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Das Bild des "modernen" Juden Strulovitch, der eigentlich das Judentum in seinem Alltag nicht mehr lebt, dann aber das Leben seiner Tochter mit der sehr mauen Begründung des "Fortbestandes" (s.S. 194, von was so genau?) "jüdisch" bestimmen will und einen "Riesenbohei" um die Beschneidung macht, die inzwischen aus hygienisch-medizinischen Gründen zur Normalität ohne dogmatisch-religiöse Bedeutung

Ich will jetzt den Roman nicht durchgehend verteidigen. Aber trotzdem zwei Überlegungen zu deiner Kritik:

Ist es nicht oft so, dass wir modernen Menschen uns liberal geben aber wenn es dann unsere Kinder trifft, da sieht es immer noch anders aus (z.B. wenn die eigene Tochter lesbisch ist....oder wenn sie einen Schwarzen heiraten würde usw.) In diesem Punkt (wen heiratet mein Kind) verbirgt sich auch heute noch ein Stück Vorurteil, wenn es auch in allen anderen Bereichen nicht mehr in uns vorhanden ist.

Zu der Beschneidung um die ein Riesenbohei gemacht wird:
Ich sehe die Rolle der Beschneidung in diesem Roman nicht als einen religiösen Akt. Es geht m.E. ganz profan um Rache, um ein Stück christliches Fleisch, das abgeschnitten werden soll. Also um das Herz im Originalstück. Deshalb wird auch lang und breit diskutiert: Ist es richtig Rache zu nehmen, soll man es selbst ausführen, wäre man überhaupt in der Lage dazu usw.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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aber wenn es dann unsere Kinder trifft, da sieht es immer noch anders ans
Da hast du bestimmt ein wahres Wirt gesprochen, das muss man Strulovitch zugestehen.

Was den Bohei um die Beschneidung angeht, so steht sie mit Sicherheit für das Herz im Original. Aber ein Herz ist etwas anderes als eine Vorhaut. Dieses medial inszenierte Theater darum hatte für mich was Lächerliches - wobei ich nicht mal lachen konnte. Insofern finde ich mich in der Bewertung von @Anjuta gut aufgehoben.
Es ist aber toll, auch jemanden (dich) in der Leserunde zu haben, der die Fahne des Romans hoch hält;)
 

MRO1975

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11. August 2018
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Der Schluss barg für mich wenig Überraschendes und ich bin froh, das Buch nun beendet zu haben. Das Finale um die (schon erfolgte) Beschneidung und die Rückkehr der Tochter kann hinsichtlich des Gesamtanspruchs des Buches für mich nicht mithalten. Das Zuendebringen der Rahmengeschichte wirkt schon fast lieblos, wenn ich es mit der Detailtreue vergleiche, mit der die Auseinandersetzungen um das Jüdischsein geführt wurden.

Ich fühle mich auch nach wie vor unwohl mit der Umsetzung des Grundsachverhalts. Im Stück forderte Shylock ein Pfund Fleisch im Falle des Zahlungsausfalls. Hier fordert Strulovitch die Vorhaut für den Verlust seiner Tochter. Dass hier ein Mensch zum Teil des Deals gemacht wird, missfällt mir persönlich und passt m.E. nicht zur Shakespeare-Vorlage. Auch ist mir die Gegenleistung in Form der Vorhaut zu ambivalent. Geht es nur um die Haut, ist die Adaption für mich platt. Geht es auch um das religiöse Bekenntnis zum Judentum (so verstehe ich den Roman allerdings nicht), fällt der Roman auch hier aus der Vorlage. Insgesamt drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Vorhaut als Gegenleistung gewählt wurde (zumindest auch gewählt wurde), weil das eine gewisse Sensationsgier beim Leser erwecken sollte.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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weil das eine gewisse Sensationsgier beim Leser erwecken sollte.
Hier muss ich @MRO1975 deutlich wiedersprechen. Dass die Vorhaut gewählt wurde, macht das Ganze für mich nicht sensationell, sondern eher nichtig und unwichtig, denn die Beschneidung ist heutzutage doch größtenteils aus ihrem religiösen Umfeld vollkommen gelöst und wird bei kleinen Jungs fast regelmäßig empfohlen und durchgeführt. Diese Forderung von Strulovitch ist für mich deshalb vollkommen trivial und trägt für mich nicht die Geschichte: Die Forderung nach dem Herzen dagegen - das war eine echte unsägliche Sensation.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Hier muss ich @MRO1975 deutlich wiedersprechen. Dass die Vorhaut gewählt wurde, macht das Ganze für mich nicht sensationell, sondern eher nichtig und unwichtig, denn die Beschneidung ist heutzutage doch größtenteils aus ihrem religiösen Umfeld vollkommen gelöst und wird bei kleinen Jungs fast regelmäßig empfohlen und durchgeführt. Diese Forderung von Strulovitch ist für mich deshalb vollkommen trivial und trägt für mich nicht die Geschichte: Die Forderung nach dem Herzen dagegen - das war eine echte unsägliche Sensation.
Sorry, wenn ich mich unklar ausgedrückt habe. Ich meinte nicht den Beschneidungsakt an sich. Dieser ist wirklich nicht sensationell. Ich meinte, weil mit der Vorhaut ein Teil des Penis betroffen ist.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Auch ich konnte das Buch endlich beenden.
Mir geht es wie allen anderen hier, die Beschneidung wurde viel zu sehr in den Mittelpunkt gezehrt. Der ürspringliche Gedanke Strulovitchs sich an seinem Schwiegersohn in spe zu rächen oder auch einfach nur herauszufordern, trat für mich irgendwann in den Hintergrund. Während des Lesens kam ich mir eher vor wie in einem Zirkus, von erwachsenen, kultivierten Menschen erwarte ich so etwas nicht.
Das Thema Religion wurde für meinen Geschmack genauso ausgereizt, zumal man als Leser die Standpunkte der Charaktere sehr früh kennenlernte, es drehte sich alles im Kreis.
Zu Anfang dachte ich es liegt nur daran, dass ich das Original nicht kenne, mittlerweile denke ich, damit hat es nur am Rande zu tun.

Kennt jemand eigentlich andere Romane des Autors?
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Das ganze Theater rund um die inszenierte Beschneidung spitzt sich nochmal ziemlich lächerlich zu. Plurabelle "verliebt " sich in den alten Shylock- ohne Worte!

Überhaupt finde ich die beiden Frauengestalten in "Shylock" sehr fragwürdig. Sie gehen extrem jung sexuelle Beziehungen ein (sagt Plurabelle nicht an einer Stelle, sie war 12?), scheinen beide einen Vaterkomplex mit inzestuösem Unterton zu haben und verhalten sich gleichzeitig sehr unreif.

Zuvor (S.250) weitere Stereotype, dass Juden nicht gleichzeitig dem Gesetz und der Schönheit verbunden sein können: es reißt nicht ab!

Ja, das wundert mich auch... Ein grundlegendes Thema des Buches ist Antisemitismus, und Shylock und Strulovitch hängen selber gewissen Vorurteilen an.

Plurabelle kommt höchst theatralisch mit dem Brief... Hier wird der Leser noch einmal gefoppt, denn der Inhalt ließ mich, die keine Kenntnis vom Original hat, enttäuscht zurück.

Die entsprechende Wendung im Original hat mich auch enttäuscht.Da gaukeln sie Shylock vor, er könne sein Pfund Fleisch haben, wie abgemacht, und dann sagen sie: oh, aber die Rede war von 'Fleisch' – wenn du nur einen Tropfen Blut vergießt, wirst du selber verurteilt!

Ich schließe auch nicht aus, dass ich eine weitere Adaption lesen werde (gerne wieder mit euch), denn die Grundidee des Hogwarth Projektes fasziniert mich schon und es verdient eine zweite Chance ;)

Ich habe inzwischen mehrfach gehört, dass "Shylock" die schwächste Adaption der Reihe sein soll, deswegen habe ich mir jetzt mal die anderen Bände im englischen Original geholt. (Zum einen ist das preisgünstiger und zum anderen lese ich solche Bücher eigentlich gerne im Original.)
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Das Bild des "modernen" Juden Strulovitch, der eigentlich das Judentum in seinem Alltag nicht mehr lebt, dann aber das Leben seiner Tochter mit der sehr mauen Begründung des "Fortbestandes" (s.S. 194, von was so genau?) "jüdisch" bestimmen will und einen "Riesenbohei" um die Beschneidung macht, die inzwischen aus hygienisch-medizinischen Gründen zur Normalität ohne dogmatisch-religiöse Bedeutung geworden ist und auch bei seinem Gegner d'Anton schon durchgeführt wurde, ohne dass dieser darüber ein Wort verliert, ist für mich ungemein negativ und ich frage mich, warum ich eine solche negative Neubewertung des Judentums brauche. Wenn es eine differenziertere Neubewertung geworden wäre: bitte! Aber so: Shylock, nein danke!

Du hast gerade in Worte gefasst, warum ich mich auch so schwer mit dem Buch tue! Der Autor ist selber Jude, und ich verstehe nicht, warum er Strulovitch an so antiquirten Vorstellungen vom Judentum festhalten lässt. Man hätte das Original doch auch auf andere Weise neu aufgreifen können.

Im Grunde lässt sich das Original runterbrechen auf:

Einem Juden wird viel Unrecht getan. Er muss sich tagtäglich herumschlagen mit Vorurteilen, hat dadurch auch echte Nachteile und fühlt sich gedemütigt. Als sich eine Chance bietet, sich an einem seiner Peiniger zu rächen, bringt sein Zorn ihn dazu, maßlos in seiner Grausamkeit zu werden.

Damit hätte man doch was machen können, ohne auf diese antiquierten Vorstellungen zurückzugreifen!
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Strulovitch bleibt nach diesem Coup von D'Anton als Gelackmeierter zurück. Spott und Kränkung ist alles was er davon hat, er fühlt sich als Verlierer und D'Anton bekommt als Siegerpreis (?) die gewünschte Skizze. Béatrice kehrt zur Familie zurück.

Das zumindest entspricht in etwa dem Original, denn da wird Shylock auch gedemütigt und verspottet, und der Kaufmann muss als 'Siegerpreis' seine erheblichen Schulden nicht zurückzahlen. Allerdings bekommt Shylock seine Tochter da nicht zurück.

Überhaupt hat sich der ganze Handlungskomplex um Plurabelle und ihre exzentrischen Wünsche ziemlich seltsam angefühlt und ich fand ich Parallelen zu Shakespeares Original oft sehr bemüht und weit hergeholt.

Für mich war Plurabelle (und einige der anderen Charaktere) ein sehr plakativer, überzogener Charakter, der auf mich nie wirklich echt und authentisch wirkte.

Die einzigen beiden Charaktere, die auf mich authentisch wirkten (allerdings auch nicht immer), waren Strulovitch und Shylock.
 

Mikka Liest

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Schön fand ich, das Shylock hier die Verteidigungsrede hält, die im Original während des Prozesses an ihn gerichtet war. Shylock ist also weiter viel versöhnlicher als im Original.Weniger boshaft und rachsüchtig.
Ist er inzwischen, nach all den Jahren geläutert. Sieht er andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Christen, außer Rache?

Ich bin mir nicht sicher, ob Shylock Strulovitch nicht nur beabsichtigt, seine eigene Rolle an Strulovitch weiterzugeben. Er selber wurde von diesen Worten nicht ungestimmt, er weiß, dass sie auch Strulovitch nicht umstimmen werden, und vielleicht hofft er, dass die Geschichte dieses Mal anders ausgehen wird.

"Ich werde mich an eurer ganzen Rotte rächen".
Wie versteht ihr das? Oder seit ihr es leid zu interpretieren und zu deuten?

Das habe ich auch nicht ganz verstanden. Beatrice ist sich bewusst, dass die Erziehung ihres Vaters dazu geführt hat, dass sie jeden Mann mit ihm vergleichen wird und im Endeffekt auch jeden Mann ablehnen wird. Warum sie sich dann nicht von ihm löst, begreife ich nicht. Und wenn sie sich dafür rächen wollte, dann wohl doch nur an ihrem Vater und nicht an den Juden als Volk?